Brilon/Berlin. Die Sparpläne der Regierung kosten den Briloner Junglandwirt Stefan Schmidt viel Geld. Um zu protestieren, fährt er sogar bis nach Berlin.
6.600 Teilnehmer und 1.700 Traktoren machten sich am vergangenen Montag auf den Weg nach Berlin, um gegen die angekündigten Sparmaßnahmen bei Agrardiesel und Kfz-Steuer für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge zu protestieren. Fast eine Milliarde Euro würde das geplante Aus für Vergünstigungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuer Deutschlands Bauern jährlich kosten. Bisher können sich Bauern von den gezahlten Steuern für Diesel von aktuell 47,04 Cent pro Liter 21,48 Cent pro Liter zurückerstatten lassen. Bis zur Siegessäule standen die Traktoren, teilweise war Berlin verkehrstechnisch gelähmt. Unter den Teilnehmern: Der 26-jährige Junglandwirt Stefan Schmidt aus Brilon. Gemeinsam mit seiner Familie betreibt er einen mittelgroßen Landwirtschaftsbetrieb, der seit 1582 besteht.
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Mehrkosten von mindestens 10.000 Euro
Für Stefan Schmidt ist der Protest eine Premiere: „Es gab zwar auch schon vor einigen Jahren mal eine ähnliche Situation, damals habe ich es aber zeitlich nicht geschafft“, so der Landwirt. Mit etwas Glück ergatterte Schmidt den letzten Platz im Bus seiner hessischen Kollegen. Gemeinsam mit 50 anderen Bauern aus der Region fuhr er schließlich vor das Brandenburger Tor: „Das war alles sehr familiär“, erinnert sich Schmidt. Alle Bauern seien ja davon betroffen. Vom Zusammenhalt vor Ort war er daher begeistert: „Wir sitzen ja alle zusammen auf dem gleichen Ast, haben ähnliche Probleme und das schweißt zusammen“, so Schmidt.
Er habe mal ausgerechnet, was die Pläne der Bundesregierung den Betrieb kosten würden: „Allein die Verteuerung des Agrardiesels würde mit 10.000 Euro zu Buche schlagen“, sagt Stefan Schmidt. Er ist deshalb in Sorge: „Unser Hof besteht seit 1582. Es geht jetzt darum, die Existenz auch für die nächste Generation zu sichern“, so Schmidt, der darauf hofft, den Hof auch an seine Kinder weiterzugeben. Um den Betrieb zukunftstauglich zu gestalten, hat die Rösenbecker Familie in jüngster Zeit investiert und modernisiert. Bis auf den Außenbereich fertig ist der neue Stall, der an den bestehenden Boxenlaufstall angebaut worden ist. Inzwischen leben 120 Kühe sowie 100 Jungrinder und Kälber auf dem Hof. Für die Kälber gibt es einen eigenen kleinen Strohstall.
Özedemir wird ausgebuht
Auf der Bühne in Berlin versammeln sich derweil die Redner. Als der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auftritt, wird es zwischenzeitlich laut. Viele Bauern sind empört, dass der Minister behauptet, er hätte mit den Sparplänen nichts zu tun, während seine Staatssekretärin Silvia Bender folgende Nachricht an den Finanzminister Christian Lindner schrieb: „Wir werden daher mit Vorschlägen zur Überarbeitung der Agrardieselbeihilfe auf das BMF zukommen, um ab 2025 dringend notwendige Transformationsaufgaben im BMEL-Haushalt besser ansprechen zu können“. Für viele der Beweis, dass es Cem Özdemir mit der Wahrheit nicht so ganz genau nehme.
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Kurzzeitig ist Özdemir nicht mehr zu verstehen. Das fällt auch Stefan Schmidt auf: „Bei manchen Rednern waren die Demonstranten leiser, bei anderen gab es viele Zwischenrufe“. Teilweise waren diese Zwischenrufe auch technischer Natur: Ein Agrar-Hächsler lässt die Worte des Landwirtschaftsministers in den Geräuschen des Zerkleinerers untergehen. Das war sogar dem Bauernpräsidenten zu viel: Joachim Rukwied rief die Demonstrationsteilnehmer zu Respekt auf und bat, dem Minister zuzuhören. Rukwied kündigte an, dass es im Januar zu massiven Demonstrationen kommen werde, falls die “inakzeptablen Vorschläge” nicht vollständig zurückgezogen würden. „Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat.“
Stefan Schmidt findet so viel Unterstützung gut: „Ich freue mich über so viel Rückhalt, auch aus der Bevölkerung“ und bereut es nicht sich auf den Weg nach Berlin gemacht zu haben, so sein Fazit.
Koalition unzufrieden mit den Plänen - FDP Veto angekündigt
Dabei könnten die Proteste bereits Wirkung gezeigt haben: Denn auch aus der Ampelregierung nehmen die kritischen Stimmen zu: Die Pläne der Bundesregierung, den CO₂-Preis für Diesel zu erhöhen, stoßen in der Ampel-Koalition zunehmend auf Widerstand. FDP, SPD und Grüne sind sich uneins, ob die Pläne in der jetzigen Form umgesetzt werden sollen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat bereits am Sonntag ein Veto der Liberalen gegen das Vorhaben angekündigt. Er sagte, die Pläne belasteten die landwirtschaftlichen Betriebe zu stark. Auch in der SPD bestehen Vorbehalte. So sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post, die Pläne seien „noch nicht ausgereift“. Es müsse sichergestellt werden, dass die Belastung der Landwirtschaft nicht zu hoch werde.
Wenn die Pläne in der jetzigen Form umgesetzt werden, könnten die Folgen für Verbraucher und Landwirtschaft gravierend sein. Auf die Verbraucher könnten höhere Preise für heimische Lebensmittel zukommen. Eine Alternative wäre, mehr Lebensmittel aus dem Ausland zu importieren. Das würde aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft massiv schwächen.
Mahnwache an diesem Donnerstag
Für diesen Donnerstag wird daher, wie bereits berichtet, auch in Brilon ein Protest angekündigt. Dahinter stehen Daniela Osthoff aus Hoppecke und der Vorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung, Niklas Witthaut. Gemeinsam wollen sie eine Mahnwache in Brilon organisieren. Sie befürchten, dass durch die Pläne der Bundesregierung viele Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder sogar aufgeben müssen. Um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, planen sie eine Mahnwache auf dem Marktplatz am Donnerstag, 21. Dezember, von 18 bis 19 Uhr.
Die Mahnwache soll eine friedliche und stille Aktion sein, bei der sich die Teilnehmer ein Licht mitbringen sollen. Das kann eine Kerze, eine Lichterkette, eine Taschenlampe oder eine Laterne sein. Die Organisatoren bitten darum, ohne Trecker anzureisen, da nur vier bis fünf Traktoren auf dem Marktplatz gestellt werden sollen. An diesen sollen nacheinander die Lichter ausgemacht werden, um symbolisch zu zeigen, dass auch bei vielen Betrieben die „Lichter versiegen“.