Hamburg. Immer mehr Einsätze in Hamburg, schlechte Stimmung bei den Rettern, Führungsspitze krank. Doch Senator Grote sieht keine Probleme.
Andy Grote ließ sich am Dienstagmittag durch nichts aus der Ruhe bringen. Als der Innensenator im Rathaus gerade anfing, den umfangreichen Jahresbericht 2022 der Feuerwehr vorzutragen, brach um den SPD-Politiker herum hektische Betriebsamkeit aus. Zunächst wollte eine Kamera nicht aufhören zu piepen, dann störte auch noch ein klingelndes Handy. Und Grote? Trug seelenruhig jede Menge guter Nachrichten vor: „Unsere Feuerwehr ist weiter auf Wachstumskurs, und angesichts der hohen Anzahl von Einsätzen im vergangenen Jahr können wir als Stadt zu Recht stolz und dankbar sein, eine der modernsten und leistungsfähigsten Feuerwehren Deutschlands zu haben.“
Und tatsächlich klangen die nackten Zahlen, die neben Grote auch von Interims-Feuerwehrchef Jörg Sauermann und vom Landesbereichsführer der freiwilligen Feuerwehren, Harald Burghart, vorgestellt wurden, zunächst einmal beeindruckend. So arbeiteten die Feuerwehr Hamburg und die Partner im Rettungsdienst 2022 insgesamt 316.275 Einsätze in der Notfallrettung, im Brandschutz und der technischen Gefahrenabwehr ab – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Rechnerisch gab es 866 Einsätze pro Tag. Wegen 12.058 Bränden wurde ausgerückt, die Einsätze zu Hilfeleistungen und Umweltschutzeinsätzen sind zudem um 4669 auf 25.956 angestiegen.
Feuerwehr Hamburg hatte im vergangenen Jahr 316.275 Einsätze
Erneut habe die Feuerwehr ihre „Professionalität, Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft für unsere Sicherheit unter Beweis gestellt“, lobte Grote, der auch einen positiven Ausblick in die Zukunft wagte: „Um die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern, investieren wir fortlaufend in einen nachhaltigen Personalaufwuchs. Mit großen Investitionen in die Infrastruktur und die Fahrzeugbeschaffung stärken wir die Leistungsfähigkeit weiter und stellen die Feuerwehr zukunftsfähig auf.“
All die gut klingenden Nachrichten hatten nur einen Haken: Sie decken sich nur bedingt mit der Zustandsbeschreibung der Feuerwehr, die in vertraulichen Gesprächen dem Abendblatt zuletzt vermittelt wurde. Aus dem Inneren der Feuerwehr heißt es, dass die Stimmung schlecht sei – genauso wie die Zusammenarbeit zwischen Innenbehörde und Feuerwehr. Einer der Hauptkritikpunkte: Es gebe zwar mehr Personal als früher, aber dieses könnte der Flut an 112-Notrufen kaum noch gerecht werden. Allein im vergangenen Jahr gingen mehr als eine halbe Million Notrufe bei der Feuerwehr ein – ein Höchststand.
Hamburger Feuerwehrspitze fällt seit Monaten aus
Als ein Beleg für den wachsenden Frust bei der Feuerwehr wurde gegenüber dem Abendblatt angeführt, dass seit Anfang des Jahres die Führungsspitze der Feuerwehr ersetzt werden muss. Nach offizieller Darstellung der Innenbehörde fallen sowohl Oberbranddirektor Christian Schwarz als auch sein Stellvertreter Stephan Wenderoth krankheitsbedingt langfristig aus. In Wahrheit sollen sich sowohl Schwarz als auch Wenderoth mit der Innenbehörde überworfen haben und werden seitdem durch Interimschef Sauermann und Branddirektor Jan Peters als stellvertretender Leiter ersetzt.
„Es ist richtig, dass wir krankheitsbedingte Ausfälle bei der Amtsleitung und der Stellvertretung haben. Das ist auch nach wie vor so. Herr Branddirektor Sauermann und als Stellvertreter Herr Branddirektor Peters nehmen beide diese Führungsaufgabe mit voller Tatkraft ohne Einschränkung wahr“, sagte Grote am Dienstag auf Nachfrage des Abendblatts. „Wir haben keinen Mangel an Führung bei der Feuerwehr.“
Gibt es einen höheren Krankenstand bei der Feuerwehr?
Nicht bestätigen wollte der Innensenator dagegen, dass es seit dem Aus von Schwarz auch auf den verschiedenen Hierarchiestufen darunter einen erhöhten Krankenstand bei der Feuerwehr geben soll. „Mir ist es nicht bekannt, dass wir einen höheren Krankenstand in höheren Leitungsebenen haben“, so Grote, der zudem betonte, dass Kathrin Schuol aus der Innenbehörde nicht mehr der Feuerwehrleitung vorangestellt sei.
Die Abteilungsleiterin „Öffentliche Sicherheit“ war im Februar zur Feuerwehr beordert worden, „um strukturelle Themen zu bewegen“, wie Grote erklärte. Als Polizeikommissarin soll Schuol von Teilen der Feuerwehr sehr kritisch beäugt worden sein. Grote kontert: „Sie hat Dinge vorangebracht. Jetzt haben wir aber wieder eine voll einsatzfähige Leitung, deswegen haben wir dies nun zurückgefahren.“
Feuerwehr Hamburg: Gladiator (CDU) kritisiert ungeklärte Führung
Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU, der gerade erst eine Kleine Anfrage zum technischen Zustand der Feuerwehr gestellt hatte, wollte sich mit diesen Antworten nicht zufriedengeben. „Aus der Feuerwehr hört man leider im Zuge der ungeklärten Führung und einer kommissarisch eingesetzten Leitung immer wieder von einer angespannten Lage“, sagte Gladiator. „Um die Probleme zu lösen, muss sich der Innensenator an den Bedürfnissen der Feuerwehr und den Sicherheitsinteressen der Stadt orientieren und nicht durch sein Handeln die Effizienz der Feuerwehr beeinträchtigen sowie die Kolleginnen und Kollegen durch ungeklärte Verhältnisse weiterhin verunsichern.“
Elf Prozent der Stellen bei der Feuerwehr waren frei
Von den 3817 Stellen bei der Hamburger Feuerwehr waren laut der Kleinen-Anfrage-Antwort Ende März 3432 besetzt, das heißt, 385 Stellen oder knapp elf Prozent waren frei. Beim Einsatzdienst in den Feuer- und Rettungswachen waren 2584 von 2923 Stellen besetzt. Damit waren 339 Arbeitsplätze oder 11,6 Prozent nicht vergeben. Die Feuerwehr will ihre Personalwerbung erweitern.
Neben der personellen Situation sieht Gladiator auch die technische Ausstattung kritisch. Seine Senatsanfrage hat ergeben, dass die Hamburger Feuerwehr ihre technischen Geräte zurzeit nicht so regelmäßig prüfen kann wie eigentlich vorgeschrieben. Um die vorgeschriebenen Prüfintervalle wieder einzuhalten, erwäge die Feuerwehr laut Senatsantwort, sie von externen Dienstleistern oder anderen qualifizierten Feuerwehrmitarbeitern vornehmen zu lassen.
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Einen Großbrand bei der Feuerwehr sieht Grote aber nicht. „Mit großen Investitionen in die Infrastruktur und die Fahrzeugbeschaffung stärken wir die Leistungsfähigkeit weiter und stellen die Feuerwehr zukunftsfähig auf“, sagte der Innensenator, der nach der Pressekonferenz noch gemeinsam mit Feuerwehrchef Sauermann vor einem Hubrettungsfahrzeug posieren durfte. Und auch da ließ sich Grote trotz Fotografen und Kameramännern nicht aus der Ruhe bringen.