Niederlande liefern zehn Somalier aus, die einen deutschen Frachter gekapert hatten
Wochenlang hatten Rechtsanwälte sie hinauszögern können, jetzt ist die Entscheidung gefallen: In den nächsten zehn Tagen müssen die zehn mutmaßlichen Seeräuber, die das deutsche Containerfrachtschiff "Taipan" angegriffen haben sollen, an die Hamburger Staatsanwaltschaft überstellt werden.
Die Vorsitzende Richterin der zuständigen Auslieferungskammer in Amsterdam, Ans Davids, wies alle Beschwerden der Somalier gegen die Auslieferung nach Deutschland als unbegründet zurück. Damit werden sich erstmals seit rund 400 Jahren wieder Piraten vor einem Hamburger Gericht verantworten müssen.
Die Pflichtverteidiger hatten unter anderem damit argumentiert, die "Taipan" sei unter der Flagge der Bahamas oder Liberias gefahren und die deutsche Justiz somit gar nicht zuständig. Dies ließ Ans Davids nicht gelten: Deutschland habe "völlig glaubwürdig" erklärt, dass das Schiff unter der Flagge der Bundesrepublik gefahren sei. Die Amsterdamer Entscheidung gilt auch für den Minderjährigen Abdelkader Ahmed Warsami. Er hatte sein Alter mit 13 Jahren angegeben. Gutachter erklärten jedoch, er sei mindestens 15, eher 16 Jahre alt. Warsami war als Einziger nicht zur Urteilsverkündung gekommen. Schon bei der öffentlichen Anhörung des Falls am 21. Mai war er in Tränen ausgebrochen: "Ich denke immer an meine Familie, an meine Mutter", sagte er. "Ich will nach Hause, ich will meine Freiheit."
Die Hamburger Staatsanwaltschaft legt den zehn Somaliern einen Angriff auf den Seeverkehr und versuchten erpresserischen Menschenraub zur Last. Ihnen drohen damit Höchststrafen von bis zu 15 Jahren. Verhandelt wird voraussichtlich vor der für Verkehrsstrafsachen zuständigen Großen Strafkammer drei des Hamburger Landgerichts unter Vorsitz von Richter Dr. Bernd Steinmetz.
Die mutmaßlichen Piraten waren am Ostermontag von einem niederländischen Marinekommando festgenommen worden, nachdem sie 800 Kilometer vor der Küste Somalias das Containerschiff "Taipan" der Hamburger Reederei Komrowski gekapert hatten. Die 15 Männer an Bord - zwei Deutsche, ein Russe, vier Ukrainer und acht Sri Lanker - hatten noch einen Notruf absetzen können, bevor sie sich in einen Sicherheitsraum des Schiffes flüchteten. Nach vier Stunden ging die Geiselnahme unblutig zu Ende, niederländische Spezialkommandos überwältigten die Piraten.
Die nach dem Angriff sichergestellten Waffen - fünf Kalaschnikows, zwei Raketenwerfer, Messer - liegen der Strafverfolgungsbehörde in Hamburg als Beweisstücke bereits vor, sagte Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Sobald die Piraten in Hamburg eingetroffen sind, werde ihnen der Haftbefehl verkündet. Sie würden dann in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis inhaftiert.
Die Staatsanwaltschaft ist zuversichtlich, dass die Anklage noch im Sommer steht. "Die Beweislage ist sehr gut", sagte Möllers. Zuletzt hatte die Behörde im März 2009 einen Haftbefehl gegen neun Piraten beantragt, die die "MV Courier" angegriffen hatten. Da sie die Attacke vor der Küste Somalias jedoch im Schutzgebiet der EU-Anti-Piraterie-Mission "Atalanta" gestartet hatten, wurden sie vereinbarungsgemäß nach Kenia ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt. Ein entsprechendes Abkommen mit dem ostafrikanischen Land ist jedoch im März ausgelaufen.