Berlin. Die Situation der Frauenrechte in Saudi-Arabien gilt als unterirdisch. Warum darf das Land die UN-Kommission für Frauenrechte anführen?
Den Vorsitz der Frauenrechtskommission der UNO übernimmt – Saudi-Arabien. Menschenrechtler sind schockiert. Der Staat hat zwar Expertise, bislang aber eher in der Unterdrückung der Frau.
Louis Charbonneau vertritt die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ bei der UNO. Er ist empört. Die Saudis wiesen eine „ungeheuerliche Bilanz“ bei den Frauenrechten auf. Auf X notiert er, ein Land, das Frauen ins Gefängnis stecke, weil sie für ihre Rechte eintreten, solle nicht das wichtigste UN-Forum für Frauenrechte und Gleichstellung repräsentieren.
Als Kenner der UNO hat sich der frühere Journalist keine Illusionen gemacht. Er weiß, für die Vereinten Nation ist eine solche Wahl nicht ungewöhnlich. Denn solche Posten werden traditionell einstimmig und ohne kontroverse Abstimmung bestätigt; sie rotieren zwischen den Regionalgruppen.
„Es geht voran. Fürs #Patriarchat“
Für das nächste Jahr steht der Vorsitz der Asien-Gruppe zu. In der kam Saudi-Arabien zum Zug. Alle haben dazu geschwiegen, auch die Westeuropäer. Mit beißender Ironie kommentiert das Frauenmagazin Emma auf X: „Es geht voran. Fürs #Patriarchat“.
Und so rückt mit Abdulaziz Alwasil ein Mann an die Spitze, der aus einem Staat kommt, der 2023 im Ranking der Stiftung Weltwirtschaftsforum über die Gleichstellung der Geschlechter Platz 132 einnahm – von 146 Ländern.
Langsame Fortschritte bei Frauenrechten
Im Königreich wissen sie um ihren Ruf. Zum Weltfrauentag schrieb die saudische UN-Mission, beim Fortschritt der Frauen gehe man langsam und behutsam vor, „auf Zehenspitzen“. Der Weg sei noch lang.
Aus saudischer Sicht betrachtet, gab es zuletzt schier unglaubliche Fortschritte: Seit fast zehn Jahren dürften Frauen an den Kommunalwahlen teilnehmen. Längst ist es ihnen erlaubt, Auto zu fahren. Sie sind auch nicht länger gesetzlich verpflichtet, sich mit der Abaya zu kleiden, einem schwarzen Gewand.
Ist der Reformwille nur vorgetäuscht?
Menschenrechtlerinnen werfen dem saudischen Königshaus vor, den Reformwillen nur vorzutäuschen. So dokumentierte Amnesty International den Fall einer Frau, die auf X für Frauenrechte eintrat und prompt verhaftet wurde.
Die Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul wurde im März 2018 in Dubai entführt, nach Saudi-Arabien verschleppt, festgenommen und zu rund sechs Jahren Haft wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Im Februar 2021 wurde sie aus der Haft entlassen, aber mit einer fünfjährigen Ausreisesperre belegt.
Amnesty International empört
Sherine Tadros von Amnesty erläutert die grundsätzliche Kritik: Die Kommission habe den klaren Auftrag, Frauenrechte und Geschlechtergleichheit voranzubringen, „und es ist entscheidend, dass dies auch vom Vorsitz verkörpert wird.“ Saudi-Arabien habe indes eine unterirdische Bilanz.