Eisern. Beim Neubau der A 45-Talbrücke Eisern kommt ein deutschlandweit einmaliges Verfahren zum Einsatz. Wir geben Einblicke in ein besonderes Projekt.
Wie in Zeitlupe schiebt sich das rund 130 Meter lange Gerüst an der Talbrücke Eisern vorwärts. Die Spitze gleitet langsam über den sechsten Pfeiler, das Ende entfernt sich vom vierten. Nur noch ein kleines Stück, dann ist die Position erreicht, um den sechsten von sieben Abschnitten des Überbaus betonieren zu können. Es ist das erste Mal, dass diese Technik in Deutschland zum Einsatz kommt.
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Das sogenannte Vorschubgerüst kommt ohne eigene Stützen aus, erklärt Projektleiterin Jennifer Johannsen von der Außenstelle Netphen der Autobahn Westfalen: „Das ist das Innovative an dem System.“ Es wird allein von den bereits vorhandenen Pfeilern der neuen Brücke getragen. Dass ein Vorschubgerüst verwendet werden sollte, hatte die Autobahn GmbH vorgegeben. Dass es dieses spezielle Verfahren wurde, war der Vorschlag des Auftragnehmers. In der Praxis wurde es selbst für die Profis aufregend, wie Jennifer Johannsen erzählt: „Wenn man das das erste Mal sieht, ist das schon spannend und mit Bauchkribbeln verbunden.“
A 45 bei Siegen: Talbrücke Eisern entsteht mittels Vorschubgerüst in sieben Abschnitten
Anders als beispielsweise an der ebenfalls im Bau befindlichen Talbrücke Rinsdorf, wo der Überbau – also der Teil, auf dem sich später die Fahrbahn befindet – erst hergestellt und dann von der Seite über die Pfeiler geschoben wird, entstehen die sieben einzelnen Abschnitte in Eisern jeweils an ihrer endgültigen Stelle. Jeder liegt genau zwischen zweien der bereits fertigen Pfeiler – oder zwischen einem der äußeren Pfeiler und einem der Widerlager.
Die bis zu 50 Meter hohen Stützen haben im oberen Bereich Aussparungen, in die seitlich ausstrahlende Stahlträger, sogenannte Brackets, eingesetzt werden; diese halten das Gerüst. Erreicht dieses seine jeweilige Endposition für einen Abschnitt, wird eine integrierte Verschalung zusammengeklappt, die sozusagen die Gussform für den nächsten Brückenteil bildet.
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Ist alles exakt ausgerichtet, beginnt die Betonierung. In Schritt eins gießt das Team Boden und Seitenwände des Überbaus – denn dieser ist innen hohl. In Schritt zwei wird die Decke hergestellt, auf die Asphaltschicht und Fahrbahnmarkierungen kommen. Nach dem Aushärten lässt sich die Verschalung aufklappen und zum Vorschein kommt ein weiterer Teil der neuen Brücke in Fahrtrichtung Dortmund. Jeder Abschnitt nimmt etwa fünf Wochen Arbeit in Anspruch, fünf sind bereits fertig.
Siegen: A 45-Talbrücke Eisern – erste Hälfte des Neubaus soll Ende 2022 fertig sein
Das Vorschubgerüst mit der aufgeklappten Verschalung in die jeweils neue Position zu bringen, geschieht langsam. Die Länge ist die eine Sache, ein Gewicht von mehr als 100 Tonnen die andere. Drahtseile, die unter Spannung gesetzt werden können, tragen dazu bei, dass die langen Stahlstreben exakt in der Waagerechten bleiben. Da die Abschnitte unterschiedlich lang sind – zwischen 38 und 53 Metern, wie Jennifer Johannsen sagt –, muss die Verschalung jeweils angepasst werden. Dabei ist auch der Radius der Trasse zu berücksichtigen, denn die 327 Meter lange und bis zu 50 Meter hohe Brücke macht einen leichten Bogen.
Talbrücken-Trio an der Autobahn
Der Neubau der Talbrücke Eisern erfolgt im Zuge des sechsspurigen Ausbaus der A 45. „Die im Jahr 1967 erbaute Brücke ist für das aktuelle Verkehrsaufkommen unterdimensioniert“, schreibt die Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH.
Die Arbeiten in Eisern laufen seit September 2020. Am 19. Oktober desselben Jahres wurde die Nordhälfte der Talbrücke gesprengt. Wie die meisten Autobahnbrücken bestand sie aus zwei getrennten Brückenbauwerken. Das wird auch bei der Nachfolgerin so sein.
Eisern ist die dritte und letzte Talbrücke zwischen den Anschlussstellen Siegen-Süd und Wilnsdorf, die neu gebaut wird. Die Talbrücken Rinsdorf und Rälsbach sind ebenfalls im Bau. Alle drei sollen 2024 fertig sein.
„Wir rechnen damit, dass der Überbau in rund drei Monaten fertig sein wird“, sagt die Projektleiterin. Das Großvorhaben liegt damit im Zeitplan. Ende des Jahres soll der gesamte Verkehr auf die neue Brücke verlegt werden können. Vorher stehen noch Arbeiten wie die Montage von Kappen und Geländern sowie die Fertigstellung der Entwässerung an, außerdem Asphaltierung und Markierungen.
A 45 bei Siegen: Neubau der Talbrücke Eisern voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen
„Dann geht es wieder von vorne los“, sagt Jennifer Johannsen lachend. Im Frühjahr 2023 wird nach derzeitiger Planung die derzeit noch stehende zweite Hälfte der alten Brücke gesprengt. Ihre Nachfolgerin soll auf dieselbe Art entstehen wie aktuell das nördliche Pendant. Ende 2024 soll das gesamte 44 Millionen Euro-Projekt abgeschlossen sein und fast „ewig halten“, wie Jennifer Johannsen sagt. Zumindest aber für die kommenden 100 Jahre.
+++ Ein Video zur Visualisierung des gesamten Brückenneubaus gibt es hier +++
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