Hamburg. Vor Innenausschuss am Mittwoch wird bekannt: Oberbranddirektor verklagte die Innenbehörde. Was wird aus dem Rettungsdienstgesetz?
Die Einladungen wurden schon vor einer ganzen Weile verschickt. „Die nächste Sitzung des Innenausschusses findet statt am Mittwoch, 1. November 2023, um 14 Uhr im Rathaus, Raum 151“, heißt es in dem Informationsschreiben relativ unspektakulär. Dazu die Tagesordnung, in der es unter Punkt 1 vermeintlich noch unspektakulärer heißt: „Entwicklungen bei der Feuerwehr Hamburg“.
Doch genau diese Entwicklungen bei der Feuerwehr dürfen in Wahrheit als extrem spektakulär bezeichnet werden. So wurde pünktlich vor dem Innenausschuss, bei dem die zahlreichen Probleme nach mehreren Anläufen nun schonungslos auf den Tisch sollen, die Klage von Noch-Feuerwehrchef Christian Schwarz gegen die Innenbehörde bekannt.
Feuerwehr Hamburg: Bisheriger Chef hat gegen die Innenbehörde geklagt
Dem Abendblatt liegt der 13-seitige Beschluss des Hamburger Oberverwaltungsgerichts vor, laut dem Schwarz auch in zweiter Instanz eine Niederlage vor Gericht gegen seine Versetzung erlitten hat. Als Erstes berichtete das Onlineportal 24hamburg.de darüber.
Der Hintergrund des brisanten Gerichtsstreits: Bereits vor mehr als einem Jahr haben sich Teile der Feuerwehrführung und die Innenbehörde komplett überworfen. Dabei ging es sowohl um inhaltliche Differenzen als auch um Überlastung und Mobbing (Abendblatt berichtete). Neben Feuerwehrchef Schwarz und seinem Stellvertreter Stephan Wenderoth waren weitere Führungskräfte über mehrere Monate krankgeschrieben.
Führungskräfte klagen über „Klima der Angst“ – Thema soll endlich auf den Tisch
In einem großen Abendblatt-Report klagten mehrere der Führungskräfte über ein „Klima der Angst“. Die Feuerwehr antwortete in einem schriftlichen Statement und sagte: „Einen strukturell desolaten Zustand, wie Sie ihn herbeischreiben, können wir nicht erkennen und weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.“
Doch diese Antwort reichte seinerzeit Teilen der Politik nicht. Nach den Abendblatt-Veröffentlichungen beantragte Dennis Gladiator, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, sogar eine sofortige Sondersitzung des Innenausschusses: „Jetzt muss endlich alles auf den Tisch.“ Nachdem aber SPD und Grüne eine sofortige Selbstbefassung des Innenausschusses im Sommer ablehnten und diese anschließend mehrfach verschoben wurde, folgt diese nun endlich an diesem Mittwoch.
Feuerwehr Hamburg: Oberbranddirektor hat Arbeitszeitkonto von 2239 Überstunden
Ab 14 Uhr dürfte dann auch der Prozess des geschassten Schwarz zum Thema werden. Dieser war bis Juni 2023 krankgeschrieben und sollte nach einer Zwangsversetzung innerhalb der Innenbehörde bis zum Ende des Jahres Überstunden abbauen. Laut Gerichtsbeschluss wies sein Arbeitszeitkonto 2239 Überstunden und 19 Minuten auf. Zuletzt hatte Schwarz dagegen geklagt, dass seine Umsetzungsverfügung rechtswidrig sei – und verlor in zweiter Instanz. Wie es mit dem Oberbranddirektor nun aber wirklich weitergeht, ist noch unklar.
Auf Abendblatt-Nachfrage erklärte Daniel Schäfer, Sprecher der Innenbehörde: „Herr Dr. Schwarz ist aktuell arbeitsunfähig. Infolgedessen konnten die notwendigen Gespräche über die zukünftige Verwendung noch nicht geführt werden.“ Christian Schwarz wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.
Bisheriger Stellvertreter Wenderoth ist erneut arbeitsunfähig
Doch genauso ungewiss wie die Schwarz-Zukunft ist auch der Status seines bisherigen Stellvertreters Stephan Wenderoth. Dieser soll in der Innenbehörde in die Arbeitsgruppe Bevölkerungsschutz versetzt worden sein. Auf Nachfrage heißt es allerdings von der Innenbehörde: „Herr Wenderoth ist aktuell arbeitsunfähig. Infolgedessen konnten die notwendigen Gespräche über die zukünftige Verwendung noch nicht geführt werden.“
Da Wenderoth aber offiziell gar nicht mehr zur Feuerwehr gehört, dürfte er – ähnlich wie andere frühere leitende Angestellte der Feuerwehr – offiziell im Rahmen der Selbstbefassung nicht mehr als kranke Feuerwehr-Führungskraft geführt werden. Ob sich die innenpolitischen Sprecher der verschiedenen Fraktionen allerdings mit dieser Art der Erklärung zufriedengeben, wird abzuwarten sein.
Feuerwehr Hamburg: Wer soll in Zukunft die Führung übernehmen?
Vor Ort an diesem Mittwoch soll auch Interimsfeuerwehrchef Jörg Sauermann sein, der bis Anfang kommenden Jahres in Elternzeit ist. Ob er nach seiner Rückkehr als Nachfolger von Schwarz Feuerwehrchef bleiben darf, ist allerdings noch völlig offen. Im Hinblick auf eine dringend notwendige Festlegung der Feuerwehrführung sagt die Innenbehörde lediglich: „Eine Ausschreibung erfolgt nach Abschluss der notwendigen Prüfungen und Vorbereitungen.“
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Dabei sind die Differenzen zwischen der Behörde und der früheren Doppelspitze nicht der einzige Feuerwehr-Konflikt, der an diesem Mittwoch in Raum 151 zum Thema werden soll. Sogar einen eigenen Punkt auf der Tagesordnung ist dem Rettungsdienst gewidmet, über dessen Zukunft es seit Monaten hinter den Kulissen kracht.
Das Abendblatt hatte im August Einsatzprotokolle veröffentlicht, laut denen nicht immer das nächstgelegene Krankenhaus angesteuert wurde, was heftige Kritik nach sich gezogen hat. Nun will Innensenator Andy Grote das neue Rettungsdienstgesetz vorstellen, um das es während des Sommers ebenfalls großen Streit gegeben hat. Zur Erinnerung: Erst nach massivem Widerstand aus der Politik änderte Grote die Ursprungsversion des Rettungsdienstgesetzes und strich Paragraf 16 des modifizierten Rettungsdienstgesetzes, laut dem der Posten des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (ÄLRD) neu geregelt werden sollte.
Rettungsdienst: Verwirrung um Wahl des Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe
Im Zusammenhang mit der Zukunft des Rettungsdienstes ebenfalls ein großes Thema: die Wahl des neuen Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe. In einer Kampfabstimmung soll Prof. Thoralf Kerner aus dem Asklepios Klinikum Harburg diese Wahl bereits Anfang September gewonnen haben. Erstaunlich: Noch immer ist das Ergebnis nicht offiziell verkündet, obwohl die Urkunde zur Berufung schon längst gedruckt worden sein soll. Nach Abendblatt-Informationen aus der Innenbehörde soll es nun sogar juristische Zweifel daran geben, ob die formalen Voraussetzungen für diese Besetzung erfüllt sind. Eine Abendblatt-Nachfrage hierzu wurde bislang nicht beantwortet.
Nachfragen aus der Politik rund um die Feuerwehr, den Prozess von Noch-Chef Schwarz und der Zukunft des Rettungsdienstes wird es an diesem Mittwoch aber jede Menge geben – und idealerweise dann auch die eine oder andere Antwort.