Bad Berleburg. . Zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung hat das Amtsgericht Bad Berleburg am Dienstag einen 39-Jährigen Mann verurteilt. Der Mann hatte sich nach der Trennung von seiner Freundin betrunken und war mit 2,5 Promille zum Dienst in der Berleburger Notunterkunft erschienen. Dort eskalierte ein Streit mit einem Bewohner und der Angeklagte schlug zu.
Verhandlungssaal 1 im Amtsgericht Bad Berleburg. Mit seinem Verteidiger Oliver Lenort nimmt der 39 Jahre alte Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes auf der Anklagebank Platz. Der in Siegen lebende Russe hält einen blauen Aktendeckel vor sein, durch den schwarzen Rollkragen verdecktes Gesicht. Filmkameras beginnen zu surren, Fotoapparate klicken im Blitzlichtgewitter.
Ohne die jüngsten, schlimmen Übergriffe in Asylbewerberheimen hätten Strafrichter Torsten Hoffmann und Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel wohl mit dem Angeklagten allein im Saal gesessen. Doch die Pressestelle des Landgerichts Siegen hatte im Vorfeld diese Hauptverhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung in der Flüchtlingsnotaufnahme Bad Berleburg explizit angekündigt. So saßen am Dienstag mehr als ein Dutzend Journalisten im Zuhörerbereich.
Keine Demütigung – kein Rassismus
Vielleicht diesem Umstand geschuldet nahm sich Richter Hoffmann viel Zeit für die Beweisaufnahme, und er erkannte bei seinem Urteil wegen einfacher Körperverletzung eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten.
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Keine Rede von Demütigung, keine rassistischen Hintergründe. Vielmehr ist ein Streit zwischen zwei Männern eskaliert, wie er in jeder Dorfkneipe passieren könnte. Aber der beschuldigte Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hatte seine besondere Verantwortung wohl vergessen – mit rund 2,5 Promille Alkohol im Blut.
Es ist zwei Tage vor Silvester im vergangenen Jahr. Ein Montag. Am Abend davor hat die Freundin mit dem Wachmann Schluss gemacht, will ihn verlassen. Er greift zur Flasche Wodka und leert nicht nur die, sondern auch noch eine ganze Kiste Bockbier – bis morgens um halb drei. Er schläft zwei Stunden und fährt dann in einem Zustand, in dem „viele andere überhaupt nicht mehr stehen können“, wie Oberamtsanwältin Hippenstiel es einschätzt, mit dem Zug zu seinem Arbeitsplatz in Wittgenstein.
Schlagstock-Einsatz kann nicht nachgewiesen werden
Der Dienst ist erst wenige Minuten alt, als dem Angeklagten nach dessen Angaben eine minderjährige Heimbewohnerin berichtet, dass ein Araber ihr erneut „an den Hintern gegrapscht“ habe. Von solchen Vorwürfen hatte der Wachmann schon vorher erfahren, wollte diesen Mann jetzt offenbar zur Rede stellen. Doch er hätte wissen müssen, wie das mit solch einer Menge Alkohol ausgeht, warfen ihm Richter und Staatsanwaltschaft vor - nämlich in einem handfesten Streit.
Zwar beherrscht der Security-Mann die arabische Sprache, doch unterschiedliche Dialekte ließen an diesem frühen Morgen kein vernünftiges Gespräch zu. Der verbalen folgte die körperliche Auseinandersetzung – mit blutigen Folgen. Vor Gericht konnte dem Beschuldigten der Einsatz seines Schlagstockes jedoch nicht nachgewiesen werden.
Er selbst will zweimal mit der Faust zugeschlagen haben. Das Opfer blieb mit einer Platzwunde am Kopf, Gehirnerschütterung und Prellungen am Arm drei Tage stationär im Krankenhaus. Zur Hauptverhandlung konnte der 26-Jährige nicht geladen werden; er hat sich im Sommer aus einer Asylbewerberunterkunft in Köln abgesetzt, gilt als „unbekannt verzogen“.
In Widersprüche verstrickt
Eine jetzt in Werne lebende Asylbewerberin verstrickte sich im Zeugenstand in Widersprüche. Mal wollte sie den Schlagstock im Einsatz gesehen haben, dann war sie unsicher – für das Gericht und die Anklage unbrauchbar. Dafür konnte die Beweisaufnahme gestern auf Fotos und eine Videosequenz zurückgreifen - kurz nach der Tat mit einem Handy aufgenommen von einer anderen Heimbewohnerin. Aber auch sie erinnerte sich nur noch an Blutflecken im Flur und an den verletzten Araber.
Für Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel war der Vorwurf der einfachen Körperverletzung bewiesen. Sie forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 50 Euro. Ein klarer Fall von Notwehr, wertete Verteidiger Lenort und plädierte auf Freispruch.
Schutzbehauptung des Angeklagten
„Notwehr war nur eine Schutzbehauptung des Angeklagten“, begründete Richter Hoffmann seinen Urteilsspruch über 90 Tagessätze für den reuigen Wachmann, der aber aufgrund seiner Ausbildung und der besonderen Verantwortung in der Unterkunft andere Möglichkeiten der Deeskalation hätte in Anspruch nehmen müssen.