Berlin. Er will Saudi-Arabien zu einem modernen Land machen und plant die Megastadt „The Line“. Doch Saudi-Arabiens Kronprinz hat ein dunkles Geheimnis.

Kronprinz Mohammed bin Salman, gerne mit den Buchstaben MBS abgekürzt, hat keine leichte Aufgabe vor sich. „Er ist es, der die Gesellschaft und die Wirtschaft Saudi-Arabiens buchstäblich umgestalten muss, während er gleichzeitig äußere Feinde abwehrt. Die ganze Welt hat ein Interesse an seinem Erfolg“, schrieb die US-amerikanische Journalistin Karen Elliott House bereits 2017 über den heute 38-jährigen Kronprinzen Saudi-Arabiens.

Mohammed bin Salman weckt bei Experten Erinnerungen

House, die für ihre Berichterstattung über den Mittleren Osten einen Pulitzer-Preis erhielt, zeichnet ein beeindruckendes Bild des designierten Thronfolgers. Er sei „groß, energisch und informell, arbeitet ohne Kopfbedeckung und ohne den dunklen Umhang, den die Könige über ihren langen, weißen Gewändern tragen“. Durch die „rohe Energie“ von MBS fühlt sich House an dessen Großvater Abdulaziz al Saud erinnert, den ersten König und Gründervater des modernen Saudi-Arabien.

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Schon im jungen Alter hatte bin Salman sich einen Namen gemacht. Er gilt als „intelligente, dynamische Naturgewalt, die bereit ist, mutige Risiken einzugehen“ (Zitat House) und vor allem ist er durchsetzungsstark. Das muss er auch sein, schließlich ist er nun einmal der siebte Sohn des amtierenden Königs Salman bin Abd al-Aziz. Auch eine ganze Reihe an Onkeln und Cousins hat der Stammbaum der saudi-arabischen Königsfamilie vorzuweisen. Sie alle könnten nach dem Amt des Kronprinzen und damit der designierten Nachfolge des 88-jährigen Königs streben. Doch seit 2017 trägt bin Salman den Titel – und nichts deutet darauf hin, dass er ihn frühzeitig wieder ablegt.

Saudi-Arabien: Mohammed bin Salman ist der inoffizielle Herrscher des Königreichs

Zu groß ist die Macht, die der Enkel des Staatsgründers bereits erworben hat. Obwohl sein Vater als König formell weiterhin das Staatsoberhaupt ist, gilt MBS längst als inoffizieller Herrscher des Ölstaats. Er hat das Amt des Premierministers inne, kontrolliert dazu die Wirtschaft und Verteidigung des Königreiches, sowie das staatliche Ölunternehmen Saudi Aramco, den Staatsfonds Public Investment Fond und führt nebenbei noch eine eigene Stiftung.

All diese Mittel setzt er ein, um seine Vision des zukünftigen Saudi-Arabiens, die „Saudi Vision 2030“, Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei zeigt er sich skrupel- und rücksichtslos. Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit? Sogar über diese Säulen scheint sich der fünffache Familienvater erheben zu wollen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018, für die bin Salman den Befehl gegeben haben soll. Der Kronprinz bestreitet das.

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Die Vision von Mohammed bin Salman

Doch was ist die „Saudi Vision 2030“, die man wohl passender „MBS Vision 2030“ nennen würde? Sie umfasst nichts Geringeres als eine Revolution des Golfstaats. Weg von der Abhängigkeit vom Öl, hin zur modernen, klimafreundlichen Nation, mit Saubermannimage. Auch bei der Rolle der Religion kündigte MBS bei der Vorstellung des Projekts im Jahr 2016 einen fortschrittlicheren Ansatz an: „Unsere Vision ist ein tolerantes Land, mit dem Islam als Verfassung und Mäßigung als Methode.“

Inzwischen nimmt die Vision des inoffiziellen Regenten Form an. Zum einen im Inneren: Die strengen Regelungen zur Geschlechtertrennung wurden nach und nach aufgeweicht, inzwischen dürfen Frauen Auto fahren und müssen sich nicht länger verhüllen. Zudem hat bin Salman eine Teilprivatisierung von Saudi Aramco angestoßen, um Geld in die Kassen des Königreichs zu spülen.

Wie Mohammed bin Salman das Image von Saudi-Arabien aufpoliert

Auch in den Westen hat MBS gute Verbindungen. Mit sogenanntem „Sportswashing“ poliert er das Image von Saudi-Arabien auf. Sein Staatsfonds investierte Millionen in die größten Fußballvereine des Landes, um internationale Stars anzulocken und das sportliche Niveau nachhaltig zu erhöhen. Auch die Fußball-WM der Herren wird 2034 im Golfstaat ausgetragen werden, dank ein paar freundlicher Tricksereien seitens der Fifa. Kein Fußball-Fan? Die Formel 1, Golfturniere, E-Sports-Events und Tenniswettkämpfe gastieren ebenfalls in Saudi-Arabien.

Das Verhältnis des Kronprinzen zu Donald Trump, ehemaliger und vielleicht auch künftiger US-Präsident, gilt als ausgezeichnet. Sie eint ihre Verachtung für den Iran, der sogar plante, Trump ermorden zu lassen. Die Tochter des Ex-Präsidenten war auch schon als Speakerin auf einem Event der Mohammed bin Salman Foundation im Einsatz. Die Stiftung fördert junge Start-ups und Führungskräfte – männlich und weiblich.

Trump bin Salman
Zwei die sich verstehen: Donald Trump und Mohammed bin Salman beim G20-Gipfel 2019. © picture alliance / abaca | Pool/ABACA

Energietechnisch will bin Salman sein Land ebenfalls in die Zukunft führen. Zivile Atomkraftwerke, erneuerbare Energien und „The Line“ – die klimafreundliche Zukunftsvision einer Stadt, die sich in 170 Kilometer Länge und 500 Meter Höhe erstrecken soll. Doch all diese Versprechungen und Visionen haben auch eine dunkle Seite.

Die dunklen Geheimnisse des Mohammed bin Salman

So sind die feministischen Ansätze des Kronprinzen stark ausbaufähig. Trotz der Fortschritte sind Frauen in Saudi-Arabien bei weitem noch nicht gleichberechtigt. Frauen haben weiter einen männlichen Vormund, der etwa über die Heirat entscheiden kann. MBS ließ zudem Frauenrechtsaktivistinnen verhaften, über die 2022 festgenommene Manahel al-Otaibi schreibt Amnesty International, sie sei „seit November 2023 ‚verschwunden‘“. Als Saudi-Arabien in diesem Jahr den Vorsitz der Frauenrechts-Kommission der UN übernahm, protestierten Menschen- und Frauenrechtsorganisationen.

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In den eigenen vier Wänden scheinen bin Salman Frauenrechte kaum zu interessieren. Aus der royalen Familie, in der bin Salman nicht unumstritten ist, gibt es Berichte, wonach der Kronprinz seine Ehefrau und Halbcousine Sara bint Mashhur regelmäßig krankenhausreif prügelt. Ein ehemaliger Bodyguard unterstützte diese Darstellung: „MBS‘ Mentalität ist wie die seiner Mutter und seines Vaters – er ist ein gewalttätiger Tyrann“. Außerdem soll bin Salman drei Geliebte haben.

„The Line“: Wer dem Kronprinz im Weg steht muss um sein Leben fürchten

Dass der Kronprinz nicht zu Späßen aufgelegt ist, mussten auch die Stämme erfahren, die „The Line“ im Weg standen. Wer auf dem Plangebiet des Projekts wohnte, wurde umgesiedelt. Einige wenige weigerten sich, einem UN-Bericht zufolge bezahlten sie ihren Widerstand teils mit dem Leben, andere wurden inhaftiert und gefoltert.

Davor, die eigene Familie zu inhaftieren, schreckt bin Salman ebenfalls nicht zurück. Bei einer großen Anti-Korruptionsaktion ließ er Kronprinz 2017 viele einflussreiche Männer, darunter zahlreiche Verwandte festnehmen und zwang sie zu hohen Strafzahlungen. Ebenfalls verhaftet, wegen Korruption oder Hochverrat, wurden die beiden Kronprinzen vor ihm und zwei der drei Mitglieder der Königsfamilie, die bin Salmans Ernennung zum neuen Kronprinzen nicht zugestimmt haben sollen.

Das Sonderkommando des Mohammed bin Salman

Wie schwierig es ist, bin Salmans Zorn zu entkommen, zeigt nicht nur die Ermordung von Khashoggi, wenngleich es der bekannteste Fall ist. Der Mord soll von Mitgliedern des sogenannten „Tiger Squads“ verübt worden sein. Dabei handelt es sich um eine Spezialeinheit, über die wenig bekannt ist. Je nach Quelle wurde sie 2017 oder 2018, also unmittelbar nach MBS‘ Ernennung zum Kronprinzen gegründet.

Es soll aus 50 bis 150 top ausgebildeten Männern bestehen, die aus Militär und Geheimdienst rekrutiert wurden. Sein Aufgabenbereich: Schutz von bin Salman und die Ermordung politischer Dissidenten. Zu seinen Opfern soll auch Prinz Mansour bin Muqrin zählen, der nur Stunden nach Anti-Korruptionsaktion bei einem Hubschrauberunglück starb. Angeblich soll er versucht haben, Saudi-Arabien zu verlassen und Opfer des „Tiger Squads“ geworden sein.

Während wir in Deutschland bei Königen und Prinzen meist an die repräsentativen Royals denken, deren Platz längst mehr im Boulevard, als auf der politischen Weltbühne liegt, beweist Kronprinz Mohammed bin Salman eindrücklich, die Brutalität einer echten Monarchie. Dafür braucht er nicht einmal den Königstitel, geschweige denn eine Krone.