Berlin. Die Megastadt „The Line“ soll ein Prestigeprojekt Saudi-Arabiens werden. Um das umzusetzen, geht der Ölstaat buchstäblich über Leichen.
Es soll das grüne Aushängeschild des Nahen Ostens werden: „The Line“ (deutsch. „Die Linie“) heißt das Megaprojekt Saudi-Arabiens, das das Königreich weg vom Ölstaat hin zu einer grünen Zukunft führen soll. Die Vision laut Projekt-Website: „Eine faszinierende Stadt, die sich über 170 Kilometer erstreckt, von den epischen Bergen des NEOM über inspirierende Wüstentäler bis hin zum wunderschönen Roten Meer.“
Nur 200 Meter breit soll die Megastadt werden, aber 500 Meter hoch. „Keine Straßen, Autos oder Emissionen, sie wird mit 100 Prozent erneuerbarer Energie betrieben und 95 Prozent des Landes werden als Naturland bewahrt“, bewerben die Macher ihr grünes Wunder.
Megaprojekt „The Line“: Erste Probleme beim Bau
Doch einen ersten Rückschlag gab es bereits: Ursprünglich sollte die Megastadt, in der einmal 9 Millionen Menschen leben sollen, bis 2030 schon von 1,5 Millionen Menschen bewohnt werden. Im April enthüllte das US-Magazin „Bloomberg“: Die Arbeiten gehen viel langsamer voran als geplant, bis 2030 werden wohl nur rund 300.000 Menschen in „The Line“ wohnen. Gerade einmal 2,4 der geplanten 170 Kilometer sollen bis dahin fertig sein.
Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sind auch zahlreiche deutsche Firmen am Bau der Megastadt beteiligt. Und das trotz Menschenrechtsverletzungen, über die die UN bereits 2023 berichtete. Um den in der Region ansässigen Stamm der Howeitat zur Umsiedlung zu zwingen, soll es unter anderem zu Unterbrechung der Stromversorgung, Drohungen und sogar Entführungen gekommen sein.
Saudi-Arabien: Hinter jeder Achterbahn steckt eine blutige Wahrheit
UN-Bericht: „The Line“-Kritiker zum Tode verurteilt
In dem UN-Bericht werden auch konkrete Einzelschicksale behandelt, darunter das von Shadly Al-Huwaiti. Der Mann wurde demnach bereits 2020 auf der Farm seiner Familie wegen Terrorismusvorwürfen festgenommen und gefoltert. Um ein Geständnis zu erzwingen, soll er unter anderem mit Schlägen, Elektroschocks und Schlafentzug traktiert worden sein. Schließlich wurde er zum Tode verurteilt. Ähnliche Fälle, die teils in Todesstrafe und teils in langen Haftstrafen enden, finden sich ebenfalls in dem Bericht.
Die UN-Berichterstatter haben allerdings erhebliche Zweifel an den Terrorismusvorwürfen: „Es hat den Anschein, dass sie alle nur für die legitime Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung bestraft werden, weil sie ihren Protest gegen die geplanten Zwangsräumungen im Rahmen des NEOM-Projekts (‚The Line‘ Anm. d. Redaktion) zum Ausdruck gebracht haben.“ Demnach verhängt die Regierung Saudi-Arabiens Todesstrafen gegenüber Menschen, die sich „The Line“ in den Weg stellen wollen.
„The Line“ ist Prestigeprojekt des saudi-arabischen Kronprinzen
Auch eine aktuelle Recherche der BBC zeigt ähnliches: Laut einem ehemaligen saudi-arabischen Offizier hieß in einer Anordnung zur Räumung der Region: „Wer sich weiterhin [der Räumung] widersetzt, sollte getötet werden, weshalb die Anwendung tödlicher Gewalt gegen die in ihrer Wohnung verbliebenen Personen genehmigt wurde.“ In mindestens einem Fall soll diese auch angewendet worden sein.
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„The Line“ gilt als Prestigeprojekt von Kronprinz Mohammed bin Salman, Premierminister von Saudi-Arabien. Obwohl offiziell noch sein Vater der König ist, gilt er als der eigentliche Herrscher des Königreichs. Auch bei der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi soll bin Salman eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der Kronprinz bestreitet das.