Hamburg. Innensenator Grote hat Gesetzentwurf überarbeitet. Beauftragter der Leitenden Notärzte im Fokus. Ausschuss setzt Thema auf Agenda.
Fast auf die Minute zwei Stunden hatte der Innenausschuss am vergangenen Donnerstag in Raum 151 des Rathauses relativ unspektakulär getagt, als der wohl spannendste Satz des Abends als letzte Bemerkung unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ fiel.
CDU-Mann Eckard Graage, der den verhinderten Dennis Gladiator vertrat, beantragte eine Selbstbefassung des Ausschusses zum Thema „Entwicklung bei der Feuerwehr Hamburg“. Der Antrag ging ohne Gegenstimme durch, was bedeutet, dass bei der nächsten Sitzung der innenpolitischen Sprecher der Parteien Ende September alles rund um die Feuerwehr auf den Tisch kommen soll.
Feuerwehr Hamburg: Streit um Rettungsdienst – jetzt kommt alles auf den Tisch
Und das wird einiges sein. Mobbing in der Führungsriege, Überlastung, ein hoher Krankenstand, eine veraltete Rettungsdienststruktur und personelle Streitigkeiten sind nur einige der Punkte, über die das Abendblatt schon seit Wochen berichtet.
Und nun kommen noch zwei weitere Punkte dazu: das neue Rettungsdienstgesetz, dessen ersten Entwurf Innensenator Andy Grote, im Senat zuständig für die Feuerwehr, kurz vor den Sommerferien verschickte – und der auf heftigen Widerstand stieß.
Und: die Wahl des neuen Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe, die bis zum 14. September abgeschlossen sein soll und um die hinter den Kulissen einen wohl noch nie so dagewesener Machtkampf entbrannte.
Hamburgs Politik muss sich weiter mit Feuerwehr und Rettungsdienst beschäftigen
Auf den ersten Blick scheinen beide Punkte nur wenig miteinander zu tun zu haben. Doch oft lohnt ein zweiter, etwas genauerer Blick. So wollte Grote in der Ursprungsversion in Paragraf 16 des Rettungsdienstgesetzes auch festschreiben, dass der Posten des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (ÄLRD) neu geregelt werden sollte.
Seit drei Jahren ist das Godo Savinsky, der 90 Prozent seiner Zeit für die Feuerwehr tätig ist. Kritiker behaupten, er habe zu wenig Bezug zu Krankenhäusern. Dem wird entgegnet, dass der ÄLRD-Job in erster Linie ein Büro- und kein Klinikjob sei und er auf Sachebene sehr wohl mit den Kliniken vernetzt ist.
Trotzdem wollte die Innenbehörde, dass zukünftig ein Ärztlicher Leiter nur noch 20 Prozent für die Feuerwehr und 80 Prozent in einem Krankenhaus tätig sein soll. So formulierte sie es auch im ersten Gesetzentwurf. Doch nach massiven Protesten vom grünen Koalitionspartner, aus den Reihen der Feuerwehr und von verschiedenen Krankenhäusern wurde der Paragraf nun kürzlich ersatzlos gestrichen.
Welche Rolle spielt Prof. Thoralf Kerner aus dem Asklepios Klinikum Harburg?
An dieser Stelle bleibt also vorerst alles beim Alten – und an dieser Stelle kommen auch das neue Rettungsdienstgesetz und die Wahl des neuen Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe zusammen. Denn: Haupteinwand der Kritiker von Grotes erstem Gesetzentwurf war, dass der neue Zuschnitt des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst nur auf eine Person in Hamburg passen würde: auf Prof. Thoralf Kerner aus dem Asklepios Klinikum Harburg.
Kerner hat 30 Jahre Erfahrung in der präklinischen Notfallmedizin, mehr als 20 Jahre ist er als Notarzt im Einsatz gewesen. Das kann man nicht von der Hand weisen. Allerdings soll er trotz großer Expertise in den vergangenen Jahren nicht mehr als „normaler“ Notarzt tätig gewesen sein, wie es eigentlich erforderlich ist.
Zudem, so behaupten es jedenfalls seine Kritiker, wäre er als Asklepios-Mann trotz aller mutmaßlichen Qualitäten eben nicht mehr unabhängig. Trotzdem will sich Kerner – wie es der Zufall will – genau in dieser Woche zum Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe wiederwählen lassen.
Alle fünf Jahre wird ein neuer Sprecher für die Leitende Notarztgruppe gewählt
Hier wird es kompliziert. Die Leitende Notarztgruppe besteht aus zwölf Ärzten – und jeder dieser Ärzte hat einmal im Quartal eine Woche Dienst bei der Feuerwehr als sogenannter Leitender Notarzt 1 (LNA1). Er fährt an die Einsatzstelle, während der LNA2 im Hintergrund arbeitet und in der Rettungsleitstelle den Lagedienstführer unterstützt. Und diese Gruppe wählt alle fünf Jahre aus ihrer Mitte einen Sprecher, den sogenannten Beauftragten. Es ist, das sagen Mitglieder dieser Gruppe selbst, ein eigentlich völlig unbedeutendes Amt.
Eigentlich. Doch nun ist das Amt und die Wahl des zukünftigen Beauftragen derart politisch aufgeheizt, dass hinter den Kulissen ein regelrechter Machtkampf entbrannt ist. Aus der Leitenden Notarztgruppe hat sich mit Tim Lange vom BG Klinikum jetzt sogar ein Gegenkandidat zu Kerner positioniert.
Sein Antrieb: Dem Vernehmen nach will er das Amt wieder entpolitisieren, sich wieder mehr der Sache zuwenden. „Ich möchte, dass es eine echte Wahl gibt“, sagte Lange zum Abendblatt. Kerner wollte sich auf Nachfrage öffentlich nicht zu der Kampfkandidatur äußern.
Leitende Notarztgruppe: Nun muss sogar ein Anwalt die Wahl organisieren
Weil aber die Fronten verhärtet sind, wurde sogar ein Anwalt beauftragt, der die Wahl orchestrieren soll. Statt persönlich auf der nächsten Sitzung am 14. September wird nun geheim online gewählt. „Es ist traurig, dass das nötig ist“, sagte ein Mitglied der Gruppe dem Abendblatt. „Ich bin entsetzt.“
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Was man zu dem Streit wissen muss: Aus der Gruppe der Leitenden Notärzte werden auch fünf Mitglieder in den sogenannten Fachbeirat entsandt. Dieser soll die Innenbehörde bei wichtigen Entscheidungen rund um die Feuerwehr und den Rettungsdienst beraten. Und wenn sich aus diesem Gremium, so der Vorwurf einiger Kritiker, ein Mitglied für ein neues Profil des Ärztlichen Leiters der Feuerwehr starkmacht, das in erster Linie fast ausschließlich auf ihn selbst passt, dann habe das alles Geschmäckle.
Auf Druck der Grünen wurde das Rettungsdienstgesetz überarbeitet
Das haben auch die Grünen, Koalitionspartner der SPD, erkannt, die über die Sommerpause erfolgreich Druck für eine Änderung des Rettungsdienstgesetzes gemacht haben. Zur Erinnerung: Besonders laute Kritik kam aus dem UKE, für das Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank von den Grünen zuständig ist.
Allein: Auch bei den Grünen hatte niemand ein Interesse daran, dass ihre Verstimmung über den Gesetzentwurf allzu öffentlich wird. Denn nachdem sich Grüne und SPD in den vergangenen Wochen immer wieder über die Zukunft der Köhlbrandbrücke öffentlich behakten, konnte es keiner der beiden Koalitionspartner gebrauchen, dass nun ein weiterer Streit in der Sache medienwirksam ausgetragen wird.
Feuerwehr Hamburg – im Innenausschuss kommt alles auf den Tisch
Doch die Büchse der Pandora ist nun offen. Spätestens beim nächsten Innenausschuss dürfte durch die Selbstbefassung zum Thema Feuerwehr alles auf den Tisch kommen. Zumindest fast alles. Denn inhaltlich könnte man in der Tat ganz vortrefflich diskutieren. Zum Beispiel über die angespannte Situation der Zentralen Notaufnahmen, die veraltete Feuerwehrstruktur oder ein neues Leitsystem.
Was aber wirklich Ende September im Innenausschuss zum Thema Feuerwehr besprochen wird, ist noch offen. Klar scheint nur, dass die Mitglieder diesmal nicht mit einer zweistündigen Sitzung davonkommen werden.