Berlin. Panzer, Flugabwehr, Munition: Waffen aus Deutschland sind Exportschlager. Nicht nur die Ukraine profitiert – und das ist gefährlich.
Es gibt die Worte – und es gibt die Zahlen. Erst die Worte: Man wolle eine „abrüstungspolitische Offensive“, Deutschland brauche eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“. Es sind Passagen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP, verfasst Ende 2021. Monate, bevor die Realität alle Pläne und Wünsche der Ampel veränderte: Putins Russland greift im Februar 2022 die Ukraine an.
Deshalb stehen die Zahlen nun ziemlich konträr den Worten des Scholz-Kabinetts entgegen: Die Bundesregierung hat in diesem Jahr Rüstungsexporte für knapp 12 Milliarden Euro genehmigt. Ein neuer Rekord – und ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent. Ein Drittel der genehmigten Waffen und Rüstungsgüter gingen an die Ukraine im Kampf gegen Russlands Invasion.
Klar: Die Regierung wusste 2021 nicht, dass dieser Krieg ausbrechen würde. Die Ampel hat – wenn auch spät und zögerlich – mit massiven Waffenlieferungen an die reagiert: Artillerie, Flugabwehrsysteme, am Ende auch Panzer. Das war richtig und notwendig. Doch birgt dieser Politikwechsel Gefahren.
Rüstungsfirmen wie Rheinmetall oder Heckler und Koch waren viele Jahre politische Minenfelder, Regierungschefs mieden öffentliche Kontakte. Nun aber hofiert die Politik vielerorten diese Unternehmen. Kanzler Olaf Scholz trifft sich zum Shakehands mit dem Rheinmetall-Chefs auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr.
Waffenexporte: Die Politik rennt verhängnisvollen Versäumnissen hinterher
Manch einer bei den Waffenherstellern witzelt über die Wendehalsigkeit der Politik. Eine Politik, die nun verhängnisvolle Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte aufholen will. Denn trotz Rekordzahlen wird deutlich: Deutschlands eigene Produktion von Rüstung und Waffen, auf die vor allem die Bundeswehr dringend wartet, kommt nur schleppend in Gang.
Was nun nicht passieren darf, ist eine Wende um 180 Grad. Eine Politik, die auf Rekorde bei Waffen und Munition setzt, darf nicht zum Automatismus werden. Eine Bundesregierung, die nun der Rüstungsindustrie einen Freibrief erteilt, handelt nicht nachhaltig. Noch immer geht ein großer Warenkorb deutscher Waffensysteme an Staaten wie Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Katar. Das sind autokratische Regime, vielfach kritisiert für ihre Menschenrechtsverletzungen. Deutschland darf nicht zum Gehilfen von Autokraten werden – und ihre Macht durch Waffenexporte sichern.
Deshalb ist Kontrolle wichtig – je mehr Kriege mit deutschen Waffen geführt werden und je höher die Exportzahlen sind, desto bedeutender ist die parlamentarische und rechtliche Prüfung dieser Ausfuhren. Die Bundesregierung wollte eigentlich ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen. Doch bisher ist es nicht verabschiedet. Darin muss klar gefasst sein: Rüstung, oder auch nur Komponenten für die Waffenindustrie, in Richtung von Staaten wie Saudi-Arabien muss stoppen.
Wie sollen deutsche Waffen im Ausland eingesetzt werden? Und wer kontrolliert das?
Kontrolliert gehören nicht nur die großen Firmen, sondern auch die Tochterunternehmen. Und die Kontrolle darüber, wie deutsche Waffen im Ausland eingesetzt werden, darf nicht mit dem Verschicken der Pakete enden. Es geht bei der Prüfung auch nicht nur um Waffensysteme und Munition, sondern auch um deutsches Know-How über Rüstungsproduktion, das nur kontrolliert in der Welt verbreitet werden darf.
Rüstungsproduktion auf Rekordniveau kann zur neuen Normalität werden. Das ist aber kein Grund zum Feiern. Die Aufgabe der Politik ist nicht nur das Ankurbeln dieser Wirtschaft – sie muss auch die Kontrolle der Branche entschlossen hochfahren.
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