Siegen. Wohl kein Einzelfall: Der Angeklagte drängte seine Ex-Freundin laut Zeugen mehrfach dazu, Autos zu mieten. Zigtausende Kilometer fuhr er damit.
Bevor er seine Ex-Freundin und Mutter seiner Kinder umgebracht haben soll, versuchte der Angeklagte offenbar gezielt, seine Spuren zu verwischen, falsche Fährten zu legen. Immer mehr deutet darauf hin, dass er die grausame Tat länger geplant hatte. Das legen weitere Zeugenaussagen im Mordprozess vor dem Landgericht Siegen nahe. Mehrfach hatte er demnach Autos gemietet – oder mieten lassen – und weite Fahrten unternommen, obwohl er keinen Führerschein mehr hatte. Auch das Fahrzeug, mit dem die junge Frau (✝23) zu ihrer Ermordung an der deutsch-niederländischen Grenze in Emmerich-Elten gefahren wurde, während ihre kleinen Kinder auf der Rückbank saßen.
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Das „Tatfahrzeug“, in Siegen geliehen: Weit mehr als tausend Kilometer - mehr als bis zum Fundort
In einer Siegener Autovermietung sei der Angeklagte in den Wochen vor der Tat mehrmals aufgetaucht, erzählt ein Mitarbeiter am Donnerstag, 4. April, im Zeugenstand. Die Verträge unterzeichnet hätten entweder das spätere Opfer oder andere Männer; immer sei er in Begleitung mehrerer Personen gewesen. Auch am 11. August, ein Freitag, zwei Tage vor dem Mord. Da habe die Frau den 5er BMW gemietet. Als der Angeklagte bezahlen wollte, sei die EC-Karte nicht gedeckt gewesen. Ein Mitarbeiter sei mit ihm zur Bank gefahren, währenddessen habe der Angeklagte telefoniert, dabei sei ein Satz gefallen: „Gib mir die Adresse, sonst passiert was“, sagt dieser Zeuge. Korrigiert sich dann: „...sonst habe ich heute Abend keine Frau“, habe der Beschuldigte gesagt. Der Vater der Getöteten hatte von einem Telefonat berichtet, wenige Tage vor der Tat: Der Angeklagte habe von ihm verlangt, den Aufenthaltsort der Tochter preiszugeben. Ob er Probleme mit der Freundin habe, habe der Zeuge gefragt. Antwort: Er habe zwei, mit einer habe er Kinder, die andere sei ein bisschen eifersüchtig.
In der Bank habe er, der Mietwagenfirma-Mitarbeiter, dann ein paar hundert Euro für den anderen Mann auf dessen Konto eingezahlt. Der habe nicht gewusst, wie das geht und sich seitlich vom Automaten positioniert – um der Kamera im Gerät zu entgehen? Die Videoüberwachung der Filiale erfasste jedenfalls beide Männer, schon beim Betreten.
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Am Montag darauf sei der Wagen fristgerecht und ziemlich früh morgen zurückgebracht worden, nach 1716 Kilometern Fahrt. Erheblich mehr als die Strecke Siegen-Elten und zurück. Zudem sei der BMW auffällig sauber gewesen. Das komme eher selten vor. Eine Flasche Glasreiniger habe im Inneren gelegen. Komisch vorgekommen sei ihm zudem, dass der Mann die Rückgabe auf Sonntag rückdatieren wollte. Ein Versuch, Spuren zu verwischen? Als dann wenig später die Polizei auftauchte und das Geschehen bekannt wurde, habe er sich zusammengereimt, was da wohl passiert war, so der Zeuge. Bei der Polizei habe er den Angeklagten anhand dessen auffälliger Narben im Gesichts identifiziert.
Der BMW wurde in der Tatnacht, vor der Fahrt an die Grenze, auch von der Videoüberwachung einer Siegener Tankstelle erfasst, berichtet ein Kriminalkommissar, zwischen 1 und 2 Uhr. Getötet wurde die junge Frau wenige Stunden später. Sie sei neben der 4-jährigen Tochter und dem Hauptbelastungszeugen auf dem Band erkennbar gewesen, außerdem ein weiterer Mann – aber nicht der Angeklagte.
Die Mietautos aus Siegen und Kreuztal: Immer wieder tausende Kilometer, immer gesäubert zurück
Auch in Kreuztal hatte der Mann offenbar mehrfach Autos gemietet, berichtet die Filialleiterin eines dortigen Verleihs. Zuerst im März, dann noch einmal zwei Wochen vor dem Mord. Zu dieser Zeit habe sich die Beziehung laut Zeugen immer mehr zugespitzt: Sie wollte sich endgültig trennen, weil er immer gewalttätiger, bedrohlicher werde.
Der Angeklagte sei mit der jungen Frau und einem anderen Mann in der Filiale aufgetaucht. Auch hier habe sie als Mieterin und Fahrerin unterschrieben, mehrere hundert Euro bar bezahlt. Sie stand etwas abseits der Männer, habe verängstigt gewirkt, erinnert sich die Zeugin - anders als ein paar Monate zuvor. „Alles in Ordnung?“, habe sie gefragt, worauf die junge Frau ausweichend reagiert habe. Der Angeklagte - nicht als Fahrer eingetragen, kein Führerschein - brachte den Wagen nach dem Wochenende zurück. Nach deutlich über 1000 Kilometern Fahrt und ungewöhnlich sauber. Nach einer Woche sei ein Blitzerfoto gekommen – er saß am Steuer. Sie habe die Mieterin angeschrieben, später noch eine Mahnung geschickt. Die kam zurück: „Empfänger verstorben“. „Es passte alles“, sagt die Frau, als das Verschwinden der 23-Jährigen bekannt wurde: das Alter, die Anschrift. Sie wandte sich an die Polizei.
Eine Woche vor dem Mord, ein weiterer Mietwagen aus Siegen, ein grauer Audi A4 Kombi. Ausgeliehen neun Tage, der Angeklagte war dabei, zurückgegeben am Morgen nach der Tat, einen Tag zu spät, fast 6000 Kilometer mehr auf dem Tacho. Auch der Mitarbeiter dieser Verleihfirma sagt: Auffällig sauber, von innen und außen. „Das haben wir eher selten. Das machen eigentlich wir.“
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Ein weiteres Auto hatte sich der Angeklagte offenbar von einem Bekannten geliehen, der ihn sich selbst von einem Dritten geliehen hatte. Die Polizei konnte den Wagen mit der Tat in Zusammenhang bringen und am Giersberg orten. Darin: ein Rucksack und ein Plastiksack, beide voller Kleidung, so ein Ermittler im Zeugenstand.
Die Anzeige: Während sie ihn bei Polizei in Siegen anzeigt, schreibt er ihr dauernd Nachrichten
Wenige Tage vor ihrem Tod erstattete die junge Frau Anzeige gegen ihren Ex-Freund. Während der Beamte mit ihr sprach, bekam sie immer wieder Nachrichten vom Angeklagten, „er hörte nicht auf“, sagt der Polizist als Zeuge. Das Ex-Paar konnte sich gegenseitig über die Handystandorte verfolgen: Während sie auf der Wache saß, fuhr eine Streife zu ihm. Er fuhr gerade Auto, ohne Führerschein, und gab Gas, als er die Polizei sah. Er wurde in Gewahrsam genommen, während die junge Frau dem Polizisten erzählte, dass sie sich von ihm lösen wolle, dass mit einer anderen Frau in ihre Wohnung gekommen sei, sie zu Sex gedrängt habe, bis sie schließlich, ihren Säugling im Arm, vor ihm geflohen sei. Er habe dann mit der anderen Frau geschlafen. Sie erzählte dem Beamten von Drohungen gegen sie und ihre Familie, dass er sie geschlagen und immer ein Messer dabeihabe, dass er ihr die Kinder wegnehmen und ausreisen wolle. „Sie war sehr taff“, so der Polizist. „Sie hatte weniger Angst um sich selber“, vielmehr um ihre Kinder.
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Als der Angeklagte dann auf der Wache war, habe er ihm eine „deutliche Gefährderansprache“ gehalten, sagt der Polizist. Zwei Mal. Was ihn nicht beeindruckt habe. „Er war nicht besonders einsichtig. Es war ihm egal.“