Washington. Attacken des Republikaners auf Harris eskalieren. Mit massiven Beleidigungen bringt er den teuersten Wahlkampf auf ein beispielloses Tief.

Schmutzig und gigantomanisch teuer sind Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA schon häufiger gewesen. Was am Dienstag zu Ende geht, sprengt jedoch jeden Rahmen. Weit über zehn Milliarden Dollar haben Republikaner und Demokraten und die ihnen angeschlossenen Geldsammelstellen („Pacs“ und „Super-Pacs“) in die Rennen um das Weiße Haus und den Kongress gebuttert. Persönliche Herabsetzungen („dumm wie ein Stein”, „geistig behindert”, „beschissene Vizepräsidentin”) haben durch Donald Trump in Richtung seiner Rivalin Kamala Harris eine neue Dimension erreicht. Der konservative Publizist George Will findet die Formulierung der Saison: „Trump ist ein Vulkan aus wirren Gedanken und Wutanfällen.“

Trotzdem hat im Wettstreit um das mächtigste Amt der westlichen Welt keiner der Aspiranten kurz vor Öffnung der Wahllokale die Nase vorn. Das Patt passt zu einer Serie von Pannen, Pleiten und Peinlichkeiten, die ihresgleichen sucht in der Geschichte. Dabei muss man die Zeitrechnung an einem Schlüsseldatum ausrichten: 24. Juni. Vorher war der Wahlkampf unspektakulär. Amtsinhaber Joe Biden hatte bei den Demokraten trotz großer Bedenken hinsichtlich seiner physischen und mentalen Fähigkeiten keine Konkurrenz. Als Herausforderer Donald Trump im Frühjahr die einzige echte interne Rivalin Nikki Haley zum Ausstieg zwang, war auch das republikanische Spielfeld bestellt.

Der Wahlkampf geht zu Ende. Es war der teuerste der US-Geschichte – und der schmutzigste.
Der Wahlkampf geht zu Ende. Es war der teuerste der US-Geschichte – und der schmutzigste. © dpa | Robert F. Bukaty

Dann das. Biden setzt das TV-Duell gegen Herausforderer Donald Trump Ende Juni altersbedingt so tief in den Sand, dass alle Ausbuddelungsversuche scheitern mussten. Erst nach fast vier quälend langen Wochen überwindet der 81-Jährige seinen Altersstarrsinn, gibt dem unbarmherzigen Druck aus den eigenen Reihen nach und zieht seine Kandidatur zurück. Er liebe Amerika mehr als das Amt, sagte Biden.

Niemand ist unzufriedener darüber als Donald Trump. Ihm kommt über Nacht ein Gegner abhanden, von dem er überzeugt war, ihn um Längen schlagen zu können. Dann kommt sie ins Spiel: In nicht einmal 72 Stunden bringt Vizepräsidentin Kamala Harris alle nötigen Truppen und Geldgeber hinter sich. Sie setzt mit ihrem ansteckenden Lachen durch die Übernahme der Kandidatur Euphorie an die Stelle tiefer Depression im politischen Lager links der Mitte. Trump lacht nicht. Er erklärt Harris für „verrückt”, mindestens aber „hysterisch“.

Der Enthusiasmus über den Rollentausch von Biden zu Harris kommt am 13. Juli abrupt zum Stillstand. Die Kugel eines 20-jährigen Attentäters streift in Butler/Pennsylvania das rechte Ohr Trumps. Auch weil seine Leibgarde, der Secret Service, versagt. Der direkt anschließende Parteitag der Republikaner in Milwaukee wird zum weltlichen Heldengottesdienst. Trump, gebeutelt wegen Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels, wird wie ein übermenschliches Wesen verehrt und sieht für manche bereits wie der sicherer Sieger aus. 

USA: Auf dem Parteitag wird Trump wie ein übermenschliches Wesen verehrt

Aber Kamala Harris läuft ihm in den Wochen danach den Rang ab, stampft unter höchstem Zeitdruck eine Kampagne aus dem Boden, die binnen kürzester Zeit Spenden in einer nie dagewesenen Höhe von einer Milliarde Dollar einsaugt. Harris wetzt, obwohl inhaltlich oft mager, die Biden-Scharte mit einem auf „Freude” und „Einheit” setzenden Wahlkampf aus und zieht in Umfragen schon bald mit Trump gleich. 

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Während Trump, radikaler und ungehobelter als 2016 und 2020, sich mit afroamerikanischen Journalisten überwirft und rassistische Ressentiments gegen Harris aufwärmt, läuft sich die 60-Jährige geschmeidig warm. So warm, dass Trump in der ersten und letzten TV-Debatte mit der Demokratin am 10. September so auf den (angeblich von Haitianern verspeisten) Hund kommt, dass seine Berater das Schlimmste befürchten. 

Elon Musk investiert Millionensummen in Trumps Wahlkampf

Ein zweiter, früh vereitelter Attentatsversuch auf Trump verschiebt die Koordinaten abermals und gibt dem täglich auf Tabubruch-Suche gehenden Populisten neuen Rückenwind. Der reichste Unternehmer des Planeten hat inzwischen bei Trump angedockt. Elon Musk investiert Millionensummen in den Wahlkampf und wird mit seiner Hass- und Gerüchteschleuder X zum wichtigsten Megafon des Ex-Präsidenten.

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Um seine Basis in Wallung zu halten und seine Bewunderung für autoritäre Herrscher wie Xi Jinping oder Wladimir Putin auszudrücken, droht Trump dem „Feind im Innern” offen mit Polizei, Justiz und Militär. Gemeint sind Demokraten und alle, die anderer Meinung sind. Trumps Tonalität bringt seinen ehemaligen Stabschef, General John Kelly, dazu, von einem „Faschisten” zu sprechen. Kamala Harris hält sich mit ehrabschneidenden Bemerkungen zurück. Sie kommt immer wieder auf eine Formulierung zurück: Trump sei „instabil” und „ungeeignet” für das Präsidentenamt.

Trump bastelte unterdessen weiter an seinem Wahlkampf-Hit (nein, nicht die Bekämpfung der Inflation). Er will bis zu 20 Millionen undokumentierte Einwanderer abschieben lassen. Viele davon seien „Tiere”, „Irre” und „Mörder”. Amerika sei durch die Nachlässigkeit der Demokraten zur „Mülltonne der Welt” geworden. Was wohl die Ex-First Lady, gebürtige Slowenin, darüber denkt? Melania Trump, jahrelang beinahe verschollen gewesen, meldet sich mit einer Biografie zurück, in der sie dem Gatten übel mitspielt. Anders als Mr. Trump, der einen Pakt mit den Evangelikalen geschlossen hat, spricht sich Mrs. Trump glasklar für das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht von Frauen beim Thema Abtreibung aus. 

Die „New York Times“ warnt offen vor dem Mann aus Queens. Trump habe bewiesen, dass er vom Temperament her ungeeignet sei für ein Amt, das Eigenschaften „wie Weisheit, Ehrlichkeit, Einfühlungsvermögen, Mut, Zurückhaltung, Bescheidenheit und Disziplin” erfordere – Eigenschaften, die ihm am meisten fehlen. „Wenn die amerikanischen Wähler ihm nicht die Stirn bieten, wird Herr Trump die Macht haben, unserer Demokratie tiefgreifenden und dauerhaften Schaden zuzufügen.”

NameKamala Harris
Geburtsdatum20. Oktober 1964
AmtVize-Präsidentin der USA
ParteiDemokraten
Familienstandverheiratet, zwei Stiefkinder