Dortmund/Soest. Die Polizei hofft fast 40 Jahre nach dem Mord im Kreis Soest auf Hinweise, weil es einen zweiten Fall gibt, bei dem das Opfer überlebt.
Diese eine quälende Frage nach dem Mörder begleitet Hinterbliebene ewig. Familien leiden unter der Ungewissheit. „Ich will nicht länger mit der Gewissheit leben, dass der Täter frei herumläuft. Dieser Mann lebt sein Leben weiter. Ein anderes hat er zerstört. Wenn er seine gerechte Strafe bekommt, kann ich zur Ruhe kommen.“
Der Satz ist zehn Jahre alt (Quelle: Westfälische Rundschau), er stammt von der Tochter von Sylvia Beerenberg, die Opfer eines bis heute nicht aufgeklärten Mordfalles wurde. Tatort: ein einsamer Feldweg in Lippetal im Kreis Soest im Jahr 1987. Dort wurde sie mit zahlreichen Messerstichen getötet.
Ermittlungsgruppe Cold Case rollt Fälle neu auf
Die Polizei Dortmund rollt diesen Fall seit Monaten neu auf. Die Ermittlungsgruppe Cold Case hat die Arbeit aufgenommen – und überprüft, ob es neue Hinweise gibt. Dieser brutale Mord gehört zu jenen 42 ungeklärten Tötungsdelikten, bei denen die Polizei die Hoffnung hat, sie doch noch aufklären zu können – vor allem, weil es Parallelen zu einer Attacke in Möhnesee/Kreis Soest im April 1990 gibt, bei der das Opfer - Elvira K. - überlebte. Am Dienstag (02. Oktober, 20.15 Uhr) werden die beiden Fälle in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ beleuchtet. Die Polizei hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung.
In beiden Fällen spielt ein dunkler Mercedes eine Rolle. Das KfZ-Kennzeichen soll mit „H“ beginnen. Hagen? Hamm? Herne? Hochsauerlandkreis? In beiden Fällen stiegen die Frauen nachts in der Dortmunder Nordstadt zum Täter ins Auto. Sylvia Beerenberg verdiente ihr Geld als Prostituierte, Elvira K. war nach einem Diskobesuch per Anhalterin auf dem Weg nach Hause. Beide wurden in den Kreis Soest gefahren und mit einem Messer angegriffen. Nur 20 Kilometer liegen zwischen den Tatorten.
„„Der Ideenreichtum der Ermittler war gefragt.““
Sylvia Beerenberg (40) wurde am nächsten Morgen von einem Passanten tot aufgefunden. Elvira K., damals 16 Jahre alt, schlief während der Fahrt im Auto ein. Sie schreckte auf, als der Täter schon in einem Feldweg bei Möhnesee-Ellingsen geparkt hatte. „Als sie wach wurde, sah sie, wie er um das Auto herum ging und etwas wegwarf. Dann riss er die Tür auf und stach auf sie ein“, beschrieb Kriminalhauptkommissar Gregor Schmidt bei der Vorstellung der Ermittlungsgruppe jüngst den Tathergang.
DNA-Spuren auf einer Getränkedose
Was der Mann mutmaßlich wegwarf? Eine Getränkedose. 2014, als der Fall schon einmal neu geprüft wurde, wurden darauf mit neueren Analysemethoden DNA-Spuren des Täters gefunden. Doch sein genetischer Fingerabdruck war in keiner Datenbank aufzufinden.
Wie durch ein Wunder überlebte Elvira K., schleppte sich über den Feldweg Richtung Bundesstraße 516, wo sie gefunden wurde. Die Tatwaffe könnte dieselbe sein. Doch der Frauen-Mörder konnte bis heute nicht ermittelt werden. Die Polizei nimmt nun einen neuen Anlauf. „Die Fälle ähneln sich auffällig. Derzeit werden alle Spuren, die an beiden Tatorten gesichert werden konnten, neu geprüft, um mögliche Verbindungen zwischen den Fällen zu erkennen“, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Poggel von der Staatsanwaltschaft in Arnsberg vor einem halben Jahr.
DNA-Spuren: Eine einzige Hautschuppe kann den Täter überführen
Mit neuen kriminaltechnischen Untersuchungen können alte Spuren deutlich genauer analysiert werden. Das ist mühsam: Mit Klebebandstreifen zum Beispiel werden Spuren auf Leichnamen nach Gewaltverbrechen gesichert. Eine Hautschuppe des Täters kann schon genügen. Diese Folien werden archiviert und können neu analysiert werden. Etwa 100 Streifen sind das pro Leichnam. In der Abteilung Mikrofaser dauert die Untersuchung eines Streifens einen Tag. Wird etwas gefunden, geht der Hinweis an die DNA-Abteilung.
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Darauf und die Mithilfe der Öffentlichkeit setzen die Ermittler jetzt, obwohl sie schon viele Informationen in den Händen hielten – auch dank Elvira K. Der Täter war zum Tatzeitpunkt 30 bis 40 Jahre alt (heute 64 bis 74). Normale Statur, kurze, mittelblonde Haare, schmale und gepflegte Hände, er rauchte HB, die Sender im Autoradio waren von Hand einzustellen.
Phantombild 24 Jahre nach Tat entstanden - durch Hypnose
Besonderheit in diesem Fall: Erst 24 Jahre nach der Tat entstand 2014 mit Hilfe von Elvira K. ein treffendes Phantombild - und zwar unter Hypnose. Mit dem ersten war das Opfer nicht zufrieden, danach waren Vernehmungen nicht gut möglich. „Der Ideenreichtum der Ermittler war gefragt“, sagt der Kommissar Gregor Schmidt. Man erhoffte sich, dass Eindrücke, die das Gehirn abgespeichert, aber verdrängt hat, unter dem Entspannungszustand wieder abrufbar werden würden. Doch auch das entstandene Bild half bis heute nicht. Trotzdem wollen die Ermittler nichts unversucht lassen – auch mehr als 30 Jahre danach nicht.