Lippstadt. Der Autozulieferer Hella meldet ein Rekordergebnis. Lässt der Klang der Marke auf dem deutschen Markt dennoch nach? Hella sucht viele Ingenieure.
Die Produkte des Licht- und Elektronikspezialisten Hella setzen in der Automobilbranche Maßstäbe. In der vergangenen Woche meldete das Unternehmen den Anlauf der Serienproduktion für den vermutlich derzeit besten Autoscheinwerfer der Welt, der erstmals im Porsche Cayenne zum Einsatz kommt. 32.000 LED-Pixel pro Scheinwerfer garantieren eine extrem gute Ausleuchtung der Fahrbahn. Dafür sorgen zwei hochauflösende Mini-LED-Chips, nicht einmal Fingernagel groß. Die Minicomputer nehmen kaum Platz weg und ermöglichen entsprechende gestalterische Freiheit. Entwickelt und in Serien gebaut werden diese SSL/HD-Matrix-Scheinwerfer für den Luxussportwagenhersteller aus Zuffenhausen exklusiv im Stammwerk in Lippstadt – noch.
Siebtgrößter Zulieferer der Welt
Bei Hella reihen sich Erfolgsmeldungen wie diese seit Jahren wie an einer Perlenschnur aneinander. Das Unternehmen behauptet seine Technologieführerschaft bei Front- und Heckleuchten am Auto, bei Batteriemanagementsystemen für Elektroautos und Radarkomponenten für Fahrerassistenzsysteme, die Pkw sicherer machen und irgendwann vielleicht autonom fahrbar werden lassen.
Um an der Spitze der Branche zu bleiben, wurde und wird kontinuierlich erheblich in Forschung- und Entwicklung (F+E) investiert. Allerdings wird die Zukunft längst nicht mehr allein in Lippstadt oder im Elektronikwerk in Hamm gestaltet. Die F+E-Abteilungen sind mittlerweile rund um den Globus angesiedelt. In China ebenso wie in Amerika und in Osteuropa. Etwa in der Slowakei, wo im Hellawerk ab 2026 der in Lippstadt erfundene und noch der Luxusklasse vorbehaltene SSL-HD-Matrixscheinwerfer vom Band laufen soll.
Bei Hella wurde in der jüngeren Vergangenheit vieles richtig gemacht. Konsequent wurde das Angebot darauf ausgerichtet, Technologie- und möglichst Marktführer bei den entwickelten Produkten zu sein. Von Segmenten, in denen dies absehbar nicht gelingen konnte, trennte man sich. Der Lohn dafür: stetiges Wachstum, deutlich besser als die durchschnittliche Entwicklung in der Branche.
Seit 2022 gehört das ehemalige Familienunternehmen mehrheitlich dem französischen Zulieferer Faurecia. Gemeinsam bildet man unter der Dachmarke Forvia seitdem den siebtgrößten Zulieferer der Welt. Was sehr bedeutend klingt, sorgt im Heimatmarkt offenbar nicht uneingeschränkt für mehr Strahlkraft.
„Wir haben aktuell in Deutschland 250 offene Stellen für Ingenieure“, sagt Hella-Finanzchef Bernard Schäferbarthold. Kluge Köpfe, die am Stammsitz in Lippstadt Spitzentechnologien wie den Porsche-Scheinwerfer entwickeln können, sind begehrt. Im Ausland, ob in China, Mexiko, der Slowakei oder Rumänien hat Hella/Forvia offenbar keine Probleme, diesen Ingenieurnachwuchs anzulocken, wie die jüngsten Zahlen belegen. Im ersten Halbjahr 2023 ist die Belegschaft weltweit um mehr als 1500 auf 37.628 gestiegen. Im Bereich Forschung und Entwicklung wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 843 neue Mitarbeiter eingestellt. Mehr als 8600 arbeiten damit weltweit im Bereich Forschung und Entwicklung für den Licht- und Elektronikspezialisten.
An allen Standorten auf allen Kontinenten wuchs die Belegschaft, nur am Standort Deutschland nicht. Das liege vor allem an den eingeleiteten Veränderungen zur automatisierten Produktion in den deutschen Werken, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Zahl der Mitarbeiter am Standort Lippstadt ist leicht rückläufig um etwa drei Prozent. Die Zahl der Ingenieure ist unverändert“, sagt Schäferbarthold. Nachwuchs im Forschungs- und Entwicklungsbereich anzulocken ist für Hella vor der eigenen Haustür womöglich teurer als im Rest der Welt, offenbar jedenfalls schwieriger als im Ausland.
Es könnte mit dem Wechsel unter das Dach des französischen Konzerns zu tun haben, auch wenn die Marke Hella erhalten bleiben soll, wie die Franzosen beteuern. Der neue Hella-Vorstandsvorsitzende Michel Favre, vorher Finanzchef bei Faurecia, scheint mit der Entwicklung bei Hella hoch zufrieden zu sein. Jedenfalls erklärte Favre dies am Montagmorgen bei der Bekanntgabe der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2023.
Acht-Milliarden-Marke realistisch
Hella ist demnach in den ersten sechs Monaten des Jahres beim Umsatz um 17,6 Prozent auf rund vier Milliarden Euro und damit deutlich schneller als der Automobilmarkt (rund elf Prozent plus) weltweit gewachsen. Das Besondere ist, dass die Lippstädter bei ihren Kunden eine so hohe Bedeutung haben, dass Hella seine Preise durchsetzen kann. Keine Selbstverständlichkeit für Autozulieferer. Mit dem Umsatz wuchs schließlich auch der Gewinn. Die Gewinnsteigerung vor Steuern lag im ersten Halbjahr bei mehr als 76 Prozent beziehungsweise 245 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum: 139 Mio. Euro). „Die Zahlen für das erste Halbjahr sind wirklich sehr gut. Es war ein guter Start ins Jahr. Wir haben einen Rekordumsatz erzielt. Wir wollen diesen Weg mit dem Hella-Team kontinuierlich fortsetzen“, sagte Favre. Der Franzose bekräftigte die Aussicht auf 8 bis 8,5 Milliarden Euro Umsatz am Ende des Geschäftsjahres 2023 und eine Gewinnmarge von fünf bis sieben Prozent.