Dschidda. Pünktlich zum Weltfrauentag geht eine reine Serie für Nachwuchsfahrerinnen in ihre erste eng mit der Formel 1 verknüpfte Saison.
Die Check-Liste, die Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone einst zum eigenen Wohl und dem der Königsklasse im Motorsport angelegt hatte, ist fast abgehakt. Einen Deutschen hatte er sich gewünscht, es kam Michael Schumacher. Einen Schwarzen wollte er, es fand sich Lewis Hamilton. China erobern, es wird in Schanghai gefahren. Aber die Frau, die er sich so unbedingt in einem Cockpit wünschte, die hat sich immer noch nicht gefunden. Lella Lombardis halber Punkt beim spanischen Grand Prix bleibt der einzige, den je eine Pilotin in 75 Rennjahren Formel 1 holen konnte.
Die letzte Fahrerin, die in einem aktuellen Rennwagen an einem regulären Formel-1-Training teilgenommen hat, ist die Schottin Susie Wolff. Vor neun Jahren belegte die Tourenwagenpilotin beim Großen Preis von Großbritannien in einem Williams den 13. Platz von 20 Startern. Beachtlich. Heute ist die 41 Jahre alte Gattin von Mercedes-Teamchef Toto Wolff so etwas wie die erste Frauenbeauftragte des modernen Motorsports. Pünktlich zum Weltfrauentag geht die von ihr geleitete F1 Academy, eine reine Serie für Nachwuchsfahrerinnen, in ihre erste eng mit der Formel 1 verknüpfte Saison. Sieben Rennen im Rahmen von Grand-Prix-Wochenenden stehen auf dem Programm, es ist tatsächlich eine große Bühne. Das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der Ecclestones Nachfolger die Sache inzwischen angehen. Denn auch die Vermarkter von Liberty Media – mit Netflix im Schlepptau – hätten zu gern endlich eine Fahrerin dabei. Möglichst nicht als hinterherfahrendes Alibi, sondern auf Augenhöhe. Rasende Emanzipation.
Das geht nicht von heute auf morgen, es braucht ein langfristiges System. In diesem Sinn werden die 15 Academy-Pilotinnen konsequent auf künftige Aufgaben vorbereitet. Alle Formel-1-Rennställe haben Patenschaften übernommen, so fährt beispielsweise die Saarländerin Carrie Schreiner in den Farben von Sauber. Das soll nicht nur dem beidseitigen Image dienen, sondern vielmehr die Ernsthaftigkeit und die Ambitionen des Unternehmens unterstreichen. Die Vorgänger-Meisterschaft W Series hatte sich nie richtig etablieren können und war schließlich pleite gegangen. Schreiner war 2012 das bisher immer noch einzige Mädchen, dass das ADAC Kart Masters gewinnen konnte. Daher stammt vielleicht auch ihr Motto: „Das größte Vergnügen im Leben ist es, Dinge zu tun, von denen die Leute sagen, dass man sie nicht tun kann.“
Mehr Diversität in der Formel 1 als Auftrag
Jetzt, mit dem Formel-1-Auftrag von mehr Diversität im Rücken und unter der Leitung von Susie Wolff, die zuvor schon einen Formel-E-Rennstall geleitet hat und als Geschäftsfrau auch Motivationsvorträge hält, kommt mehr Zug in die Sache, die auch zu mehr Popularität führen soll. Role model heißt das Zauberwort. Renn-Fahrerinnen, wurden leider häufig nur als Staffage oder zu Marketingzwecken im Umfeld der Grand-Prix-Rennen präsentiert. Eine echte Chance bekamen sie selten. Die Britin Jessica Hawkins, die bei Aston Martin auf der Gehaltsliste steht, hat im letzten Herbst mit einem aktuellen Formel-1-Auto 26 Runden auf dem Hungaroring gedreht, die Zeiten waren sehr ordentlich. Natürlich ist sie mit 28 eigentlich zu alt für eine Perspektive im Cockpit, aber an der nötigen Härte fehlt es ihr ganz sicher nicht: als Stuntfrau hat sie schon im letzten James-Bond-Film und bei „Fast and Furious“ mitgewirkt.
Im Gründungsjahr der F1 Academy 2023, noch eher unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, hatte sich die Spanierin Marta Garcia durchgesetzt. Sie wird in diesem Jahr in der Formel Regional fahren, der fünften Liga im Motorsport. In der Formel 2, dem direkten Unterbau der Königsklasse, findet sich in dieser Saison keine Fahrerin, nächstbeste ist die Deutsche Sophia Flörsch in der Formel 3. Die Münchnerin vermarktet sich seit Jahren perfekt als „Racegirl“. Auch, in dem sie immer wieder damit kokettiert, dass nichts gegen ihre Formel-1-Karriere spreche, wenn man sie nur ließe.
Auf Instagram mag das so sein, in der Realität tut sie sich deutlich schwerer. Von reinen Frauen-Serien hält sie nichts, sie glaubt, dass der Weg nach oben nur über den Wettbewerb mit den besten Männern führt. Womit sie im Endeffekt recht hat. Doch damit es in naher Zukunft tatsächlich eine Frau in die Spitze schafft, braucht es erst einen entsprechend breiten Unterbau. Susie Wolff will dieses Sprungbrett bieten: „Die F1 Academy soll einerseits Inspiration sein, aber sie schafft auch ganz konkret Möglichkeiten für junge Frauen im Motorsport. Es geht um die bestmöglichen Strukturen. Wenn diese Serie nicht funktioniert, funktioniert nichts.“ Hilfreich dürfte sein, dass sie direkt Stefano Domenicali unterstellt ist, dem Chef der Formel 1.
Erste Rennfahrerin aus Saudi-Arabien
Dass der Saisonauftakt der F1 Academy, in der mit 165 PS starken Einheitsrennwagen gefahren wird, in Saudi-Arabien stattfindet, hat auch gesellschaftspolitisch eine gewisse Symbolkraft. Dort wird auch Reema Juffali starten, die erste Rennfahrerin aus dem Königreich am Golf. In Saudi-Arabien dürfen Frauen überhaupt erst seit 2018 Auto fahren. Ex-Weltmeister Sebastian Vettel hatte vor der Formel-1-Premiere vor zwei Jahren in Jeddah unter dem Motto „Race4Women“ auf eigene Kosten eine Renn-Fahrschule abgehalten. Juffali stachelt ihre Landsleute an: „Erst wenn sie mich sehen, werden sie es glauben. Aber das ist alles erst der Anfang.“