Neue A-45-Brücke: Wie ein riesiger Betonwurm über das Tal
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Wilden. Wie an einem riesigen Fließband werden auf der gewaltigen Baustelle an der A 45 Brückenteile produziert und über die Stützpfeiler geschoben.
Der erste Takt ist ein 14 Meter langes Ungetüm aus Stahlbeton. Im Brückenbau hat das nichts mit Musik zu tun – mit „Takt“ werden hier die einzelnen Abschnitte des neuen Bauwerks bezeichnet. An der A 45-Talbrücke Landeskroner Weiher sind die Arbeiten für den Neubau weit fortgeschritten – im Oktober 2022 wurde die erste Hälfte der alten Brücke aus dem Jahr 1967 gesprengt, nun stehen die Autobahn Westfalen und das Bauunternehmen Adam Hörnig kurz davor, mit dem sogenannten Taktschiebeverfahren zu beginnen: Stück für Stück wächst der gewaltige Brückenhohlkasten und wird weiter vorgeschoben. 2024 soll das Teilbauwerk fertig sein, derzeit gehen die Verantwortlichen davon aus, dass beide Hälften bis 2027 komplett erneuert sind.
Das Bauunternehmen hat eine Art „Feldfabrik“ für Brückenelemente errichtet, erklärt Peter Wagner, bei Adam Hörnig Bereichsleiter Brückenbau. In einer riesigen Rinne oben auf dem Berg, mehr als 40 Meter breit, werden die Segmente produziert, wie am Fließband – einem sehr, sehr großen Fließband: Im sogenannten Taktkeller kommen Stahlbewehrung und Beton in die Verschalung, aushärten lassen, Deckel obendrauf, das fertige Teil aus dem Keller heben und vorschieben. Vorne dran befestigt ist der „Vorbauschnabel“, eine Stahlkonstruktion, mit Hilfe dessen dieser hinten weiter wachsende „Brücken-Wurm“ über die Hilfspfeiler geschoben wird. Nicht alle Betonsäulen, die auf dem weitläufigen Baustellenareal entlang des halb abgelassenen Landeskroner Weihers stehen, bleiben auch dort: Wenn die 385 Meter lange neue Brückenhälfte fertig ist, werden einige von ihnen wieder zurückgebaut, sie werden nur für die Errichtung benötigt. Während das fertige Segment vorne übers Tal geschoben wird, entsteht hinten, im Keller, bereits das nächste.
A 45- So lief die Sprengung der Brücke Landeskroner Weiher
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So groß die verschiedenen Takte sind – alle 37 Meter breit, das größte 25 Meter lang – so gewaltig sind die Kräfte, die die Spezialisten brauchen, um sie zu bewegen: Die „Hub-Schub-Anlage“ kann 1500 Tonnen Gewicht schieben und 2200 Tonnen heben. Bewegt werden die einzelnen Brücken-Takte über Lager aus Edelstahl und Teflon, um die Reibung so gering wie möglich zu halten, erklärt Polier Roland Dostler.
Gottesdienst für Brücken-Arbeiter an A 45: Männer viele Monate von Familien getrennt
Das Taktschiebeverfahren ist durchaus eine Besonderheit, sagt Önder Sahin, Teamleiter Konstruktiver Ingenieurbau bei der Autobahn-Niederlassung in Netphen. Besonders in dieser Form: Beim Neubau der Talbrücke Eisern kam ein ähnliches Verfahren zum Einsatz, dabei wanderte aber die Schalung über das Tal, der Beton wurde gewissermaßen über dem Boden schwebend gegossen. Am Landeskroner Weiher sitzt die Brückenteile-Fabrik auf dem Berg und spuckt fertige Spannbetonteile aus. Eine andere Möglichkeit sind Stahlverbund-Brücken: Dabei werden vormontierte Stahlgerüste über die Pfeiler platziert. „Das ergibt sich aus der Topografie und den Anforderungen vor Ort“, sagt Peter Wagner – keine Brücke gleicht der anderen, für jede rechnen Ingenieure die beste Variante aus, wie sie gebaut werden soll. Auch die Spannweite spielt eine wichtige Rolle – die längste am Landeskroner Weiher betrage 100 Meter.
Und noch eine Besonderheit gibt es bei diesem Brückenbau: Erstmals wurde eine „AufTaktFeier“ mit einem ökumenischen Gottesdienst mit den Wilnsdorfer Pfarrern Christoph Otminghaus (evangelisch) und Uwe Wiesner (katholisch) für alle Beteiligten im Taktkeller gefeiert, bevor in wenigen Tagen das erste Segment vorgeschoben wird. Die Verantwortlichen hatten dabei auch und gerade die vielen Arbeiter aus Ost- und Südosteuropa im Blick, die lange Zeit von ihren Familien getrennt leben, um in Wilnsdorf die neue Talbrücke Landeskroner Weiher zu errichten. Die Männer seien sehr dankbar für diese Idee gewesen, berichtet Peter Wagner. 65 Fachkräfte sind in Wilnsdorf im Einsatz. Da auf Brückenbaustellen oft in großer Höhe gearbeitet wird, habe der Gedanke nahegelegen, für das Vorhaben um höheren Beistand zu bitten. Nach der Segnung des Vorbauschnabel gab’s Spanferkel im Baulager.
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