Iserlohn. Ein Stück Fußball-EM im Sauerland: Die italienischen Stars haben ihr Quartier in Iserlohn bezogen. Und die Fans sind aus dem Häuschen.
Die EM-Euphorie hat noch nicht alle im Auto erfasst, einer seiner Söhne schläft noch auf der Rückbank des Fahrzeugs. Papa Giovanni Silvestro aber steht bereits unter Strom. Zwei italienische Flaggen am Auto, dazu Italien-Trikot, Italien-Kappe, im Kfz liegt noch ein Italien-Schal. Wem die Sympathien des Italieners aus Hemer, der mit Frau Nenzy und den beiden Söhnen gekommen ist, gelten, ist offensichtlich. „Ich“, sagt der 49-Jährige, „habe mir heute extra freigenommen, damit wir unsere Jungs sehen können. So was erlebt man nur einmal im Leben.“
Die Jungs, das sind die Spieler der italienischen Fußballnationalmannschaft. Der Titelverteidiger bei der am Freitag startenden Europameisterschaft gastiert in Iserlohn, im Hotel Vierjahreszeiten.
Am Montagabend um 19.04 Uhr hat die Squadra Azzurra nach der Landung am Dortmunder Flughafen ihr EM-Quartier am Seilersee bezogen – begleitet von rund 300 Fans, die teilweise bereits Stunden vor der Ankunft der Mannschaft in Iserlohn auf ihre Fußballheroen gewartet haben. Trotz Regen und herbstlicher Temperaturen um 14 Grad. Als die Fußballer eintreffen, bricht allerdings der Himmel auf, die Sonne scheint. Die Fans singen die italienische Hymne, Trainer Luciano Spalletti und Spieler zeigen sich kurz den Fans. Den größten Beifall erhält die Torwartlegende Gianluigi „Gigi“ Buffon (46), heute Teamkoordinator.
Wer – wie Giovanni Silvestro – keine Eintrittskarten für die EM-Spiele hat, für den ist es eine der wenigen Chancen, den Spielern nahezukommen.
Mama muss bei Spielen in den Keller
Da ist etwa die Fünfergruppe Damen aus Iserlohn. Sie sind offensichtlich nicht in erster Linie aus sportlichen Gründen gekommen, bezeichnen sie sich doch nicht als Fußball-Fans, sondern als „Fußballspieler-Fans“. Sie wollen die Stars um Torwart Gianluigi Donnarumma (Paris Saint-Germain), Mittelfeldspieler Jorginho (FC Arsenal) oder Offensivmann Federico Chiesa (Juventus Turin) sehen.
Ähnlich Angelina Polo und Sophia Heitmann aus Werdohl. Die Erste Tochter eines Sizilianers und einer Deutschen, die Zweite vor allem zur moralischen Unterstützung ihrer Freundin mit an den Seilersee gekommen, wo das Teamcamp der Squadra Azzura idyllisch am Waldrand liegt. Die beiden jungen Frauen warten seit 16 Uhr auf die Ankunft der Mannschaft. „Wir dachten, die kommen früher an“, sagen sie. Jetzt müssen sie – mit Regenschirmen ausgerüstet – bis in die frühen Abendstunden vor der Hotel-Zufahrt warten, um einen Blick auf die Spieler zu erhaschen. Doch vor allem der Halb-Italienerin Angelina Polo ist die lange Wartezeit egal. Sie hat Urlaub, außerdem waren sie mit die Ersten vor Ort, sie stehen in der ersten Reihe, ganz nah an der von zwei Security-Mitarbeitern bewachten Hotel-Zufahrt, an der die Sperrzone beginnt. Wie bei einem Konzert sei das. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt Angelina Polo.
„Wenn die uns zuwinken, würde ein Lebenstraum in Erfüllung gehen.“
Während ihre Freundin Sophia Heitmann angibt, „ganz entspannt“ zu sein, ist Angelina Polo ob der Ankunft der italienischen Nationalmannschaft aufgeregt. „Wenn die uns zuwinken, würde ein Lebenstraum in Erfüllung gehen“, sagt die 21-Jährige. Die Fußball-Leidenschaft sei bei ihr und ihrem Vater derart ausgeprägt, dass ihre Mutter bei Spielen der Squadra Azzurra immer mal wieder für eine gewisse Zeit im Keller verschwinden müsse. Kein Witz, betont Angelina Polo. 2006, als Italien in Deutschland Weltmeister wurde, sei in einem Spiel just in dem Moment ein Tor gefallen, als ihre Mutter mal kurz im Keller gewesen sei. „Das ist wie ein Aberglaube“, sagt Angelina Polo über das ungewöhnliche Ritual im Elternhaus.
Hotel exklusiv geblockt
In diesem Jahr soll dieser Aberglaube auch wieder helfen, außerdem eine möglichst gute Vorbereitung der Mannschaft auf die Partien gegen Albanien am Samstag in Dortmund sowie gegen Spanien (Gelsenkirchen) und Kroatien (Leipzig). Optimale Bedingungen soll das Teamcamp in Iserlohn bieten. Das Hotel mit seinen 130 Zimmern ist für die Zeit der EM (14. Juni bis 14. Juli) für die italienische Nationalmannschaft geblockt. Exklusiv. Das gesamte Gelände ist eingezäunt, es gibt nur eine Zufahrtsstraße. Größere Fensterflächen, die vom Wald aus einsehbar waren, wurden mit Milchglasfolie beklebt und blickdicht gemacht. Die 120 Mitarbeiter müssen sich beim Betreten des Hotels ausweisen. Die letzten Gäste sind am Sonntag abgereist, seitdem ist die Anlage Sperrzone. Ebenso das nahegelegene Hembergstadion, in dem die Mannschaft trainieren wird. Ausnahme: Am Dienstag (11. Juni, 16.30 Uhr), am Tag nach der Ankunft, präsentiert sich die italienische Nationalmannschaft im Rahmen eines öffentlichen Trainings ihren Fans.
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4000 Zuschauer dürfen dabei sein, alle Karten sind vergriffen. Ein Teil der 2800 Tickets, welche die Gastgeber-Stadt Iserlohn erhielt und kostenlos an Schulen verteilte sowie verloste, wurden laut Angaben der Stadt im Internet angeboten – angeblich zu horrenden Preisen von bis zu 600 Euro. Die Stadt intervenierte, sperrte einige dieser Karten soweit möglich und verloste sie neu.
Neuer Rasen machte Probleme
Ein zweites Problem soll ebenfalls pünktlich zur Ankunft der italienischen Gäste gelöst sein. Der neue, extra für die EM verlegte Rasen im Hembergstadion wuchs an einigen Stellen nicht richtig an, etwa ein Drittel der Fläche musste noch einmal verlegt werden. Man erkennt das noch recht gut, das Grün ist an den betreffenden Stellen vor der Tribüne im Stadion heller als auf dem Rest des Feldes. Der Greenkeeper der italienischen Nationalmannschaft sei aber zufrieden, sagt ein Stadtsprecher.
In Iserlohn ist also alles bereit. Bürgermeister Michael Joithe, der die Gäste am Montagabend im Teamhotel in Empfang nahm, berichtete anschließend: „Die Ankunft der Mannschaft ist sehr gut gelaufen. Spieler, Trainer und Verbandspräsident haben sich ins Goldene Buch der Stadt eingetragen, ich habe ein Trikot mit meinem Namen geschenkt bekommen. Es ist eine super Geschichte für unsere Stadt, dass wir den amtierenden Europameister begrüßen dürfen. Die Spieler sind sehr nett und extrem sympathisch.“
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