Washington. Der republikanische Kandidat will Einwanderer massenhaft abschieben, Tausende Staatsdiener entlassen – und Frauen überwachen lassen.
Sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA hat Donald Trump zum ersten Mal in einem Interview mit dem Time-Magazin so etwas wie ein Regierungsprogramm für den Fall eines Sieges am 5. November vorgestellt. Vieles blieb wie oft bei dem 77-Jährigen vage. In etlichen Bereichen wurde der republikanische Widersacher von Präsident Joe Biden aber sehr konkret. Sieben radikale stechen heraus:
1. Massendeportation von sogenannten Illegalen
Er will über zehn Millionen illegale Einwanderer deportieren: Massen-Abschiebungen von Einwanderern, die ohne Dokumente in den USA leben, stehen neben der Vollendung des Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko ganz oben auf der Agenda, wenn Trump der 47. US-Präsident würde. Dabei hat er nicht nur die jüngst über die Grenze gekommenen Armuts-Flüchtlinge im Sinn. Auch teilweise 20 Jahre und länger hier lebende Menschen, meist Latinos, die Berufen nachgehen, Steuern zahlen, ihre Kinder hier groß gezogen haben, aber keine legalen Ausweispapiere besitzen, sollen raus.
Dazu will Trump lokale Polizeien, die Nationalgarden der Bundesstaaten und, wenn nötig, das Militär einsetzen. Dass letzteres laut Gesetz im Inland verboten ist, unterläuft Trump mit der faschistoiden Bemerkung, es handele sich „nicht um Zivilisten”, sondern um Teile einer „ Invasion”. Entlang der Süd-Grenze will er große Auffanglager errichten lassen, aus den die zusammengepferchten illegalen Einwanderer dann zurück in ihre Ursprungsländer gebracht würden. Zusatz: Lokale Polizeien, die sich dem Aufgreifen von Illegalen verweigern, sollen weniger staatliche Zuschüsse bekommen.
2. Beschneidung der Rechte von Frauen
Er duldet, dass Bundesstaaten schwangere Frauen überwachen: Einem landesweiten Abtreibungsbann, wie ihn christliche Fundamentalisten und ultrarechte Republikaner fordern, will er sich nicht verpflichten; das würde vor der Wahl (noch mehr) Stimmen bei Parteiunabhängigen kosten. Stattdessen schiebt Trump mit Verweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs die Verantwortung für Schwangerschaftsabbrüche (oder deren Verbot) allein den Bundesstaaten zu.
Die handhaben das heikle Thema höchst unterschiedlich: liberal in demokratisch regierten Region, ultra-restriktiv in republikanischen Hochburgen, wo zum Teil ein de-facto-Verbot ab der sechsten Woche besteht. Trump hat kein Problem damit, dass einige Bundesstaaten planen, schwangere Frauen bis zur Geburt überwachen zu lassen. „Es ist unerheblich, ob ich damit einverstanden bin oder nicht. Denn die Bundesstaaten treffen diese Entscheidungen.” Präsident Joe Biden konterte sofort: „Das ist abstoßend. Donald Trump vertraut den Frauen nicht, ich schon.”
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3. Er droht unterschwellig mit Gewalt
Er liebäugelt weiter mit Gewalt: Eine Wiederholung des blutigen Sturm aufs Kapitol wie am 6. Januar 2021 schließt Trump für den kommenden Januar nicht kategorisch aus. Vordergründig sagt er zwar, er glaube nicht, dass Amerika Gewalt sehen werde. Denn: „Ich denke, dass wir gewinnen werden.” Dann der entscheidende Zusatz: „Und wenn wir nicht gewinnen, wissen Sie, dann kommt es darauf an. Es kommt immer auf die Fairness einer Wahl an.”
In früheren Statements hatte Trump mehrfach bekräftigt, dass eine Wahlniederlage gegen Biden am 5. November nur durch Wahlbetrug erklärt werden könnte. Auf seinem Portal „Truth Social” fügte er hinzu, dass eine gestohlene Wahl „die Aufhebung aller Regeln und Gesetze rechtfertigt, sogar die in der Verfassung”. Dazu passt: Trump nennt die bisher über 800 abgeurteilten Straftäter, die am Sturm aufs Kapitol beteiligt waren und teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, anerkennend „J 6-Patrioten” und zieht ihre Begnadigung in Betracht.
4. „Gleichschaltung“ von Regierung und Verwaltung
Er will Regierung, Ministerien und Behörden trumpisieren und zehntausende Staatsdiener entlassen. „Wir wollen die schlechten Leute loswerden, Leute, die keinen guten Job in der Regierung gemacht haben.” Trump sprach über Staatsbedienstete, die sich „sehr weit von unserer Verfassung entfernt hätten”. „Ich rede”, sagte Trump „über die Faschisten in unserer Regierung”. Er betrachtet sie als den Feind im Innern, der in vielen Fällen gefährlicher sei als auswärtige Feinde wie „China, Russland und viel andere”.
Trump bestätigte damit indirekt Pläne, die von der erzkonservativen Heritage-Stiftung und anderen Denkfabriken ausgearbeitet wurden. Sie sehen die Entlassung von zehntausenden Staatsdienern vor. Sie sollen durch hundertprozentige Trump-Loyalisten ersetzt werden. Einstellungsvoraussetzung: Sie müssen wie Trump davon überzeugt sein, dass die Präsidentschaftswahl 2020 zugunsten von Joe Biden manipuliert wurde (was 60 Gerichtsurteile verneinen).
5. Jurisitsche Verfolgung von Joe Biden
Er würde Joe Biden den Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzen: Trump will im Fall eines Wahlsieges seinen Umgang mit Joe Biden davon abhängig machen, ob der Oberste Gerichtshof ihm im aktuell anhängigen Fall vollständige strafrechtliche Immunität zubilligt. „Wenn nicht, bin ich sicher, dass Biden für all seine Verbrechen belangt wird.” Zum Hintergrund: Der amtierende Präsident ist bisher von der Justiz nicht eines einzigen Verbrechens beschuldigt worden.
6. Geldhahn zudrehen für die Ukraine
Er will Israel beistehen, aber der Ukraine nur, wenn Europa mehr zahlt: „Sollte Israel in einen Krieg mit dem Iran geraten, werde er „Israel beschützen”, auch wenn er mit Premierminister Benjamin Netanyahu „schlechte Erfahrungen” gemacht habe. In Sachen Kiew, das von Russland angegriffen wird, drückte er sich entschieden verhaltener aus. „Ich würde versuchen, der Ukraine zu helfen, aber Europa muss auch seinen Job machen. Wir zahlen so viel mehr als die Europäer.”
Trump hebt weiter darauf ab, dass die USA mehr Militär- und sonstige Hilfe leisten würden als der alte Kontinent, der näher am Konfliktgebiet liege und darum ein größeres Interesse an einer Lösung haben müsse. Renommierte Wirtschaftsinstitute haben der Behauptung mehrfach widersprochen. Danach zahlen EU- und andere europäischen Länder zusammengerechnet mehr für Kiew als Washington.
7. Pazifische Verbündete im Unklaren lassen
Er lässt Taiwan in der Luft hängen und verlangt mehr Geld von Südkorea: Der Frage, ob er das Inselreich im Falle einer chinesischen Invasion verteidigen würde, wich Trump dezidiert aus: „Es bringt Dich in eine schlechte Position, wenn Du tatsächlich mit einem Statement in die eine oder andere Richtung herauskommst.”
An die Adresse von Seoul sagte er hingegen: Südkorea müsse mehr zahlen für den Schutz vor Nordkorea durch 40.000 US-Soldaten (in Wahrheit sind es 28.000), die andernfalls abgezogen würden.
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