Dortmund. 29-jähriger Marc Diegmann ist neuer Geschäftsführer des Start-ups Borussia Brauerei. Wie er auswärtigem Pils Konkurrenz machen will.

Den Dortmunder Dreiklang Kohle, Stahl und Bier gibt es nur noch in Erinnerungen. Heute stünde man vielleicht an der Bude 116einhalb (Foto), einem Treffpunkt an der Dortmunder Saarlandstraße. Was waren das für Zeiten, als Schweiß (von der Maloche am Ofen) und Staub (vor der Dusche in der Kaue) nach Feierabend mit einem der zahlreichen Dortmunder Biere hinuntergespült wurden, Kumpel und Hoeschianer sich mit einem Stößchen (Dortmunder Spezialität: frisch durchgezapftes, kleines Bier) Export zuprosteten, in der anderen Hand vielleicht einen Salzkuchen.

Die Ära von Kohle und Stahl holt wohl niemand mehr zurück. Beim Bier sieht das schon anders aus, glaubt zumindest Marc Diegmann. Der 29-Jährige ist seit 1. September neuer Geschäftsführer des Brauerei-Start-ups. Er träumt nicht nur von der richtigen Mischung aus Renaissance und Neuanfang der „Borussia-Brauerei“, sondern macht selbstbewusst auch gleich eine Kampfansage an Mitbewerber: „Wir wollen die Brauerei der Zukunft sein, zur Lifestyle- und Kultmarke in Dortmund werden.“

Ohne dabei Dortmunder Marken wie das vor beinahe 20 Jahren bereits wiederbelebte Bergmann oder den unter dem Dach der Radeberger Gruppe überlebenden Marken Kronen oder Brinkhoffs Wasser abzugraben: „Wir wollen eher in Konkurrenz zu Bieren gehen, die nicht aus Dortmund kommen.“ Der junge Brauereichef hat dabei vor großen Namen keine Angst und denkt auch in Richtung Sauerland und Siegerland.

Marc Diegmann von der Borussia Brauerei am Dienstag den 24. September 2024 im Interview zur Zukunft der Borussia Brauerei. Foto:Ralf Rottmann/ Funke Foto Services

„Wir wollen die Brauerei der Zukunft sein, zur Lifestyle- und Kultmarke in Dortmund werden.“

Marc Diegmann

Einen zu viel genommen? Wird man sehen. Peter Lemm, Sprecher der Krombacher-Brauerei im Siegerland nimmt es gelassen: „Wir sehen es sportlich. Es gibt überall intensive Konkurrenz in der Branche. Ist doch cool für die Verbraucher.“ Für Nordrhein-Westfalens größte Brauerei mit einem Ausstoß in Millionenhöhe ist Dortmund keineswegs uninteressant – aber auch nicht alles entscheidend.

Die Sauerländer Brauerei Veltins ist nicht nur gelassen, angesichts der Brauerei-Neugründung, sondern begrüßt sie gar: „Es ist ein gutes Signal, eine erfreuliche Entwicklung, dass es engagierte Brauer gibt, die Spaß daran haben, eine alte Marke wiederzubeleben“, sagt Veltins-Sprecher Ulrich Biene, der der Borussia mindestens „Anerkennungserfolge“ wünscht. Eine große Marktkraft über die Stadtgrenzen hinaus traut er dem Start-up allerdings nicht zu. „Man kann nur die Daumen drücken, weil es bundesweit betrachtet leider eine gegenteilige Entwicklung gibt. Viele Brauer-Start-ups geben wieder auf.“ Dem Dortmunder Markt, auf dem Veltins ganz normal engagiert sei, tue eine frische Marke aber sicher gut.

Für die Warsteiner Brauerei ist Dortmund aktuell auch nicht unbedingt der Fokus. Sie war lediglich von 2018 bis 2022 Namensgeber der Industrie-Eventhalle auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks Phoenix-West, wo heute die Kulturveranstaltung Phoenix de Lumieres jenseits von Hopfen und Malz stattfindet.

Die Bezüge zur Gründung des Fußballclubs Borussia

Keine dieser drei großen Brauereien aus Südwestfalen zittert also vor Borussia-Bier. Und auch die am Markt etablierten Marken, wie Brinkhoffs und Kronen spielen in einer ganz anderen Liga, was das gebraute Volumen, den sogenannten Ausstoß, angeht. Der sinkt zwar in der Branche insgesamt. Für spezielle Angebote wie das Borussia-Bier gibt es aber offenbar noch Kultnischen. Das hat in Dortmund in den vergangenen Jahren die neue Bergmann-Brauerei bewiesen, die 2007 ebenfalls wiederbelebt wurde.

Die Historie der Borussia Brauerei ist zwar kurz, aber doch sehr besonders für Dortmund. Die Borussia-Brauerei existierte nur von 1885 bis 1902 an der Steigerstraße im Dortmunder Norden. Für den neuen Geschäftsführer Diegmann und vor allem den Gründer und Gesellschafter Jan-Henrik Gruszecki wäre die alte Marke vielleicht nur halb so interessant als Start-up, gäbe es da nicht noch den Fußballverein BV Borussia Dortmund 09. Der Erzählung nach soll ein altes Emaille-Werbeschild der Borussia-Brauerei in der BVB-Gründungsgaststätte „Zum Wildschütz“ am Borsigplatz die Clubgründer 1909 zur Namensgebung für den heutigen BVB inspiriert haben.

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Bier-Geschichten, Legenden, Kult. Wie geschaffen für eine Neuerzählung. Die begann laut Brauerei-Geschäftsführer Diegmann Ende 2022 mit einem „Erlkönig“-Test. Eine silberne 0,33 Liter-Dose mit Borussia-Export. Erfolgreich. Seit 2023 ist das Bier in Dosen und mittlerweile auch vom Fass auf dem Markt. Laut Geschäftsführer Diegmann ist die Borussia-Dose zentral gelistet und sei in nahezu jedem Rewe- und Edeka-Markt in Dortmund verfügbar. „Außerdem sind wir in rund einem Dutzend Gastronomien bereits vertreten, zum Teil auch vom Fass.“

Export sei eben das Ursprungsbier in Dortmund. „Da war es klar, damit zu beginnen, allerdings neu interpretiert“, sagt Diegmann. Sechs verschiedene Hopfenaromen lassen das Export der alten/neuen Marke extrem frisch daherkommen. Geholfen hat ein früherer Braumeister der Dortmunder Aktienbrauerei, Christian Wolf, in der Szene bekannt als der „Brauwolf“. Gebraut wird noch nicht in Dortmund, sondern am Berliner Standort der schottischen Brauerei-Gruppe BrewDog.

„Die Leute sollen erfahren, dass die Borussia Brauerei wieder da ist.“

Marc Diegmann
Geschäftsführer der Borussia Brauerei

Das wird auch für das erste Pils gelten, das die Borussia-Brauerei jetzt auf den Markt bringen will. Ende November soll es in Dosen und Fässern verfügbar sein und den Aufstieg der neuen Borussia-Brauerei beflügeln: „Die Leute sollen erfahren, dass die Borussia Brauerei wieder da ist“, sagt Diegmann, der zuletzt ein paar Jahre im Vertrieb und Marketing der Kronen-Brauerei im Dortmunder Norden gearbeitet hatte und aus einer Familie mit Bier-Know-how stammt. Sein Vater war unter anderem im Marketing für die Bitburger und die Warsteiner Brauerei tätig und ist ein guter Tippgeber.

Demnächst auch im Kasten

Absehbar soll es Borussia-Bier auch im Kasten geben. In welchem Format ist noch nicht endgültig geklärt. Vermutlich in der Drittel-Literflasche. „Der Preis ist noch offen“, sagt Diegmann. Fest steht indes, dass zum mittelfristigen Erfolg das Borussia-Bier auch in Dortmund gebraut werden muss und soll. Dazu braucht es nicht nur einen geeigneten Standort, sondern auch Geld. Bislang ist Jan-Hendrik Gruszecki alleiniger Inhaber.

Standort für neues Brauereigebäude im Dortmunder Norden

Der Standort der Brauerei soll auf jeden Fall im Norden der Stadt und attraktiv für eine mögliche Eventlocation sein, um das eigene Bier zu bewerben. Mitte bis Ende kommenden Jahres soll feststehen, wo die neue Borussia-Brauerei stehen wird. Bis dort Bier gebraut werden wird, dürften in Dortmund noch etliche Stößchen die Kehlen herunterfließen. Ein bis zwei Jahre, schätzt Diegmann, könnte es noch dauern. 5000 Hektoliter sei mittelfristig das Produktionsziel.  Zum Vergleich: Brauereien wie Warsteiner, Veltins oder Krombacher liegen beim jährlichen Bierausstoß im Millionen-Bereich. Die Radeberger Gruppe, zu der auch Brinkhoffs und Kronen gehören, hatte mehr als zehn Millionen Hektoliter Ausstoß. An der Entwicklung der neuen Marke maßgeblich beteiligt zu sein, schmeckt dem ideenreichen Marc Diegmann dennoch gerade besser als die Sicherheit im Großkonzern.