Netphen/Emmerich/Siegen. Junge Mutter (23) ermordet: Immer wieder taucht eine Siegerländer Anwaltskanzlei im Mordprozess auf. Ungewöhnlich, findet auch das Landgericht Siegen.
Immer wieder taucht im Mordprozess der Name einer Siegerländer Anwaltskanzlei auf. Eine Vielzahl von Zeugen, die im Verfahren gegen den Mann aussagten, der im August 2023 seine Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder hinterrücks erstochen haben soll, wurden oder werden von ihr vertreten oder begleitet. Schon die Polizei hatte sich gewundert, dass immer wieder Mitarbeiter der Kanzlei in Erscheinung getreten waren; auch Verteidiger Andreas Trode forderte Klarheit. Die 1. Große Strafkammer am Siegener Landgericht hat nun den Anwalt, seinen Büroleiter und einen Auszubildenden als Zeugen gehört.
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Vertreter der Anwaltskanzlei waren unter anderem dabei, als die Mordkommission mit dem Hauptbelastungszeugen eine Tatortrekonstruktion auf dem Feldweg in Emmerich-Elten durchführte; der Auszubildende (verwandt mit dem Beschuldigten) entdeckte am Siegufer einen Teil des Handys des Opfers, das die Spurensicherung zuvor nicht gefunden hatte; mehrere Zeugen - wie der Angeklagte Syrer und mit diesem zumindest bekannt - wurden von der Kanzlei überhaupt erst zu den Behörden gebracht. „Das wundert uns“, sagt die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach, „da ist unglaublich viel bei Ihnen gelandet.“
Siegerländer Anwaltskanzlei: Viele der Zeugen bereits migrationsrechtlich vertreten
Er habe sehr viele dieser Personen migrationsrechtlich vertreten, erklärt der Rechtsanwalt, ein Schwerpunkt seiner Kanzlei - wenn nun eine solche Sache wie der Mordprozess für sie anstehe, „kommen sie erstmal zu mir.“ Wenn es aber ums Strafrecht gehe, schicke er sie wieder weg. Laut seiner Homepage ist der Jurist Fachanwalt für Strafrecht. So sei es aber zu erklären, dass er viele Informationen habe: Seine Mandanten - von denen einige auch im parallel laufenden Schleuserprozess involviert sind - würden in ihren Gesprächen vielfach drauflosreden. „Das ist dann sehr schwer zu trennen.“ Verteidiger Trode wunderte sich: Für genau solche Fälle habe er immer Zettel und Stift dabei. „Damit ich das sauber trennen kann.“ Er finde es höchst ungewöhnlich, dass „zig Zeugen Ihre Mandanten sind, Sie vertreten die ganze Bagage, die gegen meinen Mandanten aussagt.“ Und ebenso ungewöhnlich sei, dass der Azubi regelmäßig dem Prozess folge: „Meine Auszubildenden sollen nicht in irgendwelchen Verhandlungen rumhängen!“
Der junge Mann stehe in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zum Angeklagten, in der Familie gebe es ein allgemeines Informationsinteresse an dem Verfahren - und er spreche am besten Deutsch, entgegnet der Anwalt. Das bestätigt der Azubi später auch: Seine Verwandten, die Eltern des Angeklagten etwa, würden oft nachfragen, wüssten, dass er in einer Anwaltskanzlei arbeite. „Sie wollten verstehen, was Sache ist.“ Die Eltern hätten ihn zeitweise auch an der Kanzlei abgepasst und auszufragen versucht, was ihn durchaus ein wenig belastet habe, inzwischen habe sich das aber gegeben.
SMS der getöteten jungen Frau an ihre Schwester - was wusste der Kanzlei-Mitarbeiter?
Auch der Büroleiter erzählt von engen Kontakten zu den jungen Männern, die er über migrationsrechtliche Beratung oder privates Engagement in Flüchtlingsunterkünften kennengelernt habe, worüber über die Jahre Vertrauensverhältnisse entstanden seien. Da die Zeugen verwandt oder miteinander bekannt seien, hätten sie sich gegenseitig die Kanzlei empfohlen. „Die bestehen immer alle darauf, dass ich bei Vernehmungen dabei bin“, sagt er. Verteidiger Trode hält ihm vor, sich der Polizei als Vertrauensperson angedient zu haben: Er habe exklusive Informationen liefern können, wenn sein Name aus der Sache herausgehalten werde. Konkret gehe es um eine SMS der Getöteten an ihre Schwester in der Nacht vor der Tat, in der sie schrieb, dass sie ermordet werden solle. Er könne sich kaum an das Gespräch erinnern und auch nicht, von wem er diese Information erhalten habe, so der Zeuge. Womöglich über die Eltern des Azubis. „Sie wollen allen Ernstes erzählen, dass Sie sich nicht an ein solches Gespräch mit der Polizei während einer Tatortbegehung erinnern?“, fragt Trode, mit einem so wichtigen Inhalt, zumal der Zeuge zuvor sehr detailreich ausgesagt hatte? Das Gericht verzichtete darauf, den Mann zu vereidigen.
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Der Büroleiter und der Auszubildende schildern im Zeugenstand auch, wie sie nochmals am Fundort der mutmaßlichen Tatwaffe am Siegufer in Eiserfeld waren, nachdem der Hauptbelastungszeuge die Polizei zu dem dort vergrabenen Messer und Teilen des Handys der Toten geführt hatte. Sie hätten über den Fall geredet, der junge Mann habe sich dafür interessiert, er habe ihm angeboten, ihm den Ort zu zeigen, so der Büroleiter. Auf dem Weg vom Fuß- und Radweg zum Fluss habe der Auszubildende etwas auf dem Trampelpfad liegen sehen, aufgehoben und dem älteren Mann gegeben. „Er sagte mir ‚nicht anfassen‘, aber da hatte ich es schon in der Hand“. Auf Nachfrage bestätigt der junge Mann, dass dieses Teil des zersägten Handys mitten auf dem Weg gelegen habe, wo vorher auch die Ermittler mit dem Zeugen entlang gegangen waren.
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