Siegen-Wittgenstein. Die Wälder in Siegen und Umgebung sind Lebensraum für einige seltene Tierarten. Nicht nur die sind auf Schutz und Rücksichtnahme angewiesen.

Menschen mögen Wälder und seltene Tiere. Und seltene Tiere im Wald? Die mögen, wie alle Wildtiere, vor allem ihre Ruhe – sind aber auf Schutz und damit auf Bekanntheit angewiesen. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist gar nicht so einfach, wie im Gespräch mit dem Diplom-Biologen Ralf Kubosch deutlich wird. Aber es ist wichtig.

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In den Wäldern im Kreisgebiet gibt es einige Arten, die explizit unter Schutz stehen. „Fledermäuse, Spechte, Wildkatzen – vielleicht auch mal ein Wolf, der durchzieht“, gibt der Experte – übrigens auch stellvertretender Vorsitzender der Siegener Baumkommission– Beispiele. „Tiere sind aus Konkurrenz zum Menschen verdrängt worden“, erklärt er, wieso einige Arten, die nun zurückkehren, ehedem überhaupt verschwanden.

Waldretter

Siegen und Umgebung: Wölfe in den Wäldern sind nicht bei allen Menschen beliebt

Plastisch werde das bei den Wölfen: „Die wurden getötet, weil der Wolf ein Feindbild war.“ Das wirke bei vielen Leuten bis heute nach. Es gebe das Klischee vom „bösen Wolf, wir haben ja auch echte Angstbilder vor Augen“, etwa den Wolf mit gefletschten Zähnen. Dass es sich um sehr soziale Wesen mit ausgeprägten Familienverbünden handele, werde hierzulande oft ignoriert. In Polen oder Rumänien, auch in Italien sei das ganz anders, da gehöre der Wolf dazu. Auch Bären habe es in der heimischen Region früher gegeben, sagt Ralf Kubosch – doch die teilten das Schicksal der Wölfe.

Von allen Vorbehalten einmal abgesehen, gab (und gibt) es dafür einen ganz simplen Grund: Nutztiere des Menschen fallen in das Beuteraster dieser Wildtiere. Der Konflikt liegt damit in der Natur der Sache. Doch in anderen Ländern sei mitunter der Wille ausgeprägter, sich Lösungen einfallen zu lassen, mit denen Menschen und Tiere – letztere im wahrsten Sinne des Wortes – leben können.

Siegen-Wittgenstein: Seltene Tiere brauchen ausreichend Lebensraum – und Schutz

Ein anderes großes Problem, das ebenfalls mit Konkurrenz – diesmal allerdings um Raum – zu tun hat: „Wir haben eine Zivilisationslandschaft, die ist viel zu eng“, sagt der Diplom-Biologe. Für alle Tiere – und damit natürlich auch für die seltenen – sei es „wichtig, dass die gesamtbiologischen Bedingungen stimmen, auf die eine Art angewiesen ist – in allen Bereichen ihrer Lebensräume.“

Diplom-Biologe Ralf Kubosch
Diplom-Biologe Ralf Kubosch © WP | Florian Adam

Viele Tiere sind nämlich nicht auf eine Umgebung festgelegt, sondern sozusagen „Pendler“. Einige Fledermausarten etwa hätten ihre Tagesunterkünfte im Wald, jagen nachts aber auf Lichtungen. Beim Großen Mausohr, ebenfalls eine Fledermausart, sei es umgekehrt: Sie findet unter anderem in Höhlen, Stollen oder Dachstühlen Unterschlupf und fliegt dann über größere Distanzen, um des Nachts an Waldhängen Beute zu machen. Und auch die Wildkatze sucht im Wald Zuflucht, jagt aber in Offenlandbereichen kleinere Säugetiere. Von daher ist die Fauna des Waldes in vielen Fällen immer auch mit den umgebenden anderen Landschaftstypen zu betrachten. Und natürlich sind auch die Übergangszonen relevant.

Siegener Experte: „Wir brauchen mehr Naturschutzbildung“

„Wir machen uns immer Gedanken über Lebewesen, die wir am Wegesrand sehen können“, merkt Ralf Kubosch an. Viele Menschen würden diese Wahrnehmung dann als Zeichen dafür deuten, dass offensichtlich alles in Ordnung sei. In einer solchen Zwangsläufigkeit sei dieser Schluss aber nicht unbedingt zutreffend, eben weil die Zusammenhänge so komplex seien. Wichtig, das betont der Fachmann, sei es in jedem Fall, zu informieren und zu sensibilisieren. „Wir brauchen wesentlich mehr Naturschutzbildung. Die Menschen müssen an die Natur herangeführt werden – an Stellen, an denen es vertretbar ist.“ Entscheidend dabei: „an die Natur heran“ sei nicht gleichbedeutend mit „in die Natur hinein“.

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Der Spechtwaldbereich im Historischen Tiergarten in Siegen sei ein gutes Beispiel. Der Weg endet in einem Abschnitt, in dem es reichlich Spechte gibt. Infotafeln und eine Hörstation vermitteln Wissenswertes. „Wenn sie da eine Stunde vor der Dämmerung hingehen, dann ist da richtig was los“, beschreibt Ralf Kubosch das akustische Geschehen. Weiter als bis zu diesem Punkt sollten Besucherinnen und Besucher sich aber nicht begeben. Das Wegegebot gelte aus guten Gründen, nämlich, um die Störungen der Tierwelt gering zu halten. Völlig unangemessen sei es etwa, wenn Menschen durchs Unterholz brechen, um Tiere aufzuspüren, weil sie diese aus nächster Nähe beobachten wollen. Nicht nur für geschützte Arten können solche Aktionen eine Belastung werden. Eine aufgeschreckte Ricke etwa könnte fliehen und ihr Kitz zurücklassen. Wenn der Störer oder die Störerin das Jungtier dann auch noch anfasst, wird es von der Mutter womöglich nicht mehr angenommen.

Waldspaziergänge in Siegen und Umland: Ja – aber verantwortungs- und rücksichtsvoll

Letztlich sind alle Arten geschützt“, unterstreicht Ralf Kubosch. Es sei verboten, Tiere im Wald zu stören, erst recht sie zu verletzen oder zu töten. Böse Absichten unterstellt der Experte niemandem. Doch nicht jeder, der sich falsch verhält, tut dies wissentlich oder gar mit Absicht. Er empfiehlt einen Zugang zum Thema, der informativ ist, dabei aber zurückhaltend und respektvoll bleibt; Exkursionen mit Fachleuten zum Beispiel, die die Zusammenhänge erläutern. Und die Grenzen aufzeigen, über die man nicht hinausgehen dürfe, „weil die Natur Rechte hat“. Es gehe dabei auch um das Verantwortungsgefühl jedes und jeder Einzelnen. Und es bedürfe unberührter Kernräume, die von menschlichem Einfluss völlig frei seien, damit die Tierwelt dort garantiert ungestört und in Frieden leben könne.

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