Hagen/Brilon. Die Landesvorsitzende der Jäger, Nicole Heitzig aus Brilon, wettert gegen die Pläne der Bundesregierung und hält sie für „Aktionismus“.

Die Bundesregierung mit Innenministerin Nancy Faser (SPD) an der Spitze hat eine Verschärfung des Waffenrechts ins Auge gefasst. Anlass sind die tödlichen Messerattacken von Mannheim und Solingen. Unter anderem der Deutsche Jagdverband läuft Sturm gegen diese Regelungen. Es handle sich mitnichten um ein Maßnahmenpaket, das gegen Terroristen gerichtet sei, sondern um einen Schlag ins Gesicht rechtstreuer Bürger. Ein Gespräch mit der Brilonerin Nicole Heitzig (51), Vorsitzende des Landesjagdverbandes in NRW, die zudem Richterin am Amtsgericht Paderborn ist.

Waffen sind gefährlich. Welche Gründe kann es geben, Frau Heitzig, gegen eine Verschärfung des Waffenrechts zu sein?

Zunächst: Waffen sind nicht gefährlich. Es ist noch nie eines meiner Messer aus dem Messerblock oder eines meiner Gewehre aus dem Schrank gesprungen, um mich anzufallen. Das sind Werkzeuge, mit denen man verantwortungsvoll umgehen muss. Gefährlich ist also höchstens der Mensch, dessen Hand die Waffe führt. Und da sind wir ja beim Thema: Das neue Sicherheitspaket richtet sich nicht gegen Gefährder, Extremisten oder Terroristen, die Schlechtes im Sinn haben, sondern gegen unbescholtene Bürger, gegen Menschen, die legal Waffen besitzen und ohnehin schon einem der schärfsten Waffengesetze der Welt unterliegen.

Sicherheitsgesetz

Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung heißt es: „Damit Extremisten und Terroristen nicht in den Besitz von Waffen kommen und leichter entwaffnet werden können, werden die gesetzlichen Regelungen verschärft.“ Unter anderem sollen bei der Prüfung der Zuverlässigkeit künftig die Bundespolizei und das Zollkriminalamt als durch die Waffenbehörden abzufragende Behörden ergänzt werden. Bei Volksfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen, an kriminalitätsbelasteten Orten, im öffentlichen Personenverkehr und seinen Haltestellen „wird der Umgang mit Messern unabhängig von der Klingenlänge künftig untersagt oder untersagbar“. Zur Überprüfung der Einhaltung dieser neuen Verbote „werden erweiterte Kontrollbefugnisse ergänzt“. Um die Waffenbehörden bei einer Gefahrenlage noch besser in die Lage zu versetzen, angemessen zu handeln, „werden die Regelungen zu Widerruf und Rücknahme sowie der vorläufigen Sicherstellung von Waffen geändert“. 

Das neue Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass bei der Zuverlässigkeitsprüfung von Waffenbesitzern künftig Informationen bei der Bundespolizei und dem Zollkriminalamt eingeholt werden. Zudem sollen bei Umzug die Polizeidienststellen der Wohnsitze der letzten zehn Jahre abgefragt werden, damit keine relevanten Erkenntnisse über eine Person verloren gehen. Das klingt doch vernünftig. Was haben Sie dagegen?

Dagegen spricht grundsätzlich erstmals nichts, aber das dürfte kaum umsetzbar sein. Denn: Wer soll all diese Abfragen denn erledigen? Schon jetzt dauert es in manchen Orten in NRW eine kleine Ewigkeit, bis Ihnen die spätestens alle drei Jahre nachzuweisende Zuverlässigkeit bescheinigt wird. Je nachdem, wo Sie wohnen, dauert es bis zu ein Jahr lang, bis zum Beispiel eine neue Waffe in die Waffenbesitzkarte eingetragen ist. Die Behörden sind doch jetzt schon massiv unterbesetzt und überfordert. Wenn Sie nun noch weitere Stellen hinzuziehen und abfragen müssen, ist das doch alles nicht mehr handhabbar.

Sind Wartezeiten für Jäger denn nicht im Sinne der nationalen Sicherheit zumutbar?

Erstens: Das neue Gesetz trägt nichts zur inneren Sicherheit bei. Sie hätten die Taten von Mannheim und Solingen niemals verhindern können. Zweitens sind die Wartezeiten nicht der größte Kritikpunkt.

Sondern?

Das Waffenrecht soll so verändert werden, dass die Behörden bei Waffenbesitzern Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss vornehmen können. Dazu reicht der Verdacht, dass die Eignung und Zuverlässigkeit, eine legale Waffe zu besitzen, eingeschränkt ist. Das bedeutet: Wenn jemand zum Beispiel meinen Facebook-Account kapert oder unter meinem Namen etwas Verfassungswidriges in die Welt setzt, dann kann es sein, dass meine Privaträume durchsucht werden – vom Ordnungsamt, nicht von der Polizei. Das ist eine Einschränkung der Grundrechte. Damit würden wir zu Bürgern zweiter Klasse. Das ist nicht hinnehmbar.

Wie betrifft das neue Gesetz den Alltag noch?

Es betrifft nicht nur Jäger, sondern auch Sportschützen, Waffensammler, aber auch jeden Bürger, jeden Handwerker. Mein 80 Jahre alter Vater zum Beispiel trifft sich einmal im Monat zu einer Art Picknick mit Freunden. Er fährt dort mit der S-Bahn hin und nimmt dazu ein Schweizer Taschenmesser mit. Das wäre dann wegen des Verbots von Messern jeder Art in öffentlichen Verkehrsmitteln untersagt. Das betrifft auch den Handwerker oder den Radfahrer, der vielleicht ein Multitool mit Klinge mitführt. Man stellt die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht, weil es leider, leider Menschen gibt, die Messerattacken ausführen. Ich fühle mich selbst auf größeren Festen nicht mehr besonders wohl. Natürlich würde ich mehr Sicherheit begrüßen.

Aber?

Aber nicht so. Das Gesetz ist Aktionismus, nichts anderes. Glauben Sie denn, ein Terrorist ließe sich von den neuen Regeln abhalten? Messer sind schon jetzt bei öffentlichen Veranstaltungen verboten. Das hat nicht geholfen. Und die Statistik sagt, dass die meisten Verbrechen mit nicht legalen Waffen begangen werden. Das bedeutet: Wer morden will, wird auch in Zukunft irgendwie an sein Werkzeug gelangen – und wenn es über das Darknet ist. Und selbst wenn das Maßnahmenpaket sinnvoll wäre, wäre es nicht umsetzbar: Denn wer soll all das denn kontrollieren?

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Verschiedene Spitzenverbände bündeln derzeit ihre Kräfte: Der Bundesverband ziviler Legalwaffen hat zusammen mit dem Deutschen Jagdverband eine Petition gegen den Gesetzesentwurf ins Leben gerufen, den nach wenigen Wochen schon 120.000 Menschen unterschrieben haben.

Die Zahl ist beeindruckend, aber meiner Meinung nach noch zu gering. Immerhin scheinen unsere Proteste bewirkt zu haben, dass das Thema zuletzt in Berlin von der Tagesordnung genommen wurde. Wie es nun weitergeht, weiß ich nicht. Vom Tisch ist die Sache noch nicht. Im Innenausschuss haben die Experten ebenfalls die Praxisferne und die bürokratischen Auswüchse dieses Gesetzes bemängelt. Es ist also mitnichten so, dass es nur die Jäger wären, die das Gesetz für unsinnig halten. Denn es ist nichts anderes als Schaufensterpolitik: seht her, wir tun irgendetwas.