Harburg. Fast 400 Miniwohnungen sind allein in Harburg in Planung, 500 gibt es bereits: Das Geschäft floriert. Doch die Sache hat einen Haken.

  • Leben, lernen, kochen, waschen und entspannen auf 30 Quadratmetern
  • Brauchen wir wirklich hunderte dieser Kleinstwohnungen?
  • Und welche Mieter ziehen die Mikroapartments überhaupt an?
  • Meistens werden sie möbliert und befristet vermietet. Zu hohen Preisen

Ab Mitte Januar wird der Wohnkomplex HAR6, das ist das ehemalige Harburg-Center, bezogen. Gut 220 der 230 Wohnungen darin sind „Mikroapartments“. Noch einmal 64 solcher Kleinstwohnungen baut ein anderer Investor nur einige Meter entfernt an der Lüneburger Straße. Und direkt auf der anderen Seite der „Lü“ hat die Centralis Immobilien GmbH jetzt angekündigt, 88 Mikroapartments zu verwirklichen.

Das macht 372 Mikroapartments auf engstem Raum in den kommenden Jahren, zusätzlich zu knapp 500 solcher Winzigwohnungen, die es im Harburger Zentrum bereits gibt. In der Bezirkspolitik sieht man das kritisch, hat aber anscheinend wenig Handhabe.

Konzept Miniwohnung: Auf 30 Quadratmetern findet das Leben statt

Der Begriff „Mikroapartment“ ist nicht fest definiert. Gemeinhin bezeichnet er Wohnungen einer Größe unter 30 Quadratmeter, die in der Regel möbliert und befristet vermietet werden. Die meisten Mikroapartments sind deutlich kleiner als 30 Quadratmeter. Ein Großteil liegt zwischen 17 und 20 Quadratmetern. In anderen Mietwohnungen ist das die Größe des Wohnzimmers. Auf dieser Fläche untergebracht sind ein Schlafbereich, eine Kochnische, ein Sitzbereich sowie ein Badezimmer.

Projekt HAR6: Hunderte Mikroapartments am Harburger Ring
Projekt HAR6: Hunderte Mikroapartments am Harburger Ring © HA | moka-studio

Wer denkt, dass solche Wohnungen günstig sind, irrt. Quadratmetermieten nahe bei 30 Euro sind die Regel. Durch das möblierte Vermieten entziehen sich Mikroapartmentvermarkter jeder Mietpreisregulierung. Mieter, die dies akzeptieren, tun dies, weil sie entweder müssen und hoffen, bald etwas Größeres für dieselbe Miete zu bekommen. Oder weil sie das Apartment nur zeitlich begrenzt nutzen, etwa während des Studiums oder eines beruflichen Aufenthalts in Harburg.

Frage aus der Bezirkspolitik: Werden die Bewohner sich im Stadtteil integrieren?

In der Tat wurden einige Mikro-Apartment-Komplexe der Bezirkspolitik als „Studentenwohnungen“ schmackhaft gemacht. Als herauskam, dass diese Wohnungen auf Hotel-Portalen im Internet für 900 Euro im Monat vermietet wurden, war der Aufschrei groß, und eine kritischere Stimmung gegenüber den Mini-Wohnungen machte sich breit.

„Wir wollen ja durchaus, dass die Innenstadt durch Wohnbebauung belebt wird“, sagt Frank Richter (SPD), Vorsitzender des Harburger Stadtentwicklungsausschusses. „Aber Mikroapartments tragen wenig zur Belebung bei. Ihre Bewohner wechseln häufig, und sie gehen kaum Bindungen zum Stadtteil ein.“

Öffentliche Einflussnahme? Die Möglichkeiten sind begrenzt

Schon 2020 fasste die Bezirksversammlung deshalb den Beschluss, im Harburger Innenstadtbereich keine neuen Mikrowohnungen mehr zuzulassen. Allein: Die Möglichkeiten der Einflussnahme sind begrenzt. Es gibt sie, wenn das zu bebauende Grundstück der Stadt gehört, oder auch wenn eine Bebauungsplanänderung oder wenigstens eine Ausnahme vom bestehenden Bebauungsplan dafür beschlossen werden muss.

Mikroapartments Lüneburger Straße
Das geplante Apartmentgebäude liegt zwischen Lüneburger Straße (Ansicht) und Krummholzberg. © HA | Centralis

Was die städtischen Grundstücke angeht, hat sich der zuständige Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen (LIG) allerdings schon 2020 deutlich gegen die Forderung der Bezirksversammlung positioniert. Ein generelles Verbot würde die Gestaltungsmöglichkeiten im Wohnungsbau zu stark einschränken, hieß es damals in einer Stellungnahme des LIG. Außerdem würde der LIG schon von sich aus darauf achten, dass Bauprojekte auf städtischen Grundstücken eine gesunde Mischung aus Wohnungsgrößen und Wohnformen hätten.

Bei aller Winzigkeit: Mieten liegen über Vorgabe beim Bafög-Höchstsatz

Außerdem befindet sich die Kommunalpolitik oft in einem Dilemma, beziehungsweise einem „Zielkonflikt“, wie es vornehmer heißt. Beispielsweise sind Studentenwohnungen durchaus gewünscht und werden im Bau oft als Mikroapartments verwirklicht.

Doch selbst wenn die Mieten für Studenten in solchen Häusern von Stiftungen bezuschusst werden, wie etwa am Schellerdamm im Binnenhafen, liegen die sie oft über dem, was der Bafög-Höchstsatz dafür vorsieht und dem Rest-Etat, den Studierende von ihrer Förderung übrig haben, um Leben und Lernen zu finanzieren.

Es gibt auch noch andere Zwickmühlen: „Am ehemaligen Harburg-Center mussten wir abwägen“, sagt Frank Richter, „denn hätten wir die Mikro-Apartments nicht genehmigt, hätten wir noch sehr viel länger mit der Harburg-Center-Ruine mitten in der Stadt leben müssen.“

Mikroapartment-Projekte schließen Baulücken wie an der Lüneburger Straße

Auch die beiden Mikroapartment-Projekte an der Lüneburger Straße schließen Lücken im Stadtbild; zum einen das lange leer stehende „Marquardt-Haus“ aus dem Zeitalter der Stereoanlagen, zum anderen eine tatsächliche physische Lücke zwischen „Lü“ und Krummholzberg.

„Für das 700 Quadratmeter große Grundstück in der Lüneburger Straße 5 in Hamburg besteht bereits Baurecht“, heißt es in der Pressemitteilung von Centralis. „Geplant sind 88 Apartments mit einer Gesamtmietfläche von rund 3.100 Quadratmetern. Sie werden Größen zwischen 20 und 35 Quadratmetern aufweisen und hochwertig ausgestattet & möbliert sein.“

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Baubeginn soll Anfang 2025 sein. Fertig werden die Winzbuden Mitte 2026. Dann wird Centralis das Gebäude an den Apartmentvermieter „Limehome“ verpachten. Baurechtlich angemeldet ist es als „Boarding House“. Damit gilt es als Beherbergungsbetrieb.

Angesichts des Beschlusses von 2020 ist der Stadtentwicklungsausschuss irritiert über die Genehmigung der beiden Projekte an der Lüneburger Straße und verlangt Aufklärung. Die will das Bezirksamt in der Januarsitzung des Ausschusses geben.