Arnsberg. Sie wollen nicht den ganzen Tag am Strand liegen, durchquerten daher das Land von Süd nach Nord. Was ein Arnsberger Ehepaar erlebte.

Nur noch 500 Meter bis zum Ziel. Jutta und Manfred Preiß hätten sich mit einem Picknick unter dem Schild „Deutschlands nördlichster Punkt“ für die ganzen Mühen belohnt. Es war alles vorbereitet, und dann schüttet es auf einmal wie aus Kübeln. „Wir waren durchnässt, das Picknick ist ausgefallen“, schildert das Ehepaar aus Arnsberg-Oeventrop den Schlussakkord auf der Nordsee-Insel Sylt und lacht.

Stunden nach dem Malheur waren Glücksgefühl und Stolz da, die drahtigen Sauerländer im Rentenalter haben dann eine Flasche Sekt geöffnet und miteinander auf das Erreichte angestoßen: Jutta (65) und Manfred (70) Preiß sind vom südlichsten Punkt Deutschlands - Haldenwanger Eck bei Oberstdorf im Allgäu - zum nördlichsten Punkt Deutschlands am Lister Ellenbogen auf Sylt gewandert. Mindestens 1300 Kilometer in sechs Etappen seit dem September 2021, mit Tageswanderungen zwischen 20 und 30 Kilometern, zwischen 15.000 und 20.000 absolvierten Höhenmetern. Und mindestens zehn Kilogramm schwere Rucksäcke tragend.

Jutta und Manfred Preiß am Ziel: der nördlichste Punkt Deutschlands am Lister Ellenbogen auf Sylt.
Jutta und Manfred Preiß am Ziel: der nördlichste Punkt Deutschlands am Lister Ellenbogen auf Sylt. © Privat | Manfred Preiß

An einer Wand im Wohnzimmer des Ehepaars hängt eine große Deutschland-Karte. Mit einem grünen Stift haben Jutta und Manfred Preiß ihre Route markiert – von unten nach oben sozusagen. Oder auch: Deutschland, der Länge nach. „Wir haben unsere Tour intensiv vorbereitet“, erzählt Manfred Preiß, „haben die Route selbst ausgetüftelt, uns bei der Etappenwahl an Fernwanderwegen orientiert.“

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Auf der Strecke haben sie sich der Hilfe von „Google Maps“ und der Navigations-App „Komoot“ bedient – schließlich mussten sie beispielsweise die vorher gebuchten Unterkünfte erreichen. „Einmal standen wir trotz bestätigter Buchung vor der verschlossenen Tür eines Gasthofs und lasen die Aufschrift Betriebsferien“, berichten die Preiß´von manch kleinerem Hindernis, wodurch sie sich aber nicht aus der Bahn werfen ließen. Auch nicht von heißen Tagen zwischen Ulm und Würzburg: „37, 38 Grad im Schatten. Das war schon grenzwertig. Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt ans Aufhören gedacht.“

Deutschland zu Fuß
Die Deutschlandkarte des Ehepaares aus dem Sauerland. Ihre Route ist grün markiert. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Irgendwo in Niedersachsen kam das Ehepaar in ein schweres Unwetter. „Das Wasser ist mir aus den Wanderschuhen gelaufen“, schildert die 65-Jährige. Irgendwann mischte sich Blut darunter. Nichts ging mehr, fünf Kilometer vor dem Tagesziel. Die Oeventroper orderten ein Taxi zur Unterkunft.

Aufgeben war keine Option

Natürlich sind die Sauerländer am nächsten Tag weitergewandert. „Aufgeben galt nicht, wir haben uns immer durchgebissen“, sagt Jutta Preiß. Zuvor war es mit dem Taxi zurück zum alten Zwischenstopp in fünf Kilometern Entfernung gegangen. „Wir haben keinen Meter unserer Wanderstrecke ausgelassen“, sagt Jutta Preiß.

Manfred und Jutta Preiß am südlichsten Punkt Deutschlands - Haldenwanger Eck bei Oberstdorf im Allgäu.
Manfred und Jutta Preiß am südlichsten Punkt Deutschlands - Haldenwanger Eck bei Oberstdorf im Allgäu. © Privat | Manfred Preiß

Warum nimmt man solche Strapazen auf sich? Jutta Preiß schaut zu ihrem Ehemann und lächelt. „Wir sind ja nicht mehr die Jüngsten“, sagt sie augenzwinkernd, „wir wollten uns selbst beweisen, dass wir das schaffen können. Für das Ego war das gut.“

„Wir sind ja nicht mehr die Jüngsten. Wir wollten uns selbst beweisen, dass wir das schaffen können. Für das Ego war das gut.“

Jutta Preiß
Wanderbegeisterte aus Arnsberg-Oeventrop

Womöglich wollten sie aber auch anderen zeigen, dass man in der Generation der Best Ager nicht zwingend die Füße hochlegen muss. „Wir sind ständig aktiv“, sagt Ehemann Manfred. Nicht nur die sechs Enkelkinder hielten sie auf Trab: „Wir treiben täglich viel Sport, so bleiben wir beweglich.“

Deutschland zu Fuß
Die Sauerländer hatten ihre Wanderroute von Süd nach Nord selbst ausgetüftelt. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Und doch ist da die Frage: Wie kommt man auf die Idee, vom südlichsten Punkt Deutschlands zum nördlichsten zu wandern? „Wenn man es genau nimmt“, sagt Manfred Preiß, „hat das Ganze vor 35 Jahren begonnen.“ Damals war das Ehepaar erstmals in Südtirol und ist bis heute dem Reiz des Wanderns verfallen: „Zu Fuß erlebt man die Schönheit der Natur am intensivsten“, beschreibt Jutta Preiß, „wandern geht direkt ins Herz.“

Als die Sauerländer vor Jahren einen Artikel über eben jene Süd-Nord-Wanderung in einem Magazin lasen, waren sie sofort Feuer und Flamme. Der Autor hatte die Tour an einem Stück in 95 Tagen absolviert. „Mein Mann sagte mir dann: Das machen wir auch in einem durch“, lacht Jutta Preiß, „ich habe daraufhin zu ihm gesagt: ,Du hast wohl einen Knall.“ Schnell hatte man sich auf die Etappen-Variante geeinigt.

Nächster Wanderurlaub in Südtirol

Der nächste Urlaub wird das Ehepaar aus dem Sauerland nach Südtirol führen. Zum Wandern. Was sonst. „Wir sind keine Menschen, die den ganzen Tag am Strand liegen“, sagt Jutta Preiß, „wir brauchen Bewegung, wollen Natur und Landschaften erobern.“

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Die begeisterten Wanderer denken noch oft an ihre große Deutschland-Tour zurück. An die landschaftliche Vielfalt („wenn man wandert, bekommt man viel mehr mit, als wenn man im Auto sitzt“), an die Freundlichkeit der Menschen: „Die Reaktionen auf unsere Tour waren durchweg positiv. Eine Dame sagte zu uns: ,Ich bekomme Gänsehaut, wenn sie davon erzählen´.“ Viel erzählt haben die Sauerländer übrigens auch ihren drei Kindern. „Jeden Abend“, so Jutta Preiß, „habe ich ihnen einen Tagesbericht geschickt.“

Bei der Frage, ob sie noch einmal solch ein „unvergessliches Erlebnis“ wie eine Wanderung vom südlichsten zum nördlichsten Punkt Deutschlands planen, lassen sich die Preiß‘ noch nicht in die Karten schauen. „Als wir Sylt erreicht hatten, waren wir uns eigentlich einig, dass dies einmalig war“, blickt Jutta Preiß zu ihrem Ehemann rüber, „aber genau genommen ist der Reiz immer da. Zum Beispiel für eine Tour vom westlichsten zum östlichsten Punkt Deutschlands. Ober vom Bodensee zum Königssee. Das muss eine traumhafte Kulisse sein.“