Hagen. Alexander Prange tritt sein Amt als Rektor der Fachhochschule Südwestfalen an. Der Sauerländer beschreibt die künftigen Baustellen.

Die Ministerin kommt zur Amtsübergabe, darüber freut sich Pof. Dr. Dr. Dr. habil. Alexander Prange (50). Der neue Rektor der Fachhochschule Südwestfalen wird am 1. Oktober feierlich in sein Amt eingeführt. Der ministeriale Besuch spiegelt die Bedeutung der Fachhochschule in Nordrhein-Westfalen. Und er markiert zugleich einen Neuanfang nach internen Konflikten. Denn Pranges designierte Vorgängerin war wieder abgewählt worden, noch bevor sie ihr Amt antreten konnte. „Das Kapitel ist erledigt, die FH blick positiv nach vorn!“, bilanziert Prange.

Der Rektorenkonflikt an der Fachhochschule Südwestfalen hat weite Wellen geschlagen. Wie gehen Sie damit um?

Prof. Alexander Prange: Die Hochschule hatte eine gewisse Hängepartie. Die Abwahl der designierten Rektorin vor Amtsantritt war einmalig, so etwas hat es noch nie gegeben. Diese Sache hat die Hochschule einmal durchgeschüttelt, daraus hat sich allerdings eine positive Dynamik entwickelt – so habe ich es in vielen Gesprächen wahrgenommen 

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Die Fachhochschule Südwestfalen hat mit Hagen, Meschede, Soest, Iserlohn und Lüdenscheid fünf Standorte und ein weit gefächertes Studienangebot von Medienpädagogik bis zum neuen Zukunftsfeld der elektrischen Energietechnik. Ist so ein Gemischtwarenladen noch zeitgemäß?

Absolut! Das breite und solide Angebot der Fachhochschule Südwestfalen spiegelt die vielseitigen Anforderungen und Bedürfnisse der Region und darüber hinaus. Aber es muss auch regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und ggf. anpasst werden. Wegen der mittelständisch geprägten Wirtschaft in Südwestfalen sind die klassischen Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Herzstücke der Hochschule. Wir feiern in diesem Jahr 200 Jahre Ingenieurausbildung in Hagen. Der Fachbereich Agrarwirtschaft in Soest ist ein Alleinstellungsmerkmal, das gibt es landesweit an einer Fachhochschule so nur in Soest. Die landwirtschaftliche Ausbildung in Soest gibt es seit 100 Jahren, neue Studiengänge wie Nachhaltige Ernährungssysteme oder Ökologie und Nachhaltigkeitsmanagement sind hinzugekommen. Viele Ausbildungsberufe sind heute akademisiert, diese Bedarfe bedienen die pädagogischen Angebote im engen Bezug zur Berufswelt in der Region. Sehr wichtig für uns werden jetzt Themenfelder wie Energie, KI, Datawissenschaften oder Nachhaltigkeit, was sich auch in unseren Studiengängen widerspiegelt.

„ Ich bin sehr verwurzelt im Sauerland. “

Prof. Dr. Dr. Dr. habil. Alexander Prange
neuer Rektor der Fachhochschule Südwestfalen

Junge Leute interessieren sich nicht mehr für Mathe und Physik, entsprechend sinken bundesweit die Zahlen in den Ingenieurstudiengängen. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Die Fachhochschule Südwestfalen hat zum Wintersemester ihre Studierendenanfängerzahlen insgesamt gehalten und nicht weiter verloren. Wir haben jetzt um die 10.000 Studierende. Darauf sind wir stolz! Aber grundsätzlich fragen die jungen Leute heute die Ingenieurfächer nicht mehr so gut nach, das stimmt. Trotz der demographischen Prognose vertreten wir ein klares Bekenntnis zu den Ingenieurwissenschaften in der Fläche. Wir werden zukünftig hier standortübergreifender arbeiten. Für uns ist Präsenz in der Fläche sehr wichtig, sonst haben die Studierenden kein heimatnahes Angebot. Das wird mehr Flexibilität und Mobilität des Lehrpersonals zwischen den Standorten bedeuten. Das sollte man auch mal klar benennen. Künftig werden alle Hochschulen mit weniger Ressourcen auskommen müssen. Das bedeutet auch, dass weniger Gebäude und Personal zur Verfügung stehen. Die wesentliche Aufgabe wird sein, mit weniger Geld trotzdem gut und innovativ zu arbeiten.

Zukunftsthema Nachhaltigkeit: In diesen Gewächshäusern forschen Mitarbeiter der Fachhochschule Südwestfalen an einem Aquaphoniksystem zur kombinierten Fisch- und Pflanzenproduktion.
Zukunftsthema Nachhaltigkeit: In diesen Gewächshäusern forschen Mitarbeiter der Fachhochschule Südwestfalen an einem Aquaphoniksystem zur kombinierten Fisch- und Pflanzenproduktion. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Aufgabe wird sich ohne strukturelle Änderungen kaum lösen lassen.

Ich habe den Wunsch, an allen Standorten regelmäßig präsent zu sein. Und es ist für mich EINE Fachhochschule Südwestfalen. Damit die Expertise aller Gründungsstandorte in der Hochschulleitung vertreten ist, wird es zukünftig vier Prorektorate geben, neben Studium/Lehre und Forschung/Transfer eines für Hochschulstrukturentwicklung. Jeder Standort hat seine Besonderheit, in der Summe ist das wirklich klasse. Aber grundsätzlich möchte ich vom reinen Standortdenken wegkommen.

Sie bilden die jungen Leute aus, und die ziehen dann weg in die Großstädte und sind für den regionalen Arbeitsmarkt verloren. Wie kommt man aus diesem Teufelskreis heraus?

Im Bereich der Akquise spannender Drittmittelprojekte und der Weiterbildung kann die Fachhochschule noch besser sein. Wir müssen dazu beitragen, junge Menschen in der Region zu halten und ihnen die Chancen der Region gemeinsam mit unseren Partnern aufzeigen. Ein Baustein dafür ist das neue Prorektorat für Weiterbildung, Chancengerechtigkeit und Diversität. Wir möchten über die berufsbegleitende Weiterbildung einen Beziehungsanker von der Hochschule zu unseren Absolventen und in die Region hinein schaffen. Es kommen viele neue Themengebiete auf, wie zum Beispiel das Data-Management und KI, die es vor 20 Jahren noch gar nicht gab und wo es einen großen Bedarf an Weiterbildung gibt.

Neuer Rektor Fachhochschule Südwestfalen Standort Hagen
Alexander Prange im Elektrotechnik-Labor in der Fachhochschule Südwestfalen am Standort Hagen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Sie kooperieren eng mit den Firmen der Region und den Kommunen. Wie behalten Sie den Überblick?

Das ist ein Mannschaftsspiel, da geht viel von den Fachbereichen aus, die an das Rektorat eng angebunden sein werden. Die Aufgabe eines Rektors ist es, das Thema Technologietransfer federführend zu begleiten. Man muss mit den Unternehmen reden. Die Hochschule will dem Mittelstand ein guter Begleiter und Partner sein. Der Strukturwandel in Unternehmen und Gesellschaft ist in vollem Gange. Und auch für die FH gilt: Nur wer sich wandelt, wird bestehen! Der Ingenieurstudiengang Automotive in Iserlohn zum Beispiel hat derzeit starke Einschreibezahlen. Aber zu sagen: Wir sind in dem Bereich die Besten, das reicht heute nicht mehr aus. Wir haben die gemeinsame Aufgabe, die Hochschule zukunftsfest zu machen

Sie sind als Mikrobiologe und Agrarwissenschaftler international aufgestellt und haben in ihren 14 Jahren als Vizepräsident der Hochschule Niederrhein in Forschung und Transfer große Forschungsprojekte an den Niederrhein geholt. Wie sieht es mit der Internationalität in Südwestfalen aus?

Der Bereich Internationales wird künftig beim Rektor angesiedelt. Das müssen wir noch stärker ausbauen und sichtbarer werden. Im Ausland fragen sie: Südwestfalen, wo liegt das denn? Es ist ganz wichtig, dass wir zukünftig verstärkt Möglichkeiten schaffen, dass unsere Studierenden internationale Erfahrungen sammeln. Weiterhin möchten wir Studierende gemeinsam mit den Unternehmen für unsere Region gewinnen. Das haben wir uns vorgenommen.

Beim Stichwort Zukunftsthemen will die Fachhochschule Südwestfalen Vorreiter sein. Haben Sie Beispiele für besonders zukunftsfähige Forschungsfelder?

Um nur eines von mehreren zu nennen: Wir haben in Soest die Elektrische Energietechnik, dort haben wir in einer ehemaligen Kirche auf dem Campus ein Labor für Hochspannungstechnik eingerichtet. Dort spielt wirklich die Zukunft, es geht um Fragestellungen, die man vor einigen Jahren noch überhaupt nicht kannte, zum Beispiel den Transport von Strom mit unterirdischen Kabeln von der Küste bis tief ins Binnenland.

Sie sind Briloner und Ratsherr für die FDP in Brilon. Führt das nicht zu Interessenkonflikten?

Ich möchte gerne sagen, wie glücklich ich bin, künftig in meiner Heimatregion arbeiten zu dürfen. Nach der nächsten Kommunalwahl werde ich nicht mehr im Briloner Rat vertreten sein. Ich habe dann 14 Jahre lang im Ehrenamt Kommunalpolitik in Brilon gemacht. Unsere Familie lässt sich seit dem 30-jährigen Krieg in Brilon nachweisen, unser Familienwappen ist im Fenster des Briloner Rathauses vertreten; ich bin sehr verwurzelt im Sauerland. Zuerst hatte ich überlegt, von meinem Ratsmandat zurückzutreten. Aber das tut man einfach nicht, ein Mandat sollte man für die gewählte Zeit ausüben, dafür ist man angetreten Ich werde also nicht mehr auf einem aussichtsreichen Listenplatz kandidieren.