Hamburg. Senator Grote musste sich in der Bürgerschaft Kritik gefallen lassen. Doch welche Rolle spielt seine hochrangige Abteilungsleiterin?
- Bei der Feuerwehr Hamburg scheint es zu brennen
- Nach internen Querelen muss sich Innensenator Grote Kritik gefallen lassen
- Welche Rolle spielt seine hochrangige Abteilungsleiterin?
Wer zum Wochenstart bei der Präsentation des Jahresberichts vom Verfassungsschutz in den Räumlichkeiten der Innenbehörde am Johanniswall dabei war, der erlebte einen gut gelaunten Andy Grote. Der Innensenator lächelte und lobte, würdigte und warnte. Die Gefahr von rechts, von links, Islamisten, Reichsbürger – das alles klang unschön – und gleichzeitig machbar. „Unser Verfassungsschutz wirkt“, sagte Grote mit direktem Blick in die Kameras – und schaute dabei sehr zuversichtlich aus.
Ob der immer wieder in die Kritik geratene Innensenator die gleiche Zuversicht hat, was die zahlreichen Probleme bei der Feuerwehr angeht, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass sich bei dieser Thematik Grotes gute Laune vom Wochenstart in den Tagen darauf verschlechtert haben dürfte.
Zunächst war da die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch, in der Grote vorgeworfen wurde, das Feuer bei der Feuerwehr nicht unter Kontrolle zu bekommen. „Bei der Hamburger Feuerwehr brennt es“, rief Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU, ins Plenum. Und weiter: „Die Hilfsfristen werden gerissen, die Feuerwehrleitung wurde weggemobbt, die Probleme werden immer größer.“
Feuerwehr Hamburg soll wieder auf Vordermann gebracht werden
Am Tag darauf wurde eine schriftliche Kleine Anfrage der CDU zum schwierigen Zustand des Rettungsdienstes der Feuerwehr veröffentlicht. Und schließlich thematisierte das Abendblatt nach einem längeren Report aus der vergangenen Woche auch in dieser Woche noch einmal die angespannte Lage bei der Feuerwehr. Die Abendblatt-Schlagzeilen der vergangenen Tage: „Notruf aus der Feuerwehr – wie sehr brennt es?“ „Feuerwehr Hamburg – Burn-out und Überlastung“ und schließlich am Freitag „Feuerwehr fast 21.000-mal zu spät – nun schaltet sich die Politik ein“.
Dass bei der Feuerwehr einiges im Argen liegt, hat natürlich auch Innensenator Grote selbst längst erkannt. Auch deswegen hat er im vergangenen Jahr Kathrin Schuol, die Abteilungsleiterin für Öffentliche Sicherheit (A4), der damaligen Feuerwehrleitung mit dem Auftrag, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen, vorangestellt. Auf Nachfrage betonte ein Sprecher der Innenbehörde, dass Schuols Engagement bei der Feuerwehr „nicht zu veränderten Kompetenzen oder der Verschiebung von Zuständigkeiten“ geführt habe.
Laut Senator Grote hat Abteilungsleiterin ihre Feuerwehr-Aufgabe erledigt
Wirklich nicht? Über das, was seitdem zwischen Innenbehörde und Feuerwehr passiert ist, gibt es höchst unterschiedliche Sichtweisen. Laut Grote hat die frühere stellvertretende Leiterin des Landeskriminalamts Hamburg ihre Aufgabe im besten Sinne erledigt: „Sie hat in einer Phase, in der sehr viel an strukturellen Themen zu bewegen war, unterstützt und hat auch Dinge da vorangebracht“, sagte er auf Abendblatt-Nachfrage. Innerhalb der Feuerwehr sehen das viele anders – und erheben sogar schwere Vorwürfe.
Zum einen sei das Betriebsklima erheblich gestört. Einige Feuerwehrkräfte trauen sich nicht einmal mehr, am Telefon über möglicherweise heikle Arbeitsthemen zu sprechen. Führungskräfte sprachen gegenüber dem Abendblatt sogar von Mobbing. Ein Sprecher der Feuerwehr relativiert: Es würden keine Aussagen vorliegen, dass ein „Klima der Angst“ bestehen würde. Und auch in der Innenbehörde wiegelt man ab: Man habe sogar Rückmeldungen erhalten, „dass sich das Betriebsklima verbessert“ habe.
Wurde bei der Feuerwehr Hamburg ohne übliches Verfahren befördert?
Doch Top-Kräfte der Feuerwehr gehen in vertraulichen Gesprächen mit dem Abendblatt noch weiter. So wurde auch kritisiert, dass leitende Beamte schnell befördert wurden und in naher Zukunft (ohne ein übliches Verfahren) überraschend befördert werden, während sich andere leitende Beamte seit Monaten krankgemeldet hätten.
In einer Stellungnahme widerspricht die Feuerwehr. „Im öffentlichen Dienst gibt es entsprechende Regularien, wie ein Dienstposten besetzt werden kann.“ So könne man auf eine Ausschreibung verzichten, wenn es Interessenten gebe, die schon das entsprechende Statusamt innehaben – oder wenn kein anderer Bewerber erwartet werden könne oder die notwendigen Voraussetzungen mitbringe. „Bei Stellenbesetzungen muss immer der Grundsatz gewahrt werden, dass hier die Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung für die Personalauswahl herangezogen werden.“
Stellvertretender Feuerwehrchef meldete sich nach Gespräch krank
Unabhängig von der neuen Kritik bei der Stellenbesetzung ist bereits länger bekannt, dass zu den Führungskräften, die schon seit Monaten krankgeschrieben sind, auch Leiter Christian Schwarz und dessen Stellvertreter Stephan Wenderoth gehören. Auf der Landespressekonferenz vor dreieinhalb Wochen hatte Innensenator Grote auf Abendblatt-Nachfrage Schuols Einsatz bei der Feuerwehr auch damit begründet, dass besonders Wenderoth schon seit langer Zeit krankgeschrieben sei.
Nach Abendblatt-Informationen hat sich allerdings jener Wenderoth erst nach einem Grundsatzgespräch mit Schuol im vergangenen Sommer krankgemeldet – und zwar unmittelbar nach dem Gespräch. „Einen Zusammenhang zwischen einzelnen Gesprächen und der Krankmeldung von Herrn Wenderoth erkennen wir nicht und haben dazu auch keine Erkenntnisse“, schreibt die Innenbehörde in einer Stellungnahme.
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In demselben Schreiben wird allerdings nicht Stellung bezogen, wann Feuerwehrchef Schwarz durch die studierte Kriminologin Schuol von einer tiefgreifenden Strukturänderung – Referat A43 (Feuerwehr) wurde zu einem Sachgebiet erklärt und der Polizei (A42) zugeordnet – informiert wurde.
Nach Abendblatt-Informationen soll das erst Tage später gewesen sein. Kein Wunder also, dass auch Schwarz, der mit Schuol im Dauerclinch gewesen sein soll, seit Monaten krankgeschrieben ist. Offiziell trägt er noch immer den Titel, sein Büro ist aber längst wieder vergeben, seine persönlichen Sachen wurden entfernt.
Führung der Feuerwehr scheint in zwei Lager gespalten
Nach den Geschehnissen im vergangenen Jahr scheint die Führung der Feuerwehr mittlerweile in zwei Lager gespalten. Die einen sprechen von Zerwürfnissen, reden über Überbelastung und Burn-out. Die anderen finden das kompromisslose Vorgehen der Innenbehörde richtig und wichtig.
Zu den anderen dürfte auch der frühere Leitende Branddirektor Andreas Kattge gehören. Im vergangenen Jahr schrieb er im Vorwort des Feuerwehr-Magazins „Löschblatt“ über den Start von Schuol bei der Feuerwehr: „In den zurückliegenden Wochen konnte ich erleben, mit wie viel Einfühlungsvermögen und Schwung sie sich in die ihr nicht ungekannte Aufgabenstellungen der Feuerwehr Hamburg einarbeitet.“ Mittlerweile ist Kattge pensioniert – darf aber als Berater der Innenbehörde, also auch von Schuol und Grote, in Feuerwehrfragen weiter tätig sein.
Kathrin Schuol galt als Kandidatin für das Polizeipräsidium
Kattge ist aber nicht der Einzige, der Grotes Vertraute Schuol schätzt. Selbst Kritiker – und davon gibt es bei der Feuerwehr derzeit jede Menge – bewundern ihre Auffassungsgabe. „Sie gilt als äußerst fähige Strippenzieherin und Netzwerkerin, als ebenso fachlich kompetent wie strukturiert.“ Das sagt zwar niemand bei der Feuerwehr, aber beim Abendblatt.
So stand es jedenfalls in einem Artikel vor vier Jahren über die Karrieristin. Was in dem Artikel von damals allerdings auch stand: Dass sich schon seinerzeit die damalige stellvertretende LKA-Chefin mit dem damaligen LKA-Chef überwarf. Nach Abendblatt-Informationen galt Schuol zuletzt trotzdem als Nachfolgekandidatin für Ralf-Martin Meyer als neue Polizeipräsidentin.
Wen Grote tatsächlich zum Nachfolger des scheidenden Polizeipräsidenten vorschlägt, ist sicherlich nicht die aktuell größte Sorge des Innensenators. Gerade erst hatte sich der SPD-Politiker von der medialen Dauerkritik ein wenig freigeschwommen. „Corona-Party“, „Pimmelgate“, die Aufarbeitung des Amoklaufs in Alsterdorf – kein Hamburger Senator stand in den vergangenen Jahren so häufig in der Kritik wie er. So stand es auch genau an dieser Stelle vor sechs Wochen.
Feuerwehr Hamburg: Bekommt Grote die Probleme in den Griff?
Seitdem ist es ruhig um Grote geworden – bis jetzt der Krach in der Feuerwehr für große Wellen in der Öffentlichkeit und auch in der Innenbehörde sorgt. Will der 54-Jährige seinen inoffiziellen Rekord nach Rücktrittsforderungen nicht noch ausbauen, sollte er den Großbrand bei der Feuerwehr besser bald löschen.
Und Schuol? Die hat sich – zumindest offiziell – bei der Feuerwehr wieder verabschiedet. Dem Vernehmen nach ist der Top-Beamtin ohnehin nicht recht, durch den Ärger bei der Feuerwehr in den Fokus gerückt zu werden. Die große Bühne wird sie lediglich als Gastdozentin am 27. Juni beim Berliner Kongress „Wehrhafte Demokratie“ betreten. Ihr Thema, das kaum besser passen könnte: „Neue Wirklichkeit: Die Krise als Normalzustand im Zivil- und Katastrophenschutz.“