Harburg. Künstler montiert Schwarz-Weiß-Foto von 1955 an die Außenfassade im Binnenhafen. Warum die Aufnahme nostalgische Erinnerungen weckt.
Die Szene auf dem historischen Bild erzählt Geschichten aus einer anderen Zeit – als das wirtschaftliche Leben im Harburger Binnenhafen noch pulsierte, es sind die Fünfzigerjahre, Ölsaaten, Fässer und Getreidesäcke werden in enger Taktung im Westlichen Bahnhofskanal angelandet.
Seit einigen Tagen hängt die faszinierende Schwarz-Weiß-Aufnahme am Brückenwärterhäuschen am südlichen Kanalplatz. Immer wieder bleiben Passanten stehen und betrachten das Bild. Wobei der eigentliche Star darauf gar nicht das pulsierende Leben im Binnenhafen ist – sondern die alte Klappbrücke, die all das möglich macht. Der Baukünstler Werner Krömeke hat bereits mehrere großformatige Bilder der früheren Arbeitswelten im Binnenhafen installiert. Dieses Motiv wird in wenigen Jahren wie ein Nachruf auf die alte Brücke über den Westlichen Bahnhofskanal wirken.
Binnenhafen Harburg im Jahr 1955: Als Straßenbahnen auf passierende Frachtschiffe warteten
Damals war die Klappbrücke (Baujahr 1954/55) gerade fertiggestellt worden – vielleicht war das der Anlass, die neue Brücke im aufgeklappten Zustand zu fotografieren. Die Brücke ersetzte eine Drehbrücke aus dem Jahr 1846. Für den Bau musste die dort verlaufende Straßenbahnlinie 12 (vom Hamburger Rathaus nach Rönneburg) von der eigentlichen Linienführung durch die Harburger Schloßstraße über den Schellerdamm umgeleitet werden.
Danach wurde der Straßenbahnverkehr für ein- und auslaufende Frachtschiffe häufig unterbrochen. „Nicht selten standen sechs oder sieben Straßenbahnen hintereinander vor der hochgeklappten Brücke“, ist der Infotafel neben dem historischen Foto zu entnehmen – nicht erst die heutige S-Bahn-Verbindung zur Hamburger City hat mit Störungen zu kämpfen.
Die historische Hafenansicht im Brückenwärterhaus ist eine von drei Installationen, die Werner Krömeke in diesem Jahr im Binnenhafen verankern möchte. Er nutzt Aufnahmen aus der Harburger Hafengeschichte und platziert sie am authentischen Ort. Zuvor werden die Bilder im Studio an der Jarrestraße aufgearbeitet. „Oftmals haben sie eine niedrige Auflösung“, sagt er. Durch akribische Arbeit werden aus verschwommenen Vorlagen gestochen scharfe Schwarz-Weiß-Szenen.
Weiteres Motiv zeigt Hafenarbeiter mit Futtermittelsäcken
Auf eine Kolorierung verzichtet Krömeke. Denn die Schwarz-weiß-Optik weckt sofort die Assoziation von alten Fotografien. Die Werke werden auf Alu Dibond Platten gebannt. Sie sind widerstandsfähig und abwaschbar. Das könnte sich gerade am Brückenwärterhaus bewähren, da hier die Schaulustigen unmittelbar vor dem Werk stehen.
An der Kaimauer des Kanals unterhalb des Brückenwärterhäuschens war der Baukünstler bereits im Frühjahr aktiv. Er montierte drei Aluverbundplatten, die Hafenarbeiter zeigen. Sie bemustern in Säcken verladene Futtermittel für das Unternehmen A. Andreas Hansen. So steht es auf dem Anleger am Kai.
Mit einem selbstgebauten Ponton montiert er die Alu-Platte an die Kaimauer
Eine weitere Installation ist am Palmspeicher geplant. Sie soll das vor zehn Jahren erschaffene Erstlingswerk des Künstlers im Binnenhafen wieder vervollständigen. Es zeigt eigentlich die Verladung von Säcken mit Ölsaaten. Doch vor einigen Jahren wurde die Kaimauer saniert. Nur der obere Teil der Szene ist übrig geblieben. Die angelandeten Säcke und sieben fleißige Arbeiter sind verschollen.
„Ich bin mit der Gebäudeverwaltung im guten Gespräch und hoffe, dass ich die Installation noch im September/Oktober vornehmen kann“, sagt Krömeke. „Später im Jahr wird es unangenehm, dann ist das Hafenwasser sehr kalt.“ Auf einem selbstgebauten Ponton stehend, wird er die große Alu-Platte an die Kaimauer montieren. „Ich muss jetzt erst einmal die Verlängerung der Fördergelder beantragen. Die Förderung läuft eigentlich nur bis September.“
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Die drei Installationen werden vom Bezirksamt Harburg, der Integrierten Stadtteilentwicklung der Stadt und der Städtebauförderung des Bundes finanziert. Krömeke erhält dafür 14.000 Euro. Nach Abzug der Material- und Transportkosten und aufgrund des hohen Zeitaufwands bleibe davon ein Entgelt im Bereich des Mindestlohns übrig, sagt der Künstler.
Klappbrücke im Binnenhafen: Der Star der Installation ist selbst bald Geschichte
Die auf dem neuesten Motiv gezeigte Klappbrücke wird voraussichtlich 2027 selbst Geschichte. Sie ist heute viel stärker durch Lkw und Busse belastet als vor 70 Jahren. Deshalb plant der Landesbetrieb Straße, Brücken und Gewässer (LSBG) eine Grundinstandsetzung des maroden Bauwerks auf der zentralen Achse des Hafenverkehrs.
In diesem Jahr wurden verschiedene Messungen an der Brücke durchgeführt. Ziel sei es „auf diese Weise mehr Bauteile identifizieren zu können, die im Sinne des Denkmalschutzes erhalten werden können“, so der LSBG. Das Bauwerk ist ein markantes Mosaikstück des unter Ensembleschutz stehenden Harburger Binnenhafens.
Verkehr Hamburg: Arbeiten an der Klappbrücke werden für Behinderungen sorgen
Deshalb muss die Klappbrücke nicht nur in ihrer Funktion erhalten, sondern in der gleichen Gestalt instandgesetzt beziehungsweise erneuert werden. Die Arbeiten werden einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Brücke bleibt dann für den Straßenverkehr gesperrt. Passanten und Radler werden eine Behelfsbrücke bekommen. So ähnlich wie es auch auf dem Bild von 1955 zu sehen ist.