Siegen. Astrid Spielbrink bietet im Historischen Tiergarten erholsame Waldspa-Rundgänge an. Selbst einen Manager hat sie damit bereits schnell überzeugt.

„Waldbaden.“ Das klingt ein wenig entrückt in höhere Sphären, vielleicht sogar ein wenig verpeilt. Aber „das hat überhaupt nichts Esoterisches“, sagt Astrid Spielbrink. Die Wald-Gesundheitstrainerin bietet für die Stadtmarketing Siegen GmbH „Waldspa“ im Historischen Tiergarten an. Sie bringt Menschen die heilsamen und gesunden Aspekte des Waldes näher und gibt Anregungen, wie diese sich gezielter nutzen lassen.

Wald-Trainerin aus Siegen: „Ich bin nicht die Baum-Umarmerin“

„Ich verlasse mich gerne auf Fakten. Ich bin nicht die Baum-Umarmerin.“ Im Hauptberuf ist Astrid Spielbrink Physik- und Chemielehrerin an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule in Siegen. Sie ist in der Naturwissenschaft zu Hause, doch eben jene erforscht seit einiger Zeit auch die positiven Auswirkungen des Aufenthalts in der Natur auf Körper und Psyche.

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„Ich wollte wissen, was im Wald passiert“, sagt Astrid Spielbrink. Also machte sie die Zusatzausbildung, dank der sie nun anderen Leuten helfen kann, von diesen natürlichen Vorgängen zu profitieren.

Historischer Tiergarten Siegen: Wie der Wald auf den Menschen wirkt

Von der reinen Schönheit eines Ausflugs ins Grüne einmal abgesehen, tut sich dort auf verschiedenen Ebenen – nachweislich – eine ungeheure Menge. Die Pflanzen des Waldes geben eine Vielzahl von Stoffen ab – Phytoncide, Isoprene, Teoprene, Teprenoide –, die „besondere Waldatmosphäre ist pharmakologisch wirksam“ – im positiven Sinne, wie die Expertin erläutert. Im Sommer ist es dort außerdem kühler als an weniger pflanzenreichen Orten, erst Recht im Vergleich zu versiegelten bebauten Bereichen.

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Die Luftfeuchtigkeit ist höher, die Luft hat einen höheren Sauerstoffgehalt. Und all das empfängt den Besucher oder die Besucherin schon in dem Moment, wo er oder sie den ersten Fuß in den Wald setzt. Auch „das Licht spielt eine große Rolle“, sagt Astrid Spielbrink. Das Tageslicht, das unverfälscht auf die natürliche Umgebung fällt, „hat wissenschaftlich nachgewiesen gesundheitliche Effekte“. Gute Effekte, versteht sich.

Wald-Gesundheitstrainerin aus Siegen: 20-minütiger Wald-Aufenthalt senkt Blutdruck

Schon ein 20-minütiger Aufenthalt im Wald senke den Blutdruck, gibt die Wald-Gesundheitstrainerin ein ganz konkretes Beispiel für eine Wirkung. Nun ist es in einem ganzheitlichen Prozess wie dem, um den es hier geht, nie ganz trennscharf möglich, körperliche und psychische Effekte gegeneinander abzugrenzen, weil beide Ebenen ineinandergreifen. Doch auch und gerade psychisch sind die Effekte deutlich. Bei Stress tritt das zum Beispiel klar zu Tage: Ein Besuch im Wald entspannt.

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Die tiefenpsychologischen Aspekte liegen wohl auch in der menschlichen Natur und Geschichte begründet, erklärt Astrid Spielbrink. „Es gibt da etwas Archaisches“, sagt die Fachfrau. Auch das hat nicht Esoterisches, weil es auf der simplen Tatsache beruht, dass Wald und Natur der natürliche Lebensraum unserer Vorfahren waren, dass wir dieses Erbe in uns tragen und uns dieser Umgebung trotz allem Höchstmaß an Zivilisation immer noch stark und unmittelbar verbunden fühlen. „Da scheint es ganz tiefe Verwurzelungen zu geben.“ Das geht so weit, dass im Gehirn bereits nachweisbar etwas passiert, wenn Menschen nur an den Wald denken.

Siegen: Waldspa-Rundgänge – das kann man dort erleben

Seit Juni leitet Astrid Spielbrink die Waldspa-Rundgänge, rund zehn Gruppen hat sie bisher geführt. Den historischen Tiergarten hat sie dafür ausgewählt, „weil ich ihn ohnehin schon als meinen Lieblingswald auserkoren hatte“. Sie hat eine Route entwickelt, entlang derer sie an verschiedenen Stationen Anleitung für Übungen gibt: „Mein Schwerpunkt ist die praktische Anwendung.“

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Eine Runde im Wald tut zwar immer gut – doch die Expertin möchte die Aufmerksamkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf besondere Faktoren lenken, sie zu Meditation, Atemübungen, besonderer Konzentration der Wahrnehmung motivieren, ihnen „alle fünf Sinne öffnen“: „Achtsamkeit“ ist das Stichwort. „Es ist faszinierend“, beschreibt Astrid Spielbrink ihre Erfahrungen mit den Gruppen. Sie habe beispielsweise einen Manager erlebt, der „schon nach der dritten Übung sagte: Das ist ja Wahnsinn.“

Das Erleben kann sich spürbar verändern, wenn Waldbesucherinnen und -besucher ihren Schritt „intuitiv verlangsamen“, rät Astrid Spielbrink – etwa auf ein Viertel der üblichen Laufgeschwindigkeit.

Sie empfiehlt außerdem als Übung die Konzentration auf eine spezielle Wahrnehmung: Entweder in der Verlangsamung oder im Innehalten „alles wahrnehmen, was da ist“; oder die gezielte Lenkung, etwa bei der Suche nach einer speziellen Farbnuance.

Das gilt auch im akustischen Bereich, für „die besondere Stille im Wald mit den Konzerten, die da zu hören sind“: Windgeräusche, Blätterrauschen, Vogelgezwitscher – alle Geräusche, „die nicht menschengemacht sind“.

Beginn im Juni

Der erste Waldspa-Rundgang im Historischen Tiergarten fand im Juni statt. Seitdem folgten mehrere Termine. Für den Rest des Jahres sind allerdings keine mehr anberaumt.

Die Stadtmarketing Siegen GmbH plant aber eine Fortsetzung des Angebots im kommenden Jahr – zu Zeiten, wenn das Wetter einigermaßen verlässlich gut ist. Die Termine werden rechtzeitig bekanntgegeben.

Über Sinnesreize und das bewusste Empfangen und Empfinden lasse sich auch die Wahrnehmung schulen. Dabei kann es auch hilfreich sein, Dinge auszuprobieren, die man aufgrund der Konvention sonst eigentlich nicht tut – zum Beispiel Barfuß gehen.

Wald-Gesundheitstrainerin: „Waldspa und Waldbaden“ früher selber „eher belächelt“

Früher habe sie das Thema „Waldspa und Waldbaden“ selber „eher belächelt“, räumt Astrid Spielbrink ein. „Aber es hat mich überzeugt: Es tut sehr gut.“ Die gewisse Skepsis, die teilweise noch herrscht, ist international übrigens nicht der Standard. In Japan etwa werde Waldbaden von der Krankenkasse bezahlt, „es wird als Heilmittel gesehen“, sagt die Trainerin.

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In Deutschland sieht das noch anders aus, zertifizierte Heilwälder sind die absolute Ausnahme – bekannt sei beispielsweise der auf der Insel Usedom. Aber es kann sich ja auch hierzulande noch einiges tun, auch in Siegen: „Mein Traum wäre ein Waldgesundheitszentrum.“

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