Hagen/Ense. Chantal Anders war eigentlich nur zufrieden mit ihrem Foto - bis die US-Raumfahrtbehörde sich meldete und sie in Aufregung versetzte.
Die amerikanische Weltraumbehörde NASA schreibt vermutlich nicht so häufig Mails nach Südwestfalen. Und schon eher gar nicht an eine gelernte Steuerfachwirtin, die für die evangelische Kirche im Bereich Finanzen arbeitet und im kleinen verträumten Örtchen Ense im Kreis Soest wohnt. Aber die Mail war tatsächlich bestimmt für Chantal Anders, 33 Jahre alt, frohes Gemüt – und überfordert mit der Gesamtsituation. „Ich habe erst einmal geheult und gezittert“, sagt sie. Denn um ein Haar wäre alles anders gekommen.
Chantal Anders‘ Hobby und Nebenerwerb ist die Fotografie. Sie lichtet Menschen ab, Hunde, Hochzeiten – und Wetterphänomene. Das, was sie da tut, hat auch viel mit Warten zu tun. Warten auf den richtigen Augenblick, in dem sich das Naturschauspiel ereignet. Chantal Anders kennt das nur so. Aber irgendwann ist es auch mal gut, sagte sie sich an jenem Abend vor rund zehn Tagen. „Eine Viertelstunde noch, dann packst du deine Sachen zusammen und haust ab.“
Polarlichter und Sternschnuppen über Südwestfalen
Seit Anbruch der Dunkelheit steht sie schon auf einem Feld im Nirgendwo nahe Ense. Der jährlich wiederkehrende Sternschnuppenregen (Perseiden) ist angekündigt. Und vielleicht, so frohlockt der Satellit im Weltall, der die Werte zu Sonnenwinddichte, Sonnenwindgeschwindigkeit und Magnetfeldausrichtung zur Erde sendet, wird es auch Polarlichter geben. Aber längst hätte all das zu sehen sein sollen. Als Chantal Anders bereits zusammenpacken will, geht es los. „Spektakel am Himmel“, sagt sie. Ihr Herz schlägt höher. Besonders helle Sternschnuppen, Polarlichter, klarer Himmel. Fotos wie gemalt. Etwa 1000 macht sie an diesem Abend.
„Ich wusste, dass ich ein Bild haben werde, das ich toll finden würde“, sagt Chantal Anders: „Aber ich habe nicht gedacht, dass es so viel Aufmerksamkeit erhält.“ Das Bild, das in dieser Nacht entsteht, geht in den vergangenen Tagen um die Welt und erreicht Millionen Menschen. Die Frau, die das Bild gemacht hat, und der Ort, an dem es entstanden ist, tauchen fast überall auf der Welt auf.
„Mein Traum ist, mit dem Fotografieren von Wetterphänomenen mein Geld zu verdienen.“
Chantal Anders bearbeitet ihre Bilder am nächsten Tag, legt die sieben besten übereinander. Composing nennt man das. Nichts Frevelhaftes, keine unlautere Trickserei, sondern eine häufig verwendete Technik gerade in der Astrofotografie, sagt sie. Mit dem Ergebnis ist sie zufrieden. Sie stellt es online bei Instagram und Facebook – und erhält sofort positive Rückmeldungen. Ein Freund rät ihr, sich mit dem Bild beim „Astronomy Picture of the Day“ zu bewerben. Die NASA kürt jeden Tag das beste Bild zum Thema Weltall. Allein der spezielle Account der NASA mit dieser Rubrik bei Instagram hat bald eine Million Follower weltweit.
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„Ich kenne die Rubrik vom Astro-Bild des Tages natürlich und schaue es mir regelmäßig an. Das sind immer atemberaubende Aufnahmen“, sagt sie ehrfürchtig. Nicht selten sind da Bilder aus dem Weltraumteleskop Hubble oder aus der internationalen Raumstation ISS zu sehen. Direkt aus dem Weltall. Nicht vom flachen Land in Ense. Millionen Euro teure Apparaturen. Nicht einfach eine Kamera, wie sie jeder haben könnte. Aber Chantal Anders bewirbt sich. Die NASA erkundigt sich nach der Geschichte des Bildes – und beglückwünscht sie kurze Zeit später, weil sie es zum Bild des Tages gebracht hat. Das ist der Moment, als ihr die Tränen über das Gesicht laufen und ihr Körper vor Aufregung bebt.
Traum: Als Fotografin Geld zu verdienen
Da ist ihr Bild nun veröffentlicht: Zwischen Bildern eines Meteorregens über Stonehenge in England, dem Supermond über dem Tempel des Poseidon in Griechenland und Aufnahmen von Astronauten aus ihren Fluggeräten. „Ich bin wirklich stolz drauf“, sagt sie. Sie habe die Begeisterung für die Natur und deren Schauspiel von ihrem Vater geerbt. Schon als Kind habe sie mit ihm auf der Terrasse gestanden, während er Bilder vom Gewitter machte. „Mein Traum ist, mit dem Fotografieren von Wetterphänomenen mein Geld zu verdienen“, sagt Chantal Anders. Eine Mail der NASA ist da durchaus hilfreich.