Lützel. . Feuersäulen, Funkensprühen, Böllerschüsse und eine grollende, sägende Soundwand: In Extremo lassen es bei Kultur Pur buchstäblich krachen.

Zwei Konzertbesucher, offensichtlich In Extremo-Experten, fassen die Show nachher zusammen: „Auf die Fresse. So richtig auf die Fresse.“ Damit ist schon ziemlich viel gesagt über das Konzert von In Extremo am Samstagabend im großen Zelttheater. Gut anderthalb Stunden dauert der Auftritt der Mittelalter-Rocker, die das Gastspiel auf dem Giller in ihre Quid Pro Quo-Tour eingestreut haben. „Das Set war für ihre Verhältnisse fast schon sanft“, sagt einer, der sich auskennt. Wobei „sanft“ ein Wort ist, das zunächst ziemlich unpassend erscheinen mag. Zunächst.

Charakteristisches Reibeisen: Das Letzte Einhorn

Denn es kracht, blitzt, funkt und speit ständig auf der Bühne vor einem ziemlich vollen Zelt ziemlich enthusiastischer Fans. Und das sind nur die i-Tüpfelchen auf einer brachialen Soundwand, die die siebenköpfige Band aus Berlin konstant aufrecht erhält: Kay Lutter (Bass) und Schlagzeuger Florian Speckardt errichten ein donnerndes, stampfendes Tieftonfundament, auf das Gitarrist Sebastian Oliver Lange sägende, meterdicke Außenmauern setzt, um im Bild zu bleiben. Die Bühne muss einiges aushalten.

Brachialrock der Funken sprüht: In Extremo bei Kultur Pur 29

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Fehlt nur noch die Reibeisenstimme von Michael Robert Rhein alias Das Letzte Einhorn – der übrigens eine überraschend sanfte Sprechstimme hat – und die für den In Extremo-Sound typischen, häufig mittelalterlichen Instrumente wie Drehleier, Sackpfeife/Dudelsack oder Schalmei. Diese spezielle, einzigartige Mischung hat In Extremo eine treue Fangemeinde geschaffen, die Wegen von deutlich außerhalb des Siegerlands auf den Giller auf sich nimmt.

Anfänge auf Mittelaltermärkten: Mehr als eine Band

Seit mehr als 20 Jahren sind In Extremo mittlerweile unterwegs. Die Band ist mehr als eine Gruppe Musiker, die zusammen spielen. Die Anfänge ihrer Karriere liegt auf Mittelaltermärkten, entsprechend sind Kleidung und Instrumente Marke Eigenbau, weil es das heute so nicht zu kaufen gibt und überhaupt haben sich In Extremo ein stückweit einen Status als Outlaws bewahrt, den sie nicht nur in Stücken wie „Störtebeker“ („Für Silber, „Weiber, Salz und Bier / Besegeln wir das Meer / So leben wir im Hier und Jetzt / Und das gefällt uns sehr“) besingen. Das Gauklerdasein, das in vielen ihrer Lieder thematisiert wird – die Bandmitglieder verstehen sich durchaus selbst als solche.

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In Extremo hadern mit der heutigen Gesellschaft, von der sie sich immer wieder auch distanzieren. „Es ist Sitte geworden, dass heute mehr genommen als gegeben wird“, sagt Das Letzte Einhorn vor dem Tour-Titelstück „Quid Pro Quo“. Als Sprechchöre „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ skandieren, holt der Sänger demonstrativ den Feuerwerker der Band auf die Bühne und sagt unter Jubel: „Das verbieten sie uns vermutlich auch noch irgendwann. Scheiß drauf, wir machens einfach.“

Mondscheinmelancholie oder Sternhagelvoll

Ein bisschen hadern sie auch mit dem Alter, aber eher augenzwinkernd. Beim dritten Stück fliegt eine Sponge Bob-Plüschfigur auf die Bühne. „Früher bekamen wir nackte Frauenbilder“, wundert sich Das Letzte Einhorn. Vor der Zugabe – endlich mal eine Zugabe bei Kultur Pur – dauert es, bis die sieben Bandmitglieder wieder vollständig auf die Bühne zurückgekehrt sind. „In unserem Alter muss man halt mal öfter auf die Toilette“, flachst der Sänger.

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Für In Extremo sanft fällt dann die erste Zugabe aus: Moonshiner: Oh Mondschein, oh Mondschein, Keiner liebt dich so wie ich“ – man hatte sich fast schon drauf eingestellt, ein wenig melancholisch aus dem Zelt auf die mondbeschienene Ginsberger Heide hinauszutreten. Was durchaus auch seinen Reiz gehabt hätte. Aber es folgt „Sternhagelvoll“, ein wohl vom Irish Folk inspiriertes Stück im Dreivierteltakt, zu dem man ganz hervorragend Humpen schwenken kann. „Sternhagelvoll, Heute Dur und morgen Moll, Auf Schaukelschuhen durchs Leben, Was kann es Schöneres geben?“ Na gut, doch nicht den Mond anheulen. Sondern ans Bierrondell. Zum Wohl.

Kultur pur 2019 im Rückblick