Burbach. . Flüchtlinge kann man nicht sortieren. Jeder hat in Deutschland das Recht, seine Geschichte zu erzählen; warum er seine Heimat verlassen hat und in Deutschland um Asyl bittet. Wie funktioniert das Asylverfahren genau, wo kommen die Flüchtlinge her und warum kommen sie in Notunterkünfte wie Burbach?
Ein serbischer Roma wird genauso geprüft wie ein vor dem vor dem IS-Terror Fliehender. Flüchtlinge, Menschen, kann man nicht sortieren. Deutschland ist ein Rechtsstaat; jeder hat das Recht, seine Geschichte zu erzählen; warum er seine Heimat verlassen hat, in Deutschland um Asyl bittet.
Auch wer keine guten Chancen hat, durchläuft das Prozedere. Aber wie funktioniert das Asylverfahren eigentlich genau, wo kommen die Flüchtlinge her und warum kommen sie in Notunterkünfte wie Burbach?
Die Herkunft
Über den Seeweg: Viele Flüchtlinge aus dem arabischen Raum und Afrika kommen über das Mittelmeer. „Ein hohes Wagnis“, sagt Ulrich Schulte von der Nationalen Hilfsgesellschaft des DRK Westfalen-Lippe. Die meisten hätten keine andere Möglichkeit, als ihr Schicksal Schleusern anzuvertrauen – und dafür tausende Euro zu zahlen. Die Menschen betreten meist in Italien, Griechenland oder Malta erstmals europäischen Boden.
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Über den Landweg: Wer nicht über das Mittelmeer kommt oder fliegt, reist über die Türkei nach Europa. „Viele Flüchtlinge erzählen, dass sie ihre Angehörigen aus der Türkei nachholen wollen, die dort festsitzen“, so Schulte. Die Weiterreise hängt von finanziellen Mitteln oder Planung der Schleuser ab: Mit dem Auto, in Containern, auf Lastwagen, in Kofferräumen. „Manche setzen sich in den Zug und fahren bis Köln oder Heidelberg“, sagt Schulte.
Das Asylrecht: Das Land, wo ein Flüchtling das erste Mal EU-Boden betritt, ist für ihn zuständig. Deswegen haben die meisten Angst, ihren Fluchtweg zu benennen – denn sie würden zurückgeschickt, wenn sie zugeben, in Italien in den Zug gestiegen zu sein. Eine Rolle spielt außerdem die Angst vor den Schleusern, die möglicherweise dafür bezahlt wurden, weitere Familienmitglieder zum Zielort zu schaffen.
Das Asylverfahren
„Viele wissen genau, wo sie sich melden müssen und gehen gleich zur Polizei“, sagt Schulte. Andere greift die Polizei unterwegs auf, leitet routinemäßig ein Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise ein und verweist nach den polizeilichen Maßnahmen an die zuständige Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende.
Das Ideal der Fallbearbeitung
Ein Flüchtling taucht bei den Behörden auf und beantragt Asyl. Zur Registrierung, Herkunftsermittlung, medizinischen Überprüfung, Aktenanlage und erkennungsdienstlicher Erfassung wird er an eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) – in NRW in Dortmund und Bielefeld – verwiesen. Erste Verfahrensschritte leitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein.
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Nach einer Woche geht es in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) wie Hemer oder Schöppingen. Dort bleibt er drei Monate, um sich von den Strapazen der Flucht zu erholen, zur Ruhe zu kommen, sich mit dem fremden Land vertraut zu machen. Nach dieser Zeit wird er an eine Kommune weiterverwiesen, in der er für die Zeit seines Asylverfahrens bleibt. So weit die Theorie.
Die Realität der Fallbearbeitung
„Es funktioniert nicht“, sagt Ulrich Schulte, „die Flüchtlingszahlen steigen, die Einrichtungen sind zu voll.“ Drei Monate Verweildauer sind utopisch. „Jeden Tag stehen zwischen 80 und 400 Menschen vor der EAE Dortmund“, sagt Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Um der Flüchtlingsmassen Herr zu werden, werden die Flüchtlinge je nach Kapazität hin- und hergeschoben.
Ein Nutzungskonzept ist in Arbeit. Von der Erstaufnahme zur zentralen Unterbringung, in eine Notunterkunft oder direkt zur Kommune – je nach dem, wo Platz ist. „So, wie sie kommen, werden die Menschen registriert“, so Christoph Söbbeler. Und untergebracht. 22 Unterkünfte unterhält das Land derzeit, Tendenz steigend. „Immerhin vermeiden wir Obdachlosigkeit“, sagt Regierungsvizepräsident Volker Milk.
Die Identität der Menschen
Nicht jeder Flüchtling hat Ausweispapiere. Die Behörden recherchieren nach, kontaktieren Konsulate. Laut Ulrich Schulte werde der Eigenaussage Glauben geschenkt, wenn sich die Identität nicht bestätigen lasse. Dabei passiere es durchaus, dass bereits Abgeschobene unter anderer Identität später wiederkommen.
Die Problemfälle
Ja, oft sind es alleinreisende junge Männer aus Nordafrika, die unangenehm auffallen. „Aber man kann nicht alle über einen Kamm scheren“, betont Ulrich Schulte. „Die meisten wollen in Frieden leben und leiden darunter, in einen Topf mit Unruhestiftern geworfen zu werden.“ Denn Flüchtlinge kommen von überall her, sie sind keine homogene Masse. Welche Gesellschaft ist das schon. Akademiker, Arbeiter, Traumatisierte, psychisch Kranke – und eben auch Kriminelle. „Die gibt es in Deutschland auch“, sagt Schulte. Was jemandem auf seiner Reise widerfahren ist, kann man nicht an einer Nationalität festmachen. „Manche wandern wochenlang durch die Sahara, andere haben ihre Angehörigen verloren, wurden beraubt, Frauen vergewaltigt“, sagt Schulte. Keine Seltenheiten.