Bad Berleburg. . 24-Stunden-Schichten, Kommunikationsprobleme und Unruhestifter: Ein Wachmann aus Bad Berleburg spricht über seine Arbeit in einer Flüchtlingsunterkunft. Den Spaß an seinem Job hat er verloren. Er kritisiert, dass er und seine Kollegen als Täter dargestellt werden - obwohl sie eigentlich Opfer seien.
Was ist hinter den Mauern der Flüchtlingsunterkunft in Bad Berleburg passiert? Gegen zwei 30 und 37 Jahre alte Sicherheitsleute wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt; sie sollen einen Flüchtling misshandelt haben. Nun erklärt ein Wachmann das System, in dem er arbeiten muss. Peter W. (Name geändert) aus Bad Berleburg über Schichten bis zu 24 Stunden, Kommunikationsprobleme mit der Heimleitung und junge Bewohner, die in letzter Zeit verstärkt für Unruhe in der Einrichtung sorgen.
Im Herbst 2013 wurde die Notunterkunft in der ehemaligen Rothaarklinik eröffnet. Was hat sich da inzwischen verändert?
Peter W.: Anfangs waren wir als Sicherheitsdienst noch total gelassen. Die Bewohner spielten Karten in der Eingangshalle, das lief alles ganz locker, wir haben Kicker und Tischtennis gespielt. Offiziell ist ja von 22 bis 6 Uhr Nachtruhe, die Türen bleiben aber auch danach noch offen. Das waren am Anfang auch eher friedliche Familien, die waren dankbar. Manche Bewohner sind allerdings auf Krawall gebürstet. Das sind meist Einzelpersonen so Anfang oder Mitte 20. Die machen viel Lärm, und andere Bewohner beklagen sich. Oder sie lösen mutwillig Feueralarm aus. Das hat zugenommen.
Wie gehen Sicherheitsleute und Bewohner miteinander um?
Wenn ein Bewohner unseren Aufforderungen nicht nachkommt, fängt man erst einmal mit beruhigenden Worten an. Da verständigt man sich dann mit Händen und Füßen. Bei Rangeleien ist es vorgekommen, dass sich Kollegen verletzt haben. Einer wurde gebissen. Was ich in Medien über die Sicherheitsdienste oft sehe: dass aus den Opfern Täter gemacht werden. Sicher: Da gibt’s auch manche Kollegen, die sich falsch verhalten – nach dem Motto „Erst zuschlagen, dann nachfragen“. Sie haben es einfach nicht richtig gelernt.
Wie läuft so eine Schicht?
In den Schichten sind wir immer mit zwei Mann unterwegs, oft auch zu dritt. Aber mindestens sieben in der Nacht wären vernünftig. Wenn jemand aggressiv wird, ziehen wir noch Kollegen und die Polizei hinzu. Die Tag-Schicht geht von 7 bis 19 Uhr, die Nacht-Schicht von 19 bis 7 Uhr. Es ist aber vorgekommen, dass Kollegen 18 oder 24 Stunden Dienst gemacht haben, dass ein Kollege um 4 Uhr früh abgezogen und in einer anderen Einrichtung eingesetzt wurde.
Reibereien unter den Bewohnern – wie entsteht so etwas?
Die Bewohner sind sich oft nicht grün. Der Sicherheitsdienst hat sich einmal um einen blutenden Mann gekümmert, der von einem Mitbewohner mit der scharfen Kante einer Fischdose geschnitten worden war. Da liegen dann Leute unterschiedlicher Nationen auf einem Zimmer – das geht vielleicht nicht lange gut. Manchmal hocken sechs, acht Leute auf einem Zimmer, teilen sich eine Dusche. Oder: Ein älterer Mann unter den Flüchtlingen konnte gut Deutsch und noch andere Sprachen sprechen. Er bot sich als Dolmetscher an. Aber andere sehen ihn als Verräter.
Finden Sie, dass der Sicherheitsdienst in die Organisation der Notunterkunft gut eingebunden ist?
Ich habe den Eindruck, dass ein Hinweis des Sicherheitsdienstes bei den Betreibern oft auf taube Ohren stößt. Die Heimleitung ist oft erst ab 8 oder 9 Uhr da. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass sich alle mal zusammengesetzt hätten. Und ab 22 Uhr sind wir allein im Haus. Eines Abends kam plötzlich ein Bus mit 30 Leuten aus Bielefeld. Wir haben dann Notbetten geholt. Die Polizei kommt öfters mal vorbei, um nach dem Rechten zu sehen – jetzt aber nicht mehr so oft.
Alkohol, Diebstahl, Drogen – Gerüchte, dass sie in der Unterkunft eine zu große Rolle spielen, halten sich. Wie erleben Sie das?
Beim Rundgang stoßen wir gelegentlich auf Unbefugte. Wir haben auch Methadon-Abhängige, die das Zeug von draußen gerne nehmen – und ihr Methadon bleibt liegen. Alkohol ist aber das größere Problem. Die Bewohner bekommen drei Euro Taschengeld pro Tag. Schlimm finde ich aber, wenn ich merke, dass sie es draußen für Alkohol ausgeben. Dass Bewohner beim Klauen erwischt werden, kommt vor – aber auf keinen Fall jeden Tag. Der Sicherheitsdienst kontrolliert am Eingang die Taschen der Bewohner – weil Alkohol drinnen tabu ist. Dabei entdecken wir auch Sachen, die gestohlen sein könnten. Im Zweifel lassen wir uns den Kassenbon zeigen.
Macht Ihnen die Arbeit noch Spaß?
Nicht mehr. Unsere Truppe wurde auseinandergerissen. Stattdessen kommen jetzt Lückenfüller. Aber wenn das auf lange Sicht weitergeht, kann das nicht funktionieren.