Wilnsdorf. Meilenstein auf „schönster Baustelle Deutschlands“: Die erste Hälfte der Talbrücke Landeskroner Weiher wurde 383 Meter weit übers Tal geschoben.
Eine gute Stunde für etwa zweieinhalb Meter. Für eine Brücke ist das ziemlich flott - immerhin werden hier 383 Meter und 18.000 Tonnen Stahlbeton durch die Gegend gewuchtet. Über ein Tal. Von zwei hydraulischen Geräten mit dem putzigen Namen „Hub-Schub-Reibeanlage“, die im Vergleich zu dem Koloss von Brückenbauwerk geradezu winzig wirken - sie würden zur Not auf manche Ladefläche passen. Aber mit ihrer gewaltigen Kraft stemmen sich die Anlagen synchron unter die A-45-Talbrücke, bis die um 10.20 Uhr da liegt, wo sie hinsoll: Auf ihren Pfeilern über dem Landeskroner Weiher. Fertig.
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Es gibt zwei besondere Momente bei diesem Brückenbau, den manche hier die schönste Baustelle Deutschlands nennen: Den Anfang und das Ende, ganz banal eigentlich. Als es losging am Landeskroner Weiher, im August 2023, wurde Gottesdienst gefeiert. Der stählerne Vorbauschnabel wurde gesegnet und trat seine neunmonatige Reise über das Wildenbachtal zwischen Wilnsdorf und Burbach an. Die vielen Arbeiter aus Ost- und Südosteuropa, die in Wohncontainern auf der Baustelle leben, getrennt von ihren Familien, freuten sich sehr. Jetzt, wo die riesige blaue Metallkonstruktion auf der anderen Seite angekommen ist, feiern sie wieder. „Das ist schon etwas Besonderes“, sagt Karsten Helmes, Bauüberwacher der Autobahn GmbH.
A-45-Talbrücke Landeskroner Weiher: Ein riesiges, langsames, stetiges Fließband
Der Moment des Andockens selbst ist fast unspektakulär; der „Meilenstein“, von dem die Autobahn GmbH spricht, wirkt erst so richtig beim Blick zurück durchs Tal, wo die Arbeiter hoch oben auf den Pfeilern aufpassen, dass sich der Betonkoloss beim Vorschieben nicht verschiebt. Auf dem südlichen Hang, hinter dem Widerlager (da, wo die Brücke auf dem Berg aufliegt) wurden in diesen Monaten 17 „Takte“ gefertigt; 37 Meter breite und etwa 20 Meter lange Brücken-Stücke. Direkt aus dieser „Feldfabrik“, dem sogenannten „Taktkeller“ wurden sie vorgeschoben, verbunden mit dem, was schon fertig übers Tal ragt, die nun ein Stück längere Brücke vorgeschoben. Ein riesiges, langsames, aber stetiges Fließband: Taktschiebeverfahren. Noch so ein Brückenbauerwort.
Im Grunde hoppelt die Brücke übers Tal. Die Hub-Schub-Reibeanlage kann 2200 Tonnen Gewicht heben und 1500 Tonnen schieben. Wenige Zentimeter hoch, dann ein Stückchen vor, wieder ablassen. Zurück auf Anfangsposition, heben, schieben, ablassen. Fast zu langsam für das menschliche Auge, aber der Spalt ganz vorne wird immer kleiner. Nur der Reibungswiderstand, das Eigengewicht und kleine Bremspyramiden verhindern, dass die Brücke zurückrutscht - es geht immerhin ein halbes Prozent bergauf, erklärt Roland Dostler, der Polier. Der Vorbauschnabel vorne dran sorgt zusammen mit den Pfeilern (und Stützpfeilern) dafür, dass der wachsende „Brücken-Wurm“ die Höhe hält. Auf den Pfeilern selbst wird nicht gehoben: Da glitscht die Brücke einfach drüber. „Einfach“. Dank eines speziellen Schmiermittels müht sich die Hub-Schub-Reibeanlage nicht vergeblich ab. Stählerne Führungen halten den leicht geschwungenen Kasten seitlich in Position.
Nach der Brücke ist vor der Brücke: Daneben an A 45 steht am Landeskroner Weiher 2. Bauwerk
25 Zentimeter Vorschub dauern etwa zwei Minuten, kurz vorm Andocken drosseln die Männer auf das Kommando ihrer Bauleiterin das Tempo. Der Koloss wird behutsam und Millimeter für Millimeter in die Lücke gezirkelt. Die Arbeiter schlagen Pressspanbretter in die Fugen, damit die Brücke auch ganz am Ende so präzise andockt, wie sie übers Tal geschoben wurde: Mit „Ungenauigkeiten“ im Millimeterbereich. Auf den ganzen 383 Metern weniger als ein Zentimeter.
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Nach der Brücke ist vor der Brücke. Jetzt werden die Hilfsstützen abgebrochen, Brücke und Pfeiler miteinander verbunden, Baugruben aufgefüllt, die 40 Meter breite Rinne des Taktkellers, und die Autobahn selbst obendrauf gebaut. Fahrbahn, Leitplanken, Übergänge. Stromversorgung, Entwässerung, Abdichten. Dann kann der Verkehr fließen. Und das war ja nur das eine von zwei Bauwerken, aus denen die Talbrücke Landeskroner Weiher besteht. Das andere steht noch direkt daneben. Wenn alles erledigt ist, Autos über die neue Brücke fahren können, wird die alte, Fahrtrichtung Frankfurt, gesprengt. Voraussichtlich Anfang/Mitte 2025, so genau lässt sich das nicht vorher sagen. Zu viel kann bei solchen Großprojekten dazwischenkommen. Bis 2027 könnte hier alles fertig sein. Könnte.
HINTERGRUND: Die Talbrücken im Siegerland entlang der A 45
Die meisten anderen Brücken zwischen der Kalteiche und dem Kreuz Olpe-Süd sind schon ein Stück weiter.
Talbrücke Rinsdorf: Die Montage der Stahlkonstruktion (Fahrtrichtung Frankfurt) wurde 2023 im Taktschiebeverfahren abgeschlossen. In diesem Jahr wird die Fahrbahnplatte betoniert: In 21 jeweils rund 25 Meter langen Betonierabschnitten wird auf die Stahlkonstruktion mithilfe eines Schalwagens die 37 Zentimeter dicke Platte gegossen. Dann werden Gussasphalt aufgetragen, Kappen, Geländer und Schutzplanken angebracht.
Talbrücke Eisern: Die Brückenhälfte Fahrtrichtung Dortmund steht, das Teilbauwerk Fahrtrichtung Frankfurt wurde im März 2023 gesprengt. Der Überbau des zweiten Teilbauwerks soll in diesem Jahr mithilfe eines Vorschubgerüstes fertiggestellt werden. Dann wird der Fahrbahnbelag aufgebracht.
Talbrücke Rälsbach: Die Brückenhälfte Fahrtrichtung Dortmund ist fertig, das Teilbauwerk Fahrtrichtung Frankfurt wird seit Mitte 2023 gebaut. Auch hier folgen Ausbauarbeiten (Abdichten, Entwässerung, Asphalt, Schutzplanken und Geländer), außerdem wird eine Lärmschutzwand gebaut.
An der Talbrücke Büschergrund steht der Naturschutz auf der Bremse - und die Siegtalbrücke, die „Krone der Königin der Autobahnen“: Die kommt ganz am Schluss. Wenn alle anderen Brücken wahrscheinlich schon fertig sind.