Hilchchenbach. Manche Menschen erleben Ausgrenzung ab und zu, andere fast jeden Tag. In Hilchenbach erzählen fünf Menschen, wann und wie sie sie erlebt haben.
Jeder Mensch erlebt Ausgrenzung. Darüber gesprochen wird aber nur in den seltensten Fällen. Zu persönlich sind oft die Geschichten, die dahinterstecken. In Hilchenbach bringen Menschen den Mut auf, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Sie wollen etwas verändern in der Gesellschaft – sie soll toleranter und offener werden. Ihre Porträts sind ab sofort in der Ausstellung „unNORMal?! – Kein Platz für Ausgrenzung!“ im Rathaus in Hilchenbach zu sehen. Fünf Porträtierte berichten, wann und wie sie Ausgrenzung erlebt haben.
Rainer ZIPP Fränzen (51): „Es ist wichtig, zu lernen, miteinander umzugehen. Oft mangelt es daran. Ich wurde selber früher in der Schule ausgegrenzt. Das gefiel einem Jungen einfach. Früher nannte man das noch nicht Mobbing. Jetzt müsste ich wohl dankbar sein dafür, denn es hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Trotzdem war es in der Kindheit eine blöde Zeit und Neurosen bleiben vorhanden. Schon im Sportunterricht muss man immer gegeneinander statt miteinander spielen. Ich war schon immer ein kleiner Träumer und Fantast und damit gefühlt ein Außenseiter. Schon früher wurde mir gesagt, mit Videos kannst du nichts werden. Heute bin ich Filmemacher. Ich fühle mich anders als ein ‘normaler Mensch’. Aber wer von uns ist schon normal? In Hilchenbach habe ich das Gefühl, verstanden und integriert zu werden. Hier kann man so sein, wie man ist.“
Birgit Latz (63): „Ich bin Feministin, sehr klein gewachsen, unter 1,50 Metern und habe eine Körperbehinderung. Ich kann manches nicht sein, was von mir erwartet wird. Ich habe immer in irgendeine Norm nicht reingepasst, auch beim Schulsport nicht. Es hieß: Zu klein, zu unbeweglich, zu feministisch. Ich komme aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Das macht einen großen Unterschied, schon auf dem Gymnasium. Ich habe immer gedacht, hoffentlich kommt keiner drauf, dass ich nicht hierhin gehöre. Ich bin auch immer gerne an der Uni gewesen, es war aber auch ein Fremdsein. Du bist immer irgendwas zu sehr oder was nicht. Die Maßstäbe sind zu eng. Was ist klug, schön oder sportlich? Man hat ein anderes Gespür für Normen, wenn man von außen guckt. Da kann man auch klarer sagen, was man nicht will. Es fühlt sich keiner normal. Man stößt da an Grenzen.“
Tanja Erlebach-Theis (51): Ich höre immer wieder unbedachte Sätze. Sowas wie: ‘Du bist an Diabetes erkrankt? Du bist doch gar nicht dick.’ oder ‘Du hast doch nie Zucker gegessen.’ Diabetes ist als Zuckerkrankheit so verankert in den Köpfen. Manchmal wurde über andere Behinderte gelästert, wenn ich dabei war. Ich gehöre auch zu dem Personenkreis, umso mehr hat es mich verletzt. Niemand hat Schuld an seiner Erkrankung oder seiner Behinderung. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit in allen Dingen, mehr Migration und Integration. Es sollte endlich mal die Angst vor anderen abgelegt werden. Menschen sind nicht anders oder andersartig.“
Gudrun Roth (60): „Ich habe seit 2012 Aufgaben im Arbeitskreis Barrierefrei (Anm. d. Red.: ein Zusammenschluss von Menschen mit und ohne Behinderung) übernommen. Ich bin unbedarft hineingegangen, hatte mit dem Thema Behinderung vorher keine Berührung. Ich habe gelernt, wo die Probleme sind und bin sensibler geworden. Man muss Barrierefreiheit breiter denken. Da hilft Offenheit und Toleranz in jeder Hinsicht.“
Uwe Fröhlich (57): „Ich bin Polizist und bekomme dienstlich mit, wie Ausländer ausgegrenzt werden. Es gibt keinen, der unnormal ist. Für mich ist Akzeptanz ganz wichtig. Menschen werden wegen Rassismus massiv verbal und körperlich angegangen. Für mich sind alle Menschen gleich. Herkunft und Hautfarbe spielen keine Rolle.“
Foto-Text-Ausstellung in Hilchenbach noch bis Ende November 2023 zu sehen
Für die Ausstellung nahmen alle Porträtierten auf der Hilchenbacher Bank mit der Aufschrift „Kein Platz für Ausgrenzung!“ Platz. Diese wurde im Mai 2021 von Beschäftigten der DeinWerk gGmbH, Werkstatt für Menschen mit psychischen Behinderungen, in Heinsberg gefertigt. Die Bilder machten die ehrenamtlichen Fotografinnen Christa Hees, Ruth Eyhorn, Silke Walk und Silvia Schwarzpaul. Die Interviews dazu führten die Mitarbeiterinnen der Stadt Hilchenbach, Gudrun Roth, Bürgerschaftliches Engagement, und Verena Simonazzi, Integration, durch. Daraus wurden dann schließlich eine Ausstellung konzipiert.
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Das Projektteam möchte mit dieser Foto-Text-Ausstellung Menschen vorstellen, die „besonders“ sind. Zum Beispiel haben sie ungewöhnliche Berufe oder eine gesundheitliche Einschränkung oder sie entsprechen vielleicht nicht ganz der üblichen Norm. „Doch je besser die Menschen sich kennenlernen und mit Vielfalt offen umgehen, desto mehr bereichert das die Bürgerschaft in unserer Stadt“, davon sind die Ausstellerinnen überzeugt.
Diese Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Hilchenbacher Rathauses bis Ende November zu sehen. Weitere Informationen erhalten Interessierte bei Gudrun Roth (Tel.: 02733/288-229, E-Mail: ehrenamt@hilchenbach.de).
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