Serie: Abendblatt und “Hamburg Journal“ stellen Hamburgs Quartiere vor
Sie ist wie der große Graben. Wie eine Schneise, die den Stadtteil in zwei Hälften teilt. Nicht unüberwindbar - schließlich gibt es eine Reihe von Druckknopf-Ampeln. Doch für viele Eilbeker ist die Wandsbeker Chaussee eine Art geistige Blockade. "Die Straße strahlt Gefahr aus", sagt Uwe Becker. "Und Trennung."
Dabei ist in Eilbek, dem kleinen südwestlichen Zipfel Wandsbeks, "vernetzen" das Zauberwort. Uwe Becker benutzt es oft. Er ist 50 Jahre alt, seit 32 Jahren lebt er in Eilbek. Seine Frau Wiltrud (46) ist hier aufgewachsen, sie haben sich im Turnverein kennengelernt.
Uwe Beckers Schwiegervater, Günther Severin (76), war Pastor der Friedenskirche. Er kennt die Gemeinde. Die Gemeinde kennt den Stadtteilpolizisten, der kennt den Schulleiter und die Betreuerinnen vom Kindertageshort. Die wiederum kennen die Trainer in den beiden Sportvereinen.
Und beim Bäcker um die Ecke treffen sich alle wieder. "Eilbek ist wie ein kleines Dorf", sagt Uwe Becker über den Stadtteil mit knapp 20 000 Bewohnern und einer Fläche von gerade einmal 1,7 Quadratkilometern. "Es weiß es nur noch nicht."
Dem möchte der Vertriebsleiter der HHLA Rhenus auf die Sprünge helfen. Schließlich lebten hier Menschen zusammen, die gern zusammen leben. Das Problem ist, dass sich die Wege immer wieder trennen. Zum Beispiel an der Wandsbeker Chaussee. Auf der nördlichen Seite liegt entlang des Eilbekkanals das Auenviertel, in dem viele Straßennamen auf "au" enden, wie Hagenau, Sonnenau oder Blumenau und meist zweistöckige alte Stadthäuser stehen. Auf der südlichen Seite dominieren hingegen rotgeklinkerte Mehrfamilienhäuser. Und das heißt nicht nur soziale Trennung. Denn die Wohnungen wurden nach dem Krieg gebaut und haben größtenteils nur zweieinhalb Zimmer. "Das ist zu klein, um Familien herzuholen", sagt Becker. Die jungen Leute zögen deshalb weg. Im Alter allerdings, da kämen viele wieder. "An Eilbek ist eben was dran", sagt Becker. Es gebe eine Identifizierung mit dem Stadtteil.
Die spüre man auch bei den traditionellen Stadtteilfesten, die von der Stiftung "Eilbeker Gemeindehaus", in deren Kuratorium Becker sitzt, organisiert werden. Ebenso, wie die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen.
Die zwei Kirchengemeinden haben beispielsweise den Bau des Alterswohnsitzes "Ruckteschellheim" vorangetrieben. "Uns wurde vom Bezirk immer geraten, lieber ein Heim außerhalb der Stadt zu bauen", sagt Becker. "Aber die älteren Menschen möchten doch viel lieber bleiben, wo etwas los ist." Jetzt steht das Heim an der Wandsbeker Chaussee - und für die Bewohner gibt es viel zu sehen. Auch für einen Anbau sind die Eilbeker sprichwörtlich losmarschiert. 1976 wurde die Aktion "Eilbeker Latsch-In" ins Leben gerufen. Das Prinzip: Die Teilnehmer wandern eine längere Strecke und suchen sich einen Sponsor, der ihnen pro gelaufenen Kilometer einen bestimmten Betrag zahlt. In zehn Jahren haben sich die Eilbeker so 400 000 Mark erlaufen.
Heute erinnert eine Bronzestatue vor der denkmalgeschützten Osterkirche an die Wanderer. Und an einen ganz bestimmten. Eine der Figuren trägt die Gesichtszüge von Boxlegende Max Schmeling. Der ehemalige Bewohner half mit.
Doch vernetzt wird auch im Kleinen. Uwe Becker besucht seit 30 Jahren seinen Friseur an der Wandsbeker Chaussee. Und den Schuster nebenan. Dessen Tochter spielt mit seiner Handball. "Ist doch klar, dass man den kleinen Geschäften hilft", sagt Becker. Darum geht man auch eine Straße weiter beim Griechen "Mykonos" oder beim Portugiesen essen.
Ein weiterer Pfeiler in der Vernetzungsstruktur: Der Kindergarten Thielemannhort an der Ritterstraße, ebenfalls von der Stiftung "Eilbeker Gemeindehaus" ins Leben gerufen. Dort gibt es ein "Kinderrestaurant", in dem Schulkinder nach dem Unterricht eine warme Mahlzeit bekommen. Etwas anderes als Tiefkühlpizza oder Pommes vom Imbiss. Das wiederum, so Becker, freue die Trainer im Sportverein. Auf dem Hof des Kinderhorts steht übrigens ein Handballtor, das gerade nicht gebraucht wird. Der Verein ist immer auf der Suche nach Nachwuchs - vor allem aus der Nachbarschaft.