Witwendramen mit Katharina, Anna und Nellie Thalbach im kleinen Zelttheater bei Kutur Pur auf dem Giller: Es gibt viele Gründe, nicht zu trauern.

Hilchenbach. Das Wichtigste zuerst: Piggy lebt. Der Chihuahua, ohne den die drei Thalbachs nie unterwegs sind, schlabbert Wasser aus dem kleinen Schälchen, das für ihn im Garderobenzelt hinter der Bühne des kleinen Zelttheaters bereitsteht. Nach dem Auftritt, bei dem er nur in Worten sichtbar wurde: Als Anna sie tot aus der Waschmaschine barg. Den Gatten, dem sie den Anschlag anlastet, hat sie im Garten einbetoniert. Unter seinem Griiiillllll, für den er noch das Fundament vorbereitet hat. Um den Rasen zu schonen. Ein Witwendrama.

Drei Frauen nehmen Platz an einem langen, schwarz gedeckten Tisch. Katharina Thalbach, die mit der tiefen Stimme. Anna, ihre Tochter, und Nellie, Enkelin von Katharina, alle drei gebürtige Berlinerinnen und, sonst wären sie nicht hier, Schauspielerinnen. Man kann sich das Szenarium auch auf dem Friedhof vorstellen, wo die Witwen das Grab ihrer Verblichenen aufsuchen. Schlechte Erinnerungen lebendig machen. Und mit Kleinen Feiglingen, von denen Katharina in ihrer Handtasche einen scheinbar unerschöpflichen Vorrat hat, ertränken.

Fitzgerald Kusz nennt die „Witwendramen“, die er geschrieben hat, eine „Revue“. Die Schauspielerinnen führen ein Theaterstück auf, in dem sie eine Lesung spielen. Seite für Seite. Über die Rudis, Gerhards und wie sje alle hießen. Man(n) ist überrascht, wie voll die Zitatenschätze von giftigen Sentenzen sind: Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem…Und so weiter. Die bösen Witze kontrastieren mit süßlichen Sprüchen aus Todesanzeigen: Weinet nicht, ich hab es überwunden… Und so weiter. Phrasen: „Sie haben ihn gleich wieder zugemacht.“ Spott üner die Trauerarbeitsindustrie: „Brechen Sie ruhig zusammen.“ Dazu Dokumentarisches: Alma Werfel, Helene Weigel und Margot Honecker über ihre verblichenen Gatten. Und Jean Marais über seinen – dass ihn der Bundespräsident, natürlich der sagenhafte Lübke, in seinem Kondolenzschreiben zur „Witwe“ von Jean Cocteau machte, sichert auch ihm den Platz in dieser Revue.

Im Laufe des Vorabends steigert sich Katharina Thalbach in Betrunkenheit und Emotion, irgendwann singen die drei sogar: Schön ist es, auf der Welt zu sein. Am Ende wird die Lesung endgültig zu Theaterstück. Bei der Testamentseröffnung verwickeln sich die Witwen, der mitvorgelesenen Regieanweisung folgend, in eine Keilerei. Aus nachvollziehbarem Grund.

Ein Riesenvergnügen im voll besetzten Zelt vor allem für die Noch-Nicht-Witwen, das eine oder andere nachdenkliche männliche Gesicht. Und hinter der Bühne drei vergnügte Schauspielerinnen: „Ein großartiges Publikum“, sagen sie. Und Piggy schlabbert dazu.

Das ist rund um das Kultur Pur 2019 in Hilchenbach wichtig: