Autor Eigel Wiese hat ein spannendes Buch über die Bedrohung auf den Meeren veröffentlicht
Piraten - das Wort löst Assoziationen an die Karibik aus, an berüchtigte Seeräuber wie Blackbeard, William Kidd oder Calico Jack, an vergrabene Schätze und palmenumsäumte Inseln.
Doch Piraterie ist zugleich ein uraltes Phänomen - bereits ab 1400 vor Christus existierte im Mittelmeer ein entsprechendes Seevölkerrecht, und im ersten Jahrhundert vor Christus bezeichnete der Konsul und Philosoph Cicero Piraten als "Feinde der Menschheit" - als auch ein sehr modernes Phänomen: So entstanden im Jahre 2006 durch Piraterie weltweit Schäden im Wert von fast 13 Milliarden Dollar. Nach Schätzungen verzehnfachte sich allein zwischen 2005 und 2008 die Zahl der somalischen Piraten von rund 100 auf mehr als 1000. Einige besonders gefährdete Routen werden von Reedereien gar nicht mehr befahren.
Der Hamburger Autor, Schifffahrtsexperte und Fotograf Eigel Wiese, den Abendblatt-Lesern von vielen Fachberichten bekannt, hat nun ein umfassendes Buch zum Thema Piraterie vorgelegt. "Ich habe mich lange intensiv damit befasst - und stellte fest, dass es viele Fragen mit sehr komplexen Antworten gab. Ich dachte, darüber müsste man mal ein Buch schreiben."
Man merkt dem gerade erschienen Buch "Piraterie. Neue Dimensionen eines alten Phänomens" (Koehler Verlag, 24,80 Euro) an, dass es von einem Fachautor geschrieben wurde, dessen ganzes Herz seit Jahrzehnten am Thema See und Schifffahrt hängt. Die 200 Seiten strotzen vor anschaulich geschilderten Beispielen moderner Piraterie zwischen Nigeria und Indonesien, angereichert mit Karten und aktuellen Fotos.
Es wird deutlich, wie skrupellos moderne Piraten teilweise vorgehen. Wiese berichtet über die Kaperung des Tankers "Nagasaki Spirit" 1991, dessen Besatzung von den Seeräubern unter Deck eingeschlossen wurde. Das Schiff trieb führerlos durch die Straße von Malakka und kollidierte schließlich mit dem Containerfrachter "Ocean Blessing". 12 000 Tonnen Öl liefen aus, fingen Feuer und schlossen beide Schiffe in einem Flammeninferno ein, 51 Seeleute verbrannten lebendigen Leibes. Das Feuer loderte sechs Wochen lang.
Wiese schildert detailliert die Hintergründe der Piraterie, die Methoden der Seeräuber, ihre Organisationsformen und die nicht seltene Verflechtung mit lokalen Behörden und korrupten Regierungsstellen. Und er stellt die Möglichkeiten dar, Piraterie auf See zu bekämpfen - von Schall- oder Wasserkanonen oder privaten Wachmannschaften an Bord über Ausweichmanöver bis hin zu den großformatigen Bemühungen der Staatengemeinschaft, die bedrohten Seewege mit Patrouillen und Marineeinheiten zu schützen - wie die EU-Operation "Atalanta".
Der Autor hat mit Reedern und Politikern gesprochen, auch mit dem Inspekteur der Bundesmarine, und er hat das weltweite Zentrum der Piratenbekämpfung in Kuala Lumpur besucht, wo das "Piracy Reporting Center" (PRC) als Teil des Londoner "International Maritime Bureau" (IMB) seinen Sitz hat. Das Buch liefert eine Darstellung und Analyse des modernen Phänomens Piraterie, die in dieser Vollständigkeit bislang nicht vorgelegen haben.
Man muss sich Wieses Verurteilung jener Politiker im Nachwort nicht anschließen, die ein Ende der "Scheckbuch-Diplomatie" und dafür eine härtere militärische Reaktion auf die Piraterie fordern. Dennoch hat Eigel Wiese vollkommen recht, wenn er meint, dass das Problem nicht militärisch, sondern vor allem auf politischem und wirtschaftlichem Wege zu lösen ist. Ein informatives, spannend geschriebenes Buch.