Iris Webster (39) schätzt den dörflichen Charakter ebenso wie die Nähe zur City.

Es ist die Mischung aus dörflichem Charakter und Citynähe, die Iris Webster (39) an ihrem Wohnort Marmstorf so schätzt. Die Chance, in zehn Minuten am Hamburger Hauptbahnhof auszusteigen. Oder mit ihrem Sohn Philipp (7) beim Laternenumzug durch das alte Marmstorf mit seinen Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflaster-Straßen zu laufen. Das Gefühl, in einer Gemeinschaft zu leben - ohne den Klüngel, den es in den Dörfern weiter draußen noch gibt. Sie fühlt sich dort wohl, weil auch sie beides in sich vereinigt, Gemütlichkeit und die Natur ebenso schätzt wie Trubel und moderne Bauten: "Hier kann ich leben, wie ich will."

Seit zwölf Jahren gehört die gebürtige Neuländerin Iris Webster zu dem Stadtteil wie der Maibaum vor dem dortigen Schützenhof. Marmstorf ist Ansichtssache, sagt sie. "Wer von Harburg aus über die Bremer Straße zu uns kommt, sieht zunächst nur das neue Marmstorf." Und das folgt dem Tenor einer typischen Trabantenstadt: Mehrfamilien- und Hochhäuser, eine Einkaufspassage und riesige Supermärkte bestimmen das Bild. Kleine Hunde schnüffeln auf leeren Rasenflächen, Plastitüten wirbeln über die Hauptstraße hinweg.

Dort lebt und arbeitet sie, wäscht und schneidet den Marmstorfern im eigenen Friseursalon die Haare. Dabei entdeckt Iris Webster demografische Veränderungen. Immer häufiger kämen entweder alte Kundinnen - oder junge Mütter mit Kindern, die nach Jahren des Stadtlebens den Weg nach Marmstorf zurückgefunden haben. Für Familien ist es ideal", sagt Iris Webster. "Kindertagesstätten, Schulen und Sportvereine sind direkt vor Ort."

Verlässt man den modernen Teil und fährt wenige Hundert Meter weiter in nördliche Richtung, wechselt Marmstorf sein Äußeres - von kurzem Mini zum Trachtenkleid, wie Iris Webster sagt. In dem alten Ortskern stehen jahrhundertealte Fachwerkhäuser, der Wind rauscht durch zehn Meter hohe Eichen, Enten schwimmen auf dem Dorfteich.

Die alte Holztür eines Fachwerkhauses öffnet sich, eine weißhaarige Dame mit einer geblümten Kittelschürze über dem gebügelten Faltenrock tritt heraus. Tut so, als ob sie die Hortensien betrachtet, die entlang ihres Hauses wachsen. Und schaut doch jeden Moment zu, wie Iris Webster dem Abendblatt ihr Marmstorf zeigt. "So ganz verleugnen kann es seinen Dorfcharakter eben nicht", sagt Iris Webster schmunzelnd.

Traditionelle Klubs wie der Schützenverein bestimmen wieder das Dorfleben - nach einer jahrelangen Durststrecke, wie Iris Webster von einer Kundin gehört hat. Immer mehr junge Leute freunden sich mit alten Ritualen an, sei es Maibaum schlagen, sei es im Schützenverein sein. Andere wiederum organisieren in diesem Jahr zum zweiten Mal ein Musikfestival mit Bands aus ganz Hamburg. Und wieder andere bilden den Nachwuchs für den Schach-Klub SK Marmstorf, der in der Bundesliga unter den besten zehn Vereinen rangiert. Viel Abwechslung und Engagement also für junge Leute in einen Stadtteil, der laut Statistik hoffnungslos überaltet ist: Fast jeder dritte der insgesamt 8698 Einwohner ist 65 Jahre und älter.

Für Iris Webster hat das kaum Bedeutung. Sie kennt den Marmstorfer Nachwuchs aus der Grundschule ihres Sohnes - und von ihrem Lieblingsort, der streng genommen nicht mehr zu ihrem Stadtteil gehört. Im Sommer spaziert sie gern durch den Harburger Stadtpark, der an Marmstorf grenzt. Legt sich dort mit einem guten Buch auf die Wiese, während ihr Sohn wenige Meter weiter auf dem Spielplatz umhertobt. Und genießt das Gefühl, draußen zu sein - und doch mittendrin.