In der Art eines Retters holte er Hamburgs Milliarden aus dem Feuer. Doch seine berüchtigte dunkle Seite wurde ihm offenbar zum Verhängnis.
Hamburg. Plutos Nase hat ihn entlarvt. So viel vorneweg. Später mehr.
Es geht darum, dass Dirk Jens Nonnenmacher eigentlich ein ganz umgänglicher Mensch ist. Seine Kritiker, und das sind gefühlt kaum weniger als die Millionen Möchtegern-Bundestrainer, leugnen es zwar hartnäckig. Aber es gibt sie, die Situationen, in denen der Hüne mit den zurückgegelten Haaren sympathische Züge zeigt. Nonnenmacher merkt sich Gesichter, er geht auf Menschen zu und begrüßt sie per Handschlag, spricht sie in kleinen Gruppen schnell jovial mit "ihr" an und erzählt schon mal eine Anekdote aus der Zeit, als er in einer Unfallchirurgie gearbeitet hat. Etwa von dem Chirurgen, der einen schwer verletzten Motorradfahrer zwar retten, dabei aber nur notdürftig zusammenflicken konnte - weil die Zeit für mehr nicht reichte.
Eine blutige Parabel auf seine eigene Situation. Auch Nonnenmacher hatte keine Zeit, damals im Winter 2008/2009, als er innerhalb von Wochen ein Rettungskonzept für die gegen Milliardenverluste kämpfende Bank aus dem Hut zaubern und es vier völlig unterschiedlichen Eignern - zwei politisch gesteuerten Bundesländern, einem betulichen Sparkassenverband und einem renditeorientierten US-Investor - schmackhaft machen musste. Damals lief er oft um die Alster und fragte sich: "Wo ist die Lösung?" Aber er hat es geschafft, er hat die 13 Milliarden Euro von den Ländern bekommen, er hat die HSH Nordbank gespalten in eine Kern- und eine Abbaubank, und der Kern macht jetzt langsam wieder Gewinn.
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So führt der Exkurs in die Chirurgie letztlich zu seinem Lieblingsthema: die "Restrukturierung" der HSH Nordbank. Dann ist er in seinem Element, dann ist er "Mr. Retter", und seine andere Seite, die dunkle, sie bleibt dann verborgen. Ab es gibt sie. Später mehr.
Am 15. März 2010 ist "Mr. Retter"-Tag. An Bord der "Rickmer Rickmers" referiert Nonnenmacher vor Wirtschaftsjournalisten die Lage der Bank, seiner Bank. En passant lässt er eine Zahl fallen: 679 Millionen Euro. Das Jahresergebnis für 2009. Ein dickes Minus, ja, aber viel kleiner als erwartet. Nonnenmacher platzt fast vor Stolz, er bleibt sogar noch zum Essen, an Stehtischen. Dass er gut drauf ist, war schon vorher zu sehen. Als sein Mikrofon streikt, scherzt mit Blick auf den roten, runden Schaumstoff um das Sprechgerät: "Erinnert mich an Plutos Nase."
Kaum jemand nimmt Notiz von diesem kleinen Satz, dabei sagt er so viel aus. Professor Dr. Dirk Jens Nonnenmacher, dieser hochintelligente, aber angeblich so eiskalte Vorstandschef der HSH Nordbank, ist ein Comic-Fan.
Ja, er habe wohl eine beachtliche Sammlung, sagt einer, der den "Menschen" Nonnenmacher kennengelernt hat. Seine Einschätzung: "Er leidet unter der blanken Ablehnung, die ihm entgegenschlägt." Alles andere wäre wohl unmenschlich, und wer Comics liest, muss ein Mensch sein.
Doch diese Ablehnung, eine Zeitung schrieb sogar vom "meistgehassten Manager", sie hat einen Grund, besser einen Namen: "Dr. No".
Das Kürzel "No", mit dem der Vorstandschef intern Unterlagen abzeichnet, ist die Chiffre für Nonnenmachers dunkle Seite. Für den Bösewicht, der kaum Bindung zu seinen Mitarbeitern hat, der Vorstandskollegen möglicherweise mittels schmutziger Tricks geschasst hat, gegen den Staatsanwälte in Hamburg, Kiel und New York ermitteln, der nur mit Bodyguards öffentlich auftritt und offenbar einen geheimdienstähnlichen Sicherheitsapparat um sich herum aufgebaut hat und der, weil das einfach zu viel ist, jetzt gehen muss.
In Teilen ist es auch die Geschichte eines Missverständnisses. Nonnenmacher kommt 2007 von der DZ Bank zur HSH, um den später abgeblasenen Börsengang mitzugestalten. Die erste deutsche Landesbank an die Börse zu bringen - das habe ihn gereizt, erzählt er. Doch was der neue Finanzvorstand vorfindet, ist erschütternd. Milliardengeschäfte werden im Handumdrehen getätigt, eine interne Kontrolle findet kaum statt. Nonnenmacher deckt die "Prozessschwächen" - eines seiner Lieblingswörter - auf, versucht sie auszumerzen. Dass er viele Kollegen vor den Kopf stößt, ist ihm bewusst. Aber als Chef dürfe man "nicht wackeln", sagt Nonnenmacher und zerschneidet die Luft mit der Handkante.
Dass er 2008 sogar Vorstandschef wird, macht ihn noch unbeliebter. Viele Mitarbeiter sind überzeugt, dass Nonnenmacher die Lage der Bank - 2008 waren es letztlich 2,8 Milliarden Euro Minus - schlechter dargestellt hat, als sie war. Andere finden das smart, denn nur so konnte die HSH den Ländern allein drei Milliarden Euro in bar abringen, und die Erholung der Bank erscheint umso eindrucksvoller - wobei der Lichtkegel vor allem auf den Verantwortlichen fällt: Nonnenmacher. Als später herauskommt, dass er den Posten nur unter der Bedingung angenommen hat, dass er Ende Juli 2009 gehen und 2,9 Millionen Euro mitnehmen darf, ist er bei den meisten HSH-Mitarbeitern, von denen mehr als 1000 im Zuge der Sanierung ihren Job verlieren, unten durch.
Das eigentliche Unheil hat da schon seinen Lauf genommen. Weil Nonnenmacher viele seiner Vorstandskollegen für unfähig hält und regelmäßig brisante Informationen aus der Bank durchsickern, ersinnen er und Chefjustiziar Wolfgang Gößmann einen Geheimplan.
An einem dunklen Winterabend im Februar 2009 schlägt die Stunde des "Dr. No". In seinem Arbeitszimmer am Gerhart-Hauptmann-Platz tütet er gemeinsam mit Gößmann - so schildert der es später bei der Kieler Staatsanwaltschaft - individualisierte Dokumente an Vorstandskollegen ein. Gößmann zufolge hat Nonnenmacher darauf gedrängt, dass auch Vorstand Frank Roth ein Exemplar bekommt.
Weil sich nichts tut, wird die Aktion wenige Wochen später wiederholt, und siehe da: Die Roth überlassenen Dokumente werden zurückgeschickt, von einer Adresse, die identisch ist mit der der britischen Zeitung "Guardian". Im April 2009 wird Roth gefeuert und wegen Geheimnisverrats angezeigt. Doch der Staatsanwaltschaft kommt die Sache merkwürdig vor. Warum hat Roth handschriftliche Notizen auf den Dokumenten hinterlassen? Welches Motiv hätte er? Warum schickt ein Journalist brisante Unterlagen zurück? Die Staatsanwälte drehen schließlich den Spieß um und ermitteln nun gegen die HSH-Spitze um Nonnenmacher.
Auch der 17. September 2009 dürfte nach dem Geschmack von "Dr. No" sein, der Mutter aller Bond-Bösewichte. Für 10 Uhr New Yorker Zeit hat Nonnenmacher den Leiter der örtlichen HSH-Filiale, Roland K., zu einer Telefonkonferenz bestellt. Doch der Manager ahnt, was kommt - ein ganzer Entlassungstrupp. Weil die Juristen, Sicherheits- und IT-Experten K. nicht antreffen, kündigt Personalchef Stefan B. ihm per Mail: "Lieber Roland", du bist entlassen. Keine Begründung. Danach filzt das Team K.'s Büro - und stößt zielsicher hinter dem Bild von K.'s Tochter auf eine E-Mail-Adresse, die zu kinderpornografischem Material führt.
Doch auch dieser Fall kommt den Ermittlern, diesmal den New Yorkern, spanisch vor. Auch sie drehen den Spieß um und ermitteln nun unter anderem gegen Nonnenmacher.
Immer mittenmang: die Sicherheitsfirma Prevent. Sie arbeitet schon seit 2004 für die HSH, doch erst unter Nonnenmacher häufen sich die Aufträge. Abhörsichere Folie für die Fenster, abhörsichere Krypto-Handys für den Chef und seine Vertrauten, Personenschutz, Auswertung der Berichterstattung - Prevent "bewachte" quasi die HSH und stellte allein für 2008 und 2009 mehr als sieben Millionen Euro in Rechnung. Im Fall Roth behauptete ein Ex-Prevent-Mitarbeiter zunächst, er habe Roths Büro verwanzt und die vertraulichen Unterlagen verschickt - widerruft die Aussage jedoch später. Und im Fall Roland K. ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft inzwischen, ob es Prevent-Mitarbeiter waren, die die Kinderporno-Hinweise platziert haben.
Die Vorwürfe treffen stets auch Nonnenmacher, der einige Verträge mit Prevent selbst abgezeichnet hat. Das Fass zum Überlaufen bringt der Verdacht, Prevent habe Politiker bespitzelt. Die HSH kann die Vorwürfe nicht entkräften, die Meinung der Politik gleicht sich immer mehr der der Öffentlichkeit an: Nonnenmacher muss gehen, das Vertrauen in ihn ist aufgebraucht.
Auf den letzten Metern versucht der Chef, zumindest seine Mitarbeiter für sich einzunehmen. Am 29. September 2010 lädt der Vorstand sie per Mail zu "persönlichen Gesprächsrunden" ein, weist aber vorsorglich darauf hin, dass "mitunter einzelne Aspekte" nicht beantwortet werden könnten. Rund 700 HSHler nehmen an, in 50er-Gruppen dürfen sie seit Mitte Oktober ihren Vorstand beschnuppern - zumindest Nonnenmacher haben viele noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen. Doch die gediegene Atmosphäre im "Kaminzimmer" am Ballindamm - gelbe Ledersofas, künstliches Feuer und Alsterblick - lassen das Eis kaum tauen. Als ein Mitarbeiter Nonnenmacher nach dem Gerücht fragt, er sei gerade Vater geworden, bügelt der ihn ab: "Das ist Privatsache." Bleibt es auch.