Hamburg. Fläche dürfe kein „kariöser Zahn“ der Innenstadt werden. Parteien appellieren an Investor Signa. Was Behörde zur Situation sagt.

Stillstand. Mit diesem Wort kann die Situation auf dem Areal der inzwischen abgerissenen Gänsemarkt-Passage in der Hamburger Innenstadt beschrieben werden. Nachdem das Abendblatt exklusiv berichtet hatte, dass das Immobilienunternehmen Signa zunächst das geplante Neubauvorhaben am Gänsemarkt gestoppt hat, ist die Aufregung groß.

Es ist nicht nur das Gesprächsthema bei Maklern und Projektentwicklern, auch Politik und Stadt äußern sich dazu. Sie drängen darauf, dass die Signa – die auch den Elbtower in der HafenCity entwickelt – das neue Quartier „Am Gänsemarkt“ mit einer Mischung aus Büros, Wohnungen und Flächen für Handel und Gastronomie baut.

Gänsemarkt-Passage in Hamburg: Staatsrätin fordert Investor auf, Projekt zu realisieren

„Auch wenn es bei Immobilienprojekten grundsätzlich immer zu Verzögerungen kommen kann und die aktuelle Marktlage herausfordernd ist: Der private Bauherr ist jetzt ganz besonders gefordert, das Projekt weiter zu realisieren. Erst recht in dieser besonderen Lage“, sagt Monika Thomas (SPD), Staatsrätin in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, gegenüber dem Abendblatt.

Klartext spricht Heike Sudmann, Vize-Fraktionschefin der Linken: „Wie ein kariöser Zahn wird der Anblick des brachliegenden Grundstücks wehtun und nicht einladen, sich am Gänsemarkt aufzuhalten. Das ist schlecht für die anderen Gewerbetreibenden dort und den Senat.“ Auch Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen macht eine klare Ansage: „Es geht hier um ein wichtiges Grundstück im Herzen unserer Stadt. Eine lange Hängepartie inklusive klaffender Baulücke darf es nicht geben.“

Wichtig sei, dass hier schnell Transparenz hergestellt werde. Lorenzen fordert: „Als Grünen-Fraktion erwarten wir von Signa eine ehrliche Kommunikation über das weitere Vorgehen und den Umgang mit dieser unklaren Situation.“

Hamburg: Eigentlich wollte Signa ein neues Quartier am Gänsemarkt bauen

Zur Erinnerung: Eigentlich wollte die Signa, die zum weitverzweigten Firmengeflecht des österreichischen Milliardärs René Benko gehört, auf dem rund 3900 Quadratmeter großen Grundstück am Gänsemarkt bis Ende 2025 ein neues Quartier schaffen.

Die Visualisierung zeigt das geplante Quartier „Am Gänsemarkt“, das jedoch zunächst gestoppt wurde.
Die Visualisierung zeigt das geplante Quartier „Am Gänsemarkt“, das jedoch zunächst gestoppt wurde. © Hamburg | bloomimages/Signa Real Estate

Doch dann deckte das Abendblatt am Dienstag auf, dass es vorerst nicht weitergeht. Die Fläche mitten in der Innenstadt liegt nun erst mal brach. „Sobald der notwendige Vorvermietungsstand erreicht ist, werden wir mit der nächsten Projektphase beginnen“, sagte ein Signa-Sprecher auf Anfrage.

Doch offensichtlich gibt es noch nicht genügend Mieter. Und die Banken geben nur einen Kredit für die Realisierung des 250-Millionen-Projekts, wenn die Signa eine gewisse Vorvermietungsquote vorweisen kann.

Immobilien Hamburg: Stabiles Mietniveau im Bürovermietungsmarkt

Schwierig dürfte es vor allem werden, entsprechende Mieter für die rund 11.700 Quadratmeter geplante Bürofläche zu finden. Dem Abendblatt sagt Branchenexperte Andreas Rehberg, Sprecher der Geschäftsführung des Immobiliendienstleisters Grossmann & Berger: „Momentan ist es etwas ruhiger auf dem Hamburger Bürovermietungsmarkt. Allerdings gibt es weiterhin spannende Gesuche und ein stabiles Mietniveau. Die Anmietungsgeschwindigkeit hat sich hingegen verlangsamt.“

Und Makler Rehberg erklärt weiter: „Besonders gefragt sind noch immer attraktive Projekte in innerstädtischen Lagen, die Unternehmen einen relativ kurzfristigen Anmietungs- und Planungshorizont ermöglichen. Länger wollen und können die meisten Unternehmen gerade nicht planen.“

CDU macht sich Sorgen, dass das Gänsemarkt-Areal zum Spekulationsobjekt wird

Unterdessen ist auch CDU-Stadtentwicklungsexpertin Anke Frieling wegen des Baustopps in Sorge: „Niemand konnte erwarten, dass die Baukrise an Signa spurlos vorübergehen würde. Eine Brache auf dem Gelände der Gänsemarkt-Passage in bester Lage ist natürlich verheerend für die Innenstadt.“

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Frieling übt außerdem Kritik am Senat: „SPD und Grüne haben in den letzten zwölf Jahren wenig Gespür für die großen Projekte gehabt. Hoffentlich entsteht hier nicht das nächste Spekulationsobjekt.“

Immobilien Hamburg: Signa gehört das Alsterhaus und das Kaufmannshaus

Das Immobilienunternehmen Signa nennt ein Portfolio von diversen exklusiven Immobilien in der Hamburger Innenstadt ihr Eigen. Dazu zählen der Shoppingtempel Alsterhaus, das Kaufmannshaus und die Alsterarkaden. Auch an den Colonnaden gehören mehrere Gebäude den Projektentwicklern.

Dem Vernehmen nach besteht das Interesse, das eine oder andere Objekt zu verkaufen, um frisches Geld in die Kasse zu bekommen. Einen Käufer sucht die Signa nach Abendblatt-Informationen auch für die Flüggerhöfe am Rödingsmarkt. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble mit einer Mischung aus Wohnen, Büro und Flächen für Einzelhandel soll bis 2024 fertiggestellt sein.

Doch Linken-Vize Sudmann hat eine deutliche Forderung an die Stadt: „Der Senat muss jetzt die wenigen Instrumente, die er hat, nutzen, um Benko auszubremsen. Dazu gehört ein besonderes Vorkaufsrecht für die Hamburger Innenstadt, das den Weiterverkauf der anderen Benko-Immobilien zu Mondpreisen verhindert.“