Hamburg. „Belehrend“, „bürgerfern“, „unwählbar“: Politik trägt Amtsleiterin Baustellenstreit nach. Warum es für Stefanie von Berg eng wird.
Vor einigen Monaten sah die politische Welt im Bezirk Altona anders aus. Dann kam der Streit um eine 700 Meter lange Baustelle. Der Umbau der Reventlowstraße in Othmarschen zu einer Veloroute, der jetzt am 8. April trotz Protesten begann, hat das Verhältnis zwischen Teilen der Bezirkspolitik und der Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) erschüttert. Mit Folgen für ihre Wiederwahl.
Mehrere Fraktionen distanzieren sich von ihr, wollen nun eigene Kandidaten aufstellen und Alternativen prüfen. Die Option, dass man ihre Stelle nicht ausschreibt und sich eine Mehrheit auf eine zweite Amtszeit mit ihr verständigt, ist hinfällig geworden. Und was will die Rathauschefin selbst?
Bezirk Altona: Grüne Rathauschefin in der Kritik – das sagt sie zu zweiter Amtszeit
„Ich würde mich über eine zweite Amtszeit freuen“, sagt Stefanie von Berg. „Mir ist dieser Bezirk sehr ans Herz gewachsen, er ist etwas ganz Besonderes, und es gibt einige wichtige Projekte, die ich gern weiter begleiten und zum Abschluss bringen möchte, wie freiRaum Ottensen oder die Entwicklung an der Großen Elbstraße.“
Im Dezember 2019 trat Stefanie von Berg das Amt als erste Grünen-Bezirksamtsleiterin von Altona an. Möglich machten das die vorherigen Bezirkswahlen, aus denen die Grünen mit 35,1 Prozent als stärkste Fraktion hervorgingen, ihr bislang bestes Ergebnis in Altona. Für ihre Wahl, für die es in der Bezirksversammlung eine politische Mehrheit braucht, wurde von Berg dann zudem von der SPD und der CDU unterstützt. Doch damit ist Schluss.
SPD Altona: Baustellenstreit hat „Vertrauen in die Bezirkspolitik erschüttert“
„Wir haben als SPD den Anspruch, eine eigene Kandidatin zu präsentieren“, erklärt Sören Platten als Kreisvorsitzender der SPD Altona auf Abendblatt-Anfrage. Man werde sich für eine Ausschreibung der Stelle in diesem Jahr aussprechen. Zudem will die SPD an alte Zeiten anknüpfen und nach den Bezirkswahlen am 9. Juni 2024 wieder stärkste Fraktion in Altona sein. Damit hätten die Sozialdemokraten auch das Vorschlagsrecht für den Posten der Rathauschefin zurück.
Der Streit um den von einer politischen Mehrheit außer den Grünen geforderten Baustopp in der Reventlowstraße habe wie im Brennglas gezeigt, welche Probleme es allgemein gebe, sagt Platten. „Die ganze Episode um die Reventlowstraße hat das Vertrauen in die Bezirkspolitik erschüttert. Es zeigt, wie sich Stefanie von Berg die Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung vorstellt, und diese Vorstellung ist sehr problematisch“, kritisiert der neue starke Mann der SPD in Altona.
CDU Altona will für den Posten der Rathauschefin Alternativen haben
Die Reventlowstraße sei aber nur eines von vielen Beispielen. „FreiRaum Ottensen“ oder die Science City nennt Platten als weitere Punkte, bei denen es an Bürgerbeteiligung und politischer Mitnahme gefehlt habe. Zudem sieht er im Rathaus selbst Baustellen. Es gebe Personalprobleme, die sich zum Beispiel auf die Wohngeldstelle oder das Standesamt auswirken würden und „bürgerfern“ wären. „Das muss grundlegend anders werden, und wir würden es anders machen“, so Platten.
Für die CDU ist der Fall Reventlowstraße zum Wendepunkt geworden, wie Fraktionschef Sven Hielscher im Abendblatt-Gespräch erklärt. Vorher wollten die Christdemokraten eigentlich unterstützen, dass man die Stelle der Bezirksamtsleiterin gar nicht ausschreibt. „Das ist heute ausgeschlossen“, sagt Hielscher. Nun wolle man Alternativen haben und prüfen können. Ob man eine Wiederwahl von Stefanie von Berg damit ausschließe? „Das kann ich heute noch nicht sagen“, so der Fraktionschef der CDU, die in Altona mit den Grünen erfahrungsgemäß sehr oft und sehr gut zusammenarbeiten.
Linke und FDP üben scharfe Kritik an Fähigkeiten von Stefanie von Berg
Die Linken hatten Stefanie von Berg schon beim ersten Mal nicht unterstützt und sind keine Fans von ihr geworden. Fraktionschef Karsten Strasser sagt mit Blick auf die anstehenden Wahlen: „Man muss abwarten, wie sich die Mehrheitsverhältnisse in Altona danach darstellen. Es gab in anderen Bezirken schon Fälle, in denen Amtsleiter danach abgewählt wurden.“ Doch das Feld überlasse er den größeren Fraktionen, Die Linke habe sich mit dem Thema bisher nicht befasst.
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Er persönlich sei der Auffassung, dass es der Bezirksamtsleiterin an demokratischem Einfühlungsvermögen mangle. „Sie spricht nicht für den gesamten Bezirk, sondern für einzelne Gruppen, und lässt es an Diplomatie fehlen“, kritisiert Strasser, der an der Amtschefin eine Integrationsfigur vermisst und sie als belehrend wahrnimmt.
Stefanie von Berg zur gegen sie erhobenen Kritik: „Das trifft mich“
Die FDP geht in ihrer Kritik noch weiter. „Für uns ist Stefanie von Berg unwählbar“, sagt die Fraktionsvorsitzende Katarina Blume. „Wer es schafft, in so einer kurzen Zeit so viele Menschen in den Elbvororten gegen sich und die Politik aufzubringen, ist in dieser Position nicht tragbar.“ Man habe schon bei ihrer Vorstellung 2019 Bedenken gehabt, und „alle Zweifel haben sich bestätigt“, so Blume, die Bürgernähe und Vermittlungsgeschick vermisst.
Spurlos geht die Kritik an ihrer Person nicht an ihr vorbei. „Das trifft mich“, sagt die einstige Oberstudiendirektorin und ehemalige Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete. Sie sehe sich sehr wohl als integrative Figur nach innen wie außen. „Ich versuche für jeden da zu sein und ansprechbar zu sein“, betont von Berg, die im August ihren 60. Geburtstag feiert. Sie spreche häufig mit den Fraktionsspitzen, um gemeinsam über wichtige Bezirksthemen zu informieren und zu beraten.
Bezirk Altona: Grüne Bezirkschefin hat „keine Angst“ vor Stellenausschreibung
„Meine Auffassung von diesem Amt ist es, dass Verwaltung verlässlich sein muss. Ich bewege mich dabei entlang der Richtlinien, die mir als Bezirksamtsleiterin vorgegeben sind. Eine, der wichtigsten ist es, das Geld zusammenzuhalten. Das habe ich im Fall der Reventlowstraße auch getan.“
Mit Blick auf die nun zu erwartende Ausschreibung der Stelle gibt sich von Berg kämpferisch. „Ich habe mich schon für meine erste Amtszeit auf eine Ausschreibung beworben. Daran ist nichts Schlimmes, und davor habe ich auch keine Angst. Ich stelle mich gern solch einem Auswahlverfahren, ich kenne das als Beamtin gar nicht anders.“