Hamburg. Nicht nur mit dem Mega-Einkaufszentrum werden große Fehler im Viertel gemacht. Dafür besteht für die Innenstadt noch Hoffnung.
Sind Sie jüngst mal in den Stadthöfen gewesen? Dem historischen und komplett saniertem Gebäudeensemble in der City zwischen Neuer Wall, Stadthausbrücke und Große Bleichen? Wenn nicht, wagen Sie ruhig mal einen Blick durch einen Torbogen in einen oder am besten alle vier Höfe. Es lohnt sich.
Ja, wie mit dem Gedenken in dieser einstigen Zentrale des Nazi-Terrors in Hamburg umgegangen wurde, war unwürdig und beschämend. Und statt hier Designermöbel oder Maßanzüge zu shoppen und sich systemgastronomisch bewirten zu lassen, sollte man lieber die im vergangenen Sommer eröffnete Gedenkstätte und den dazugehörigen Seufzergang, durch den Gefangene zu Verhören geführt wurden, besuchen.
Immobilien Hamburg: Aus der City blickt man komatös gen Elbe, ins Reich des Bösen
Städtebaulich aber sind die Stadthöfe wirklich grandios geworden, dagegen schmieren die Hackeschen Höfe in Berlin ab. Natürlich wird sofort gelästert, dass hier lauter Touristen Selfies vor den gefliesten Wänden machen. Ja, das tun sie, weil die Kulisse wirklich schön ist. Und wer noch genauer hinsieht, auf den wartet ein weiterer ungewöhnlicher Anblick: Hinter den cremefarbenen Fassaden wohnen tatsächlich Menschen.
Über Preise wollen wir hier nicht diskutieren, aber über eines der Hauptprobleme der Innenstadt: Sie ist tot. Zumindest herrscht hier, sobald die Geschäfte geschlossen sind, kein Leben. Doch statt mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen, blickt man komatös Richtung Elbe, wo das Mordor wächst, das Reich des Bösen, das den Einkaufsmeilen rund um die Alster den letzten Tropfen Blut aussaugen wird.
HafenCity: Klotzige Bauten und Shopping-Ketten so weit das Auge reicht
Die Angst vor dem gigantischen Shoppingtempel mit dem sperrigen Namen Westfield Hamburg-Überseequartier ist so gewaltig wie dessen Ausmaße. 200 Geschäfte auf 100.000 Quadratmetern, dazu Büros, Hotels, Gastronomie, Entertainmentangebote und ein Kreuzfahrtterminal. Städtebaulich sei dieses Center komplett neu gedacht, lobte die Stadtentwicklungssenatorin beim Richtfest, ein Meilenstein für ganz Hamburg.
Klotzige Bauten, großflächig verglaste Fassaden, deren helle Rahmen bald vermutlich genauso abgeranzt aussehen werden wie der benachbarte Marco-Polo-Tower, und darin Mode-Ketten, Parfümerie-Ketten, Drogeriemarkt-Ketten, Buchhandlungsketten, Supermarkt-Ketten, Coffeeshop-Ketten, Restaurant-Keeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee
HafenCity: Noch mehr Publikumsverkehr – zum Glück gibt es dicke Autoschneisen
Ups, Entschuldigung, kurz vor Langeweile über der Tastatur eingenickt. Ja, darauf haben die Hamburger wirklich gewartet. Und die Bewohner der HafenCity freuen sich sicher über noch mehr Publikumsverkehr aus dem Umland. Wie gut, dass beim Planen dieses innovativen neuen Stadtteils weiterhin auf dicke Autoschneisen geachtet wurde, die das Quartier durchflügen und Fußgänger und Radfahrer dahin drängen, wo sie hingehören: an den Rand.
Sollen wir mal ehrlich sein? Die HafenCity ist in ihrer Gänze städtebaulich kein Meilenstein, sondern – von einigen innovativen Projekten abgesehen – ein in großen (vor allem den östlichen) Teilen unwirtlicher, eintöniger Koloss. Zwar gibt es hier Wohnraum auch für Nicht-Millionäre und es wurde an einen Park gedacht. Aber wie wäre es mit Gemeinschaftsgärten, Sportplätzen, einem Schwimmbad, kreativ genutzten Erdgeschossflächen?
City Hamburg: Hier würde man gerne wohnen, wenn es nicht so leblos wäre
Und warum einen so schönen Spielplatz wie den Grasbrookpark nicht einfach mal ganz prominent direkt am Wasser bauen? Ach nee, kein Platz, da thront ja schon das XXL-Einkaufszentrum.
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Dieses wird nun im April eröffnet, der Drops ist also gelutscht. Aber für die Innenstadt ist noch nicht alles verloren. Denn Hamburg hat den großen Vorteil, dass das Zentrum, anders als in anderen Städten, nicht potthässlich ist. Im Gegenteil, hier könnte und würde man gerne wohnen. Siehe Stadthöfe.
Immobilien Hamburg: So ginge eine lebenswerte Innenstadt – auferstanden von den Toten
Die zahlreichen Immobilien insolvent gehender Kaufhäuser würden sicher schönen Wohnraum hergeben. Statt weitere Showrooms von Autoherstellern könnten auf freien Fläche Kitas einziehen. Die Brache der früheren Gänsemarktpassage, auf der durch die Signa-Pleite Stillstand herrscht, wäre ein toller Platz für einen Park. Sämtliche Straßenzüge könnten autofrei endlich atmen. Und die Mönckebergstraße hätte man in Nullkommanichts belebt, wenn man nicht nur zeitweise Affen-Skulpturen aufstellen, sondern einen großen Spielplatz bauen würde.
Eine lebenswerte Innenstadt, auferstanden von den Toten.