Harburg. Anwohner diskutieren über Zukunftsentwurf für das maritime Quartier. Warum südlich der Elbe niemand zur zweiten Hafencity werden will.
- Der Harburger Binnenhafen ist tatsächlich noch so etwas wie ein Geheimtipp für Hamburg
- In dem maritimen Quartier wird nicht nur gelebt, sondern auch gearbeitet, und das oft noch von Hand
- Den Bewohnern ist sehr daran gelegen, keine zweite Hafencity zu werden – doch wie soll das gelingen?
„Wir wollen keine Wohnbebauung am See, sondern einen Binnenhafen!“ Und: „Hier entsteht keine Harburger Hafencity. Das funktionierende Hafengewerbe soll erhalten werden.“ Mit diesen beiden Sätzen traf Baudezernent Hans Christian Lied auf Wohlwollen der Bürgerinnen und Bürger, die mit Verwaltung und Stadtplanern den neuen Entwurf des Bebauungsplans für Kernbereiche des Binnenhafens diskutierten. Aber es gab auch Kritik, etwa zu „vier Kasernenhöfen am Lotsekai“.
Fast 50 Hafenbewohner sowie Aktive aus dem Museumshafen Harburg und der Kulturwerkstatt kamen zur öffentlichen Plandiskussion zur Aufstellung des neuen B-Plans (Harburg 72/Heimfeld 55). Die Überarbeitung des Baurechts war nötig geworden, weil aktuell der Anteil von Wohnungsbau sehr eingeschränkt ist. Auch einige andere Festsetzungen sind überholt. Konkret geht es um drei Teilflächen im Herzen des Hafens: um die Bereiche Kanalplatz/Harburger Schloßstraße, nördlich des Lotsekanals sowie (versteckter) im östlichen Teil der Schlossinsel.
Hafencity in Hamburg südlich der Elbe: Binnenhafen-Bewohner haben andere Pläne
Die meiste Kritik ernteten die rosa Gebäudewürfel, die die Planer nördlich des Lotsekais platziert haben. Dort kann wegen einer Hochspannungsleitung nicht gewohnt werden. Stattdessen hält die Verwaltung bis zu fünfstöckige Büro- oder Gewerbegebäude für vertretbar. Auch westlich der Klappbrücke am Dampfschiffsweg ist an Stelle der alten Backsteinhalle ein großes Gebäude angedacht, das zusammen mit seinem Gegenüber ein „Entrée“ zur Schlossinsel bilden soll.
Zwar ist dies größtenteils noch Zukunftsmusik. Die Gebäude rechts von der Klappbrücke stehen auf dem Gelände des Bauunternehmens Aug. Prien, und es nichts bekannt, dass das Harburger Traditionsunternehmen seinen gut 150 Jahre alten Standort (gegründet 1873 als kleine Tischlerei am Kanalplatz) verlassen oder großartig umbauen will. Die Gebäude rechts davon sind dagegen bereits geplant. Wenn der Investor einen Hauptmieter findet, wird gebaut.
Bürohäuser würden Blick auf Schloss und Werftareal verstellen
Die potenziell massive Bebauung entlang der Kaipromenade, dem Zentrum des Museumshafens Harburg mit seinen Schiffen, Kränen und historischen Eisenbahnwaggons, war der größte Kritikpunkt des Abends. „Wie kriegen wir es hin, dass wir weiterhin das Schloss sehen?“, fragte Martina Siebert von der Kulturwerkstatt Harburg und sprach von einer „Wand am Lotsekai“.
Auch Werner Pfeifer, Hafenbewohner und Betreiber der Fischhalle Harburg, zeigte sich „erschreckt durch die angedachte Bürohäuserwand. Dahinter liegt die HPA-Werft, die vielleicht in einigen Jahren aufgegeben wird. Dort könnte dann ein tolles urbanes Areal entstehen, mit Kultur und Wohnen. Doch es wäre verstellt durch Bürohäuser.“
Nach dem Entwurf des B-Plans bietet nur noch der Lotseplatz eine Sichtachse zum Schloss. Der Bezirk plant, den unbeschatteten Platz mit einigen Bäumen zu versehen, die die Nutzung der Fläche (etwa für Flohmärkte) aber weiterhin erlauben. „Die unteren Äste der Bäume werden entfernt werden müssen, um den Blick zum Schloss zu erhalten“, sagte Lied. Die Verschattung sei aber wichtig als Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel. Der Binnenhafen sei ein Harburger Hotspot: Die Hafengewässer speichern Wärme und geben diese nachts wieder ab.
Kanalplatz: „Wildes Wäldchen“ verdrängt potenzielle Neubauten
Andreas Koenecke vom Vorstand des Museumshafens sprach von „vier Kasernenhöfen am Lotsekai“. Im Plan seien weder Schiffe, Kräne noch die drei historischen Eisenbahnwaggons seines Vereins zu sehen. „So detailliert sind Bebauungspläne nicht“, antwortete Jörg Michel von POLA Landschaftsarchitekten. „Die Waggons können entlang des Lotseplatzes stehen und damit den Platz aufwerten.“ Dann stünden sie allerdings im 90-Grad-Winkel zu ihrem ursprünglichen Einsatzort auf dem Kai.
Auf der südlichen Seite des Lotsekanals, innerhalb der zweiten Teilfläche des B-Plans, sieht der neue Entwurf deutlich weniger Bebauung und viel mehr Grün als der gültige Plan vor. Das „Wilde Wäldchen“ am Röhrenbunker wird jetzt auch planerisch als Grünfläche gesichert. Sein Erhalt hatte die Bezirksversammlung vor wenigen Jahren beschlossen. Die Rettung des Wäldchens wurde mehrfach gelobt. Im derzeitigen B-Plan sind dort noch zwei große Gebäude mit maximalen Höhen von 33 und 22 Metern eingezeichnet.
Forschungsgebäude und Hotelhochhaus flankieren Segel-Raap
Östlich des Wäldchens, Richtung Bistro und Kontorhäuser, sollen weitere Bäume hinzukommen. Auch auf der ansonsten leeren Hauptfläche des Kanalplatzes ist auf der Seite der Kontorhäuser eine Baumreihe geplant, die zur Fußgängerdrehbrücke hinleitet. Jenseits der Straße Kanalplatz, vor dem Gebäude von Segel-Raap, wird im kommenden Jahr der Platz Richtung Süden erweitert. Hier liegt der zweite große Baubereich, der das Gesicht des Binnenhafens verändern wird.
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Zwischen der (ebenfalls überplanten) Segelmacherei und dem Westlichen Bahnhofskanal ist nach wie vor der Bau eines 65 Meter hohen Gebäudes vorgesehen. Eigentümer der Fläche ist der Harburger Bauunternehmer Arne Weber (HC Hagemann). Er hatte 2018 angekündigt, dort das größte Hotel Hamburgs bauen zu wollen. Es ist eines von vier Hotelprojekten im Binnenhafen, die seit Jahren nicht realisiert werden.
An der Ecke zur Harburger Schloßstraße, wo bis zum Sommer Archäologen neue Details zur Harburger Stadtgeschichte ausgegraben hatten, sollen, wie am Lotsekai, bis zu fünfgeschossige Gebäude errichtet werden dürfen. Hier und weiter die Straße hinauf möchte die Technische Universität Hamburg (TUHH) ihren Hafencampus erweitern. Ein Großteil der Fläche gehört der Wissenschaftsbehörde. Dort stehen bereits kleinere, in die Jahre gekommene Gebäude der TUHH.
Entlang der Schloßstraße soll ein Gebäuderiegel entstehen, in dem geforscht wird. Auf der von der Straße abgewandten Seite ist ein faches Gebäude mit Gastronomie eingezeichnet – eine Mensa. Zwischen dem Forschungsgebäude und dem Bahnhofskanal ist in Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk ein langes Gebäude mit studentischem Wohnen anvisiert.
Stadtentwicklung Hamburg: Restaurants mit Elbblick am Harburger Hafen geplant
Die Harburger Schloßstraße können sich die Planer als Fahrradstraße vorstellen. Und auch drei von vier Kanälen, die wie Finger zur Harburger Innenstadt zeigen, haben sie Funktionen zugeordnet: Der Ziegelwiesenkanal ganz im Westen könnte Teil des Museumshafens werden, schlagen sie vor.
Der Kaufhauskanal zwischen Blohm- und Schloßstraße ist naturnah und könnte als Biotop gestärkt werden. Denkbar sei eine Steganlage, die in die grüne Idylle führt. Dagegen sehen sie den Westlichen Bahnhofskanal als belebtes Gewässer, auf und an dem gastronomische Angebote gemacht werden.