Siegerland. Landwirtschaftlicher Kreisverband Siegen-Wittgenstein äußert sich zu Bauern-Protesten: „Wir sagen nicht ‚Ampel weg‘. Das ist totaler Quatsch“.
Der Landwirtschaftliche Kreisverband Siegen-Wittgenstein distanziert sich von Aktionen, die den Protest der Bauern gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung instrumentalisieren möchten oder dabei übers Ziel hinausschießen. So hatte am Wochenende vor den Demonstrationen am Montag, 8. Januar, eine an einem Galgen befestigte Ampel neben der B 508 in Vormwald für Empörung und Diskussionen gesorgt, der Staatsschutz der Polizei bearbeitet den Fall des symbolischen Hinrichtungsinstruments. Der Initiator, Nebenerwerbslandwirt Kevin Kunze, sagte, dass er und seine Kollegen nicht zu Gewalt aufrufen wollten. „Unmöglich und überflüssig“, seien solche Aktionen, bekräftigt hingegen Barbara Kruse, Pressestelle der südwestfälischen landwirtschaftlichen Kreisverbände (WLV), auf Anfrage.
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Man verfolge solche Aktionen sehr aufmerksam: „Wir wollen gewaltfrei und überparteilich demonstrieren“, bekräftigt Kruse. Die seriöse Landwirtschaft habe konkrete Forderungen: Nämlich, dass die Subventionen für Agrardiesel und die Kfz-Steuervergünstigungen nicht gestrichen werden. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, die Kürzungen teilweise zurückzunehmen, was aber für die Landwirtschaft nicht ausreichend sei. „Wir sagen nicht ‚Ampel weg‘“, stellt Barbara Kruse klar – so etwas würde kein Bauernverband von sich geben, „das ist totaler Quatsch“. Die Sparmaßnahmen allerdings hätten für die Landwirtschaft das Fass zum Überlaufen gebracht. „Wir haben längere Zeit unter unsachlicher Politik gelitten“, betont sie – seit Jahren, schon unter den Vorgängerregierungen der aktuellen SPD-Grüne-FDP-Koalition. Die Landwirtschaft, sagt sie, „wolle nicht die Regierung stürzen“, sondern dass die Sparvorschläge zurückgenommen werden.
Bauernverband Siegen-Wittgenstein: „Seriöse Landwirtschaft kommuniziert klar und friedlich“
Im Zuge des Vorfalls an der Fähre in Schlüttsiel, wo ein wütender Bauern-Mob Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und auch unbeteiligte Fahrgäste bedrängte und bedrohte, wurde bekannt, dass Rechtsextreme und Verfassungsfeinde zunehmend versuchen, die Bauern-Proteste für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren und sich die gesellschaftlich aufgeheizte Stimmung zunutze machen wollen. Dieser Mechanismus sei auch nichts Ungewöhnliches, sagt der Soziologe Dr. Olaf Jann von der Uni Siegen im Gespräch mit dieser Redaktion: So hatten beispielsweise auch die Grünen versucht, die Sympathie für „Fridays For Future“ politisch für sich zu nutzen. Von einer Unterwanderung könne man schon angesichts der schieren Größe der Bewegung und des Bauernverbands nicht sprechen.
Der Landwirtschaftsverband selbst verfolgt eigenen Angaben zufolge sehr aufmerksam, wer an den Demonstrationen auch vor Ort in Siegen-Wittgenstein teilnehme und diese für eigene Zwecke einspannen wolle, so Barbara Kruse. Gesinnung und Ziele mancher würden oftmals schon an den Plakaten deutlich. „Das ist überhaupt nicht in unserem Sinne und wir distanzieren und aufs Schärfste. Seriöse Landwirtschaft kommuniziert klar und friedlich.“
Die vom Landwirtschaftsverband im Kreisgebiet für Montag angemeldete Kundgebung fand im Wittgensteiner Raum statt. Insgesamt zählte die Polizei in Siegen-Wittgenstein sechs Veranstaltungen von Landwirtschaft und „nahestehenden Branchen“. Weil eine Veranstaltung in Netphen nicht rechtzeitig angemeldet wurde, leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren ein. Das, so Polizeiführer Thomas Fürst, wäre vermeidbar gewesen. „Ich bin mit dem friedlichen Verlauf der heutigen Versammlungen sehr zufrieden“, so Fürst weiter, der vor allem den Einsatzkräften und den Partnern der Polizei im Einsatz dankte.
In Wilnsdorf nahmen Polizei-Angaben zufolge in der Spitze 65 Landwirte an einer Pendel-Fahrt zwischen der A 45-Anschlussstelle im Bereich Elkersberg und dem Kreisverkehr Höhwäldchen teil. Der private Anmelder hatte mit rund 25 Teilnehmern gerechnet. Den Behörden zufolge habe es keine größeren Vorkommnisse gegeben, aufgrund der Verkehrssituation kam es durch die Pendelfahrt über die Landstraße zu Beeinträchtigungen, insbesondere im Berufsverkehr in den frühen Morgenstunden. Gegen 9 Uhr hatte sich die Lage wieder weitgehend beruhigt.
Verkehrs-Chaos in Siegen: Fahrzeug-Demonstration mit Bezug zu Bauern-Protesten
Die Teilnehmer hatten sich auf dem großen Parkplatz B 54/L722 in der Wilnsdorfer Ortsmitte gesammelt und fuhren dann Richtung Höhwäldchen sowie Autohof am Elkersberg. Nicht im Konvoi; andere Fahrzeuge konnten sich einordnen, so dass der Verkehr zwischen den drei Kreisverkehren nicht komplett zum Erliegen gebracht, aber deutlich verlangsamt wurde. Die Reaktionen der betroffenen Autofahrer war weit überwiegend positiv, viele zeigten sich solidarisch mit den Landwirten. Weil auch im benachbarten Haiger eine entsprechende Demonstration stattfand, kam es an der A 45-Anschlussstelle Haiger/Burbach zu Verkehrsbehinderungen, diese wurde bis in die Mittagsstunden gesperrt, so die Polizei.
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In Siegen waren zudem für mehrere Stunden Fahrzeug-Kolonnen zwischen Bismarckplatz und Siegerlandhalle unterwegs. Die Polizei ließ immer nur eine gewisse Anzahl gleichzeitig fahren, insgesamt hatten sich den Angaben zufolge deutlich über 100 in Weidenau eingefunden – überwiegend Autos, es fuhren aber auch einige Traktoren mit. Die Anmelder, die sonst regelmäßig samstags mit Autokorsos in Siegen unterwegs sind, hatten neben dem Bezug zu den derzeitigen Bauern-Protesten auch zahlreiche andere Themen angegeben, heißt dazu es von der Behörde.
Besonders Busverkehr in Siegen und Umgebung von Fahrzeug-Demo betroffen
Die Polizei sperrte für die eintreffenden Fahrzeug-Kolonnen in der Zeit zwischen 11 und 16 Uhr jeweils die Hauptstraßen auf der Route über Weidenauer-, Hagener-, Sand- und Koblenzer Straße, es kam dadurch zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, unter anderem an den gesperrten HTS-Anschlussstellen Siegerlandhalle, City-Galerie, Freudenberger Straße und Sieghütte. Gerade an den großen Innenstadt-Kreuzungen Kochs- und Reichwalds Ecke staute sich der Verkehr weit zurück.
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Betroffen davon war in besonderem Maße der Busverkehr: Die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) konnten zeitweise den ZOB nicht ansteuern oder verlassen und mussten längere Ausweich-Routen fahren. Auch das Verkehrsunternehmen hatte vor Verspätungen und teils auch Ausfällen im Linien- und Schülerverkehr gewarnt. Das Interesse der Schaulustigen war auf erheblich niedrigerem Niveau als am 29. Dezember, als mehr als 1000 Traktoren und Lkw zu einer Großkundgebung in die Siegener Innenstadt gefahren waren und diese für Stunden lahmgelegt hatten