Die zentralen Fragen und Antworten zum Verfahren gegen die ausgelieferten somalischen Piraten der MS “Taipan“ in Hamburg.
Das niederländische Gericht hat entschieden: In den kommenden zehn Tagen werden die zehn Somalier, die das deutsche Containerschiff MS "Taipan" angegriffen haben sollen, an die Hamburger Staatsanwaltschaft ausgeliefert. Nach 400 Jahren werden sich damit in absehbarer Zeit erstmals wieder Piraten vor einem Hamburger Gericht verantworten müssen. Während die Seeräuber früher schon mal geköpft wurden, ist den Verdächtigen ein rechtsstaatlich fairer Prozess sicher. Und der findet im Landgericht statt und nicht - wie zu Störtebekers Zeiten üblich - auf einem Marktplatz in der Nähe der damaligen Hinrichtungsstelle auf dem Grasbrook.
Wie werden die Verdächtigen nach Deutschland überstellt?
"An den Details arbeiten wir noch", sagt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Am wahrscheinlichsten ist, dass die mutmaßlichen Seeräuber von Amsterdam nach Hamburg ausgeflogen werden. Allerdings könnte sich die vom Gericht in Amsterdam festgesetzte Zehn-Tages-Frist noch verlängern, etwa dann, wenn die Anwälte der Verdächtigen mit Hinweis auf Erkrankungen um einen Aufschub bitten. In spätestens 14 Tagen rechnet Möllers aber mit ihrer Ankunft in Deutschland.
Warum wird ausgerechnet in Hamburg verhandelt?
Weil der Heimathafen der MS "Taipan" in Hamburg liegt. Das von den mutmaßlichen Geiselnehmern angegriffene Containerschiff gehört der Hamburger Reederei Komrowski. Die Staatsanwaltschaft sei allerdings auch dann zuständig, wenn attackierte Schiffe nicht unter deutscher Flagge fahren - aber nur dann, wenn Soldaten an den Anti-Piraterie-Einsätzen beteiligt wären, sagt Oberstaatsanwalt Möllers. Die Zuständigkeit ergebe sich aus dem sogenannten Flaggenstaatsprinzip.
Warum findet der Prozess nicht vor dem Internationalen Seegerichtshof statt?
Der Seegerichtshof ist zuständig in Streitigkeiten hinsichtlich der Auslegung des UN-Seerechtsabkommens. Überwiegend geht es dabei um Streitigkeiten zwischen Staaten. Das Landgericht ist zuständig, weil hier das deutsche Strafrecht angewendet werden muss. Nach Paragraf 6 des Strafgesetzbuches gilt das Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts für Taten, die auf Schiffen begangen wurden, die unter deutscher Flagge fahren.
Wann beginnt der Prozess gegen die zehn mutmaßlichen Piraten?
Die Ermittlungen gehen sehr zügig voran, die Staatsanwaltschaft hat zahlreiche Beweise gesammelt: Die Beweismittel - die eingesetzten Raketenwerfer und Maschinenpistolen - liegen bereits der Behörde vor. Im Zuge der Amtshilfe haben BKA-Beamte in Dubai kurz nach der Befreiung der MS "Taipan" durch die niederländische Fregatte den Kapitän des Schiffes vernommen. Dabei seien auch Finger- und DNA-Spuren gesichert worden. Da der zugrunde liegende Sachverhalt in "rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überschaubar" ist, geht Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers von einer zügigen Anklageerhebung aus. Möglicherweise könnte die Hauptverhandlung schon im Frühherbst beginnen.
Welche Kammer des Landgerichts ist für das Verfahren zuständig?
Die Verkehrs-Strafkammer 3 des Hamburger Landgerichts (Vorsitzender Richter: Dr. Bernd Steinmetz). "Die Kammer ist für Straftaten zuständig, die zu Lande, zu Wasser oder in der Luft begangen wurden", sagt Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Ob die Staatsanwaltschaft nicht wie üblich nur einen, sondern gleich zwei Anklagevertreter zur Verhandlung entsendet, ist noch offen. Trotz klarer Beweislage wird ein kompliziertes Verfahren erwartet. Von den zehn Verdächtigen spricht keiner Deutsch. Alles, was vor Gericht gesprochen wird, muss von einem Dolmetscher übersetzt werden.
Wer übernimmt die Verteidigung der Angeklagten?
Jedem der zehn Angeklagten steht ein Verteidiger zu. Weil die mutmaßlichen Seeräuber bettelarm sind, wird ihnen das Gericht die Verteidiger beiordnen. An interessierten Anwälten wird wohl kein Mangel herrschen: Der Fall gilt als prestigeträchtig und erzeugt öffentliche Aufmerksamkeit. Benennen die Angeklagten keinen Anwalt, bestellt die Kammer einen Pflichtverteidiger. Nach den üblichen Sätzen erhält ein Pflichtverteidiger 216 Euro pro Hauptverhandlungstag. Übersteigt die Verhandlungsdauer allerdings fünf Stunden, werden weitere 108 Euro fällig, bei acht Stunden sogar 216 Euro extra. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, müssten sie die Kosten des Verfahrens tragen. Bei dem Jugendlichen unter den zehn mutmaßlichen Piraten könnte das Gericht davon absehen.
Ist schon absehbar, welche Zeugen geladen werden?
Wie viel Zeugen vernommen werden müssen, hängt auch davon ab, ob die Männer die ihnen zur Last gelegten Taten (versuchter erpresserischer Menschenraub und Angriff auf den Seeverkehr) gestehen. Theoretisch könnte die gesamte Crew (15 Männer) der MS "Taipan" vernommen werden. Auch die holländischen Soldaten kämen in Betracht.
Welche Strafen erwarten die Seeräuber im Fall einer Verurteilung?
Ihnen drohen hohe Gefängnisstrafen: mindestens fünf und höchstens 15 Jahre. Einer der Piraten ist nach einer Altersbestimmung vermutlich erst 15 oder 16 Jahre alt. Er müsste nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, hier liegt die Höchststrafe bei zehn Jahren. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Erwachsenen ihre Strafen in der JVA Fuhlsbüttel absitzen müssten. Der Jugendliche würde vermutlich in Hahnöfersand untergebracht werden.
Können die Angeklagten nach Verbüßen ihrer Strafe Asyl beantragen?
Das ist denkbar. Und die mutmaßlichen Piraten, wenn sie denn verurteilt werden, hätten auch eine gute Chance, damit durchzukommen. Denn in Deutschland gilt ein Abschiebestopp nach Somalia. Sollte ein späterer Asylantrag abgelehnt werden, könnten sie sogar Widerspruch einlegen.