Hagen. Die Polizei Hagen geht neue Wege: Im Kampf gegen die zunehmende Gewalt mit Messern unterstützen bekannte Influencer die Beamten.

Influencer sind - dem Worte nach - Menschen, die Einfluss haben. Sie haben eine Botschaft, die in diesem Falle sogar eint. Die Menschen, die in einem Video der Polizei Hagen auftauchen, sind allesamt Influencer. Sie haben Einfluss - jeder auf seine Art. Die einen wie Doc Felix oder Coach Stef, weil ihnen auf Social Media Hunderttausende folgen und sich ihre Posts viral verbreiten. Die anderen, wie der vermummte SEK-Beamte oder der Imam, weil sie durch ihre authentische, ihre direkte Art jene erreichen können, um die es hier geht: junge Männer, zumindest teils mit ausländischem Pass oder Migrationshintergrund, allesamt unter 21 Jahren.

Polizei Hagen setzt beim Kampf gegen Messergewalt auf Influencer

weitere Videos

    Diese Menschen bilden die Zielgruppe der Polizei, wenn es um das Thema Messergewalt geht. Die der Polizei in Nordrhein-Westfalen, aber auch die der Hagener Polizei, obwohl sich in der Stadt die Zahlen anders, erstaunlich positiver entwickelt haben als auf Landesebene. Gleichwohl wird im Präsidium auf dem Höing auf diesen Deliktbereich ein Schwerpunkt gesetzt. Unter anderem mit einem Video, in dem Influencer vor allem diese Botschaft verbreiten: Messer haben in der Öffentlichkeit nichts verloren, niemand muss ein Messer in der Tasche haben. „Weder aus Angst, noch zur Verteidigung oder gar als Druckmittel“, wie es Polizeipräsidentin Ursula Tomahogh formuliert.

    Erste Kooperation in Deutschland

    Dass die Polizei dabei mit Influencern kooperiert, ist neu. „Deutschlandweit ist uns da kein weiterer Fall bekannt“, sagt Sebastian Hirschberg, Sprecher der Polizei und Initiator dieses besonderen Projekts. „Natürlich haben wir selbst die Möglichkeit, über Schulen und Kontaktbeamte junge Menschen zu erreichen. Aber Jugendliche sind letztlich permanent in den sozialen Netzwerken unterwegs.“

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    M. Kleinrensing WP Hagen Prävention Messergewalt
    Kooperation gegen Gewalt mit dem Messer in Hagen: Polizeipräsidentin Ursula Tomahogh und Influencer Doc Felix. © WP | Michael Kleinrensing

    „Das ist Ehrensache.“

    Doc Felix
    Influencer, über seine Kooperation mit der Polizei Hagen

    Deshalb nutzt die Polizei ihre eigenen Kanäle, setzt aber umgekehrt auch auf die Reichweite derjenigen, mit denen sie zusammenarbeitet. Felix Berndt aus Hagen ist darunter, ein studierter Mediziner, der nicht praktiziert, dem aber als Doc Felix auf Instagram allein 800.000 Menschen folgen. Dazu Christian Solmecke, ein Gevelsberger Rechtsanwalt, ebenfalls mit Hagener Wurzeln, der vor allem auf Youtube unterwegs ist. Und Coach Stef, ein kräftiger Fitness-Influencer und Mann der deutlichen Worte. „Insgesamt liegen wir drei bei mehr als drei Millionen Followern“, sagt Doc Felix, „aber unsere Beiträge werden zigfach geteilt und so erreichen wir ja nicht nur diejenigen, die uns direkt folgen.“

    Influencer teilen Polizei-Videos

    Dass sie selbst die Videos, die die Polizei Hagen mit ihnen produziert hat, weiterverbreiten, ist Teil der Kooperation. Einer Zusammenarbeit, für die jene, die wie Felix Berndt auch finanziell im Netz so erfolgreich sind, dass sie gut davon leben können, keinen Cent bekommen. „Das ist Ehrensache“, sagt der Hagener.

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    Hat selbst schon gefährliche Situationen in Hagen erlebt: Influencer Doc Felix (Felix Berndt). © WP | Michael Kleinrensing

    Er, der selbst des Nachts unterwegs ist, durch die Stadt streift, aber glücklicherweise noch keine Situation erleben musste, in der ein Gegenüber ein Messer zückte. „Es hat schon mal einen Konflikt mit einer Gruppe von Jugendlichen gegeben. Aber glücklicherweise hat da niemand eine Waffe gezogen.“

    Weitere interessante Themen aus Hagen und Breckerfeld:

    Botschaften aus dem Gefängnis

    Wie schnell das aber gehen kann, wird deutlich, wenn in dem Video ein Straftäter spricht, der einen anderen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hat und jetzt im Gefängnis sitzt - siebeneinhalb Jahre lang. Oder wenn das Opfer eines Messerangriffs erzählt, das an den Folgen bis heute leidet, dann sein Hemd hochzieht und auf die Narben deutet, die fünf Einstiche hinterlassen haben. „Dieser hier hätte mich fast das Leben gekostet.“

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    Polizeisprecher Sebastian Hirschberg hat in Hagen die Kampagne gegen Messergewalt initiiert. © WP | Michael Kleinrensing

    „In einem Menschen fließen fünf Liter Blut. Ab einem Liter Blutverlust wird es lebensbedrohlich. Wenn jemand - und sei es aus Versehen - mit einem Messer eine Arterie trifft, kann es ganz schnell gehen.“

    Doc Felix
    Influencer

    Es sind Botschaften, die bewegen. Auch die des SEK-Beamten, der als Sicherungsschütze bei einem Einsatz gegen einen mit einem Messer bewaffneten Mann in Haspe eingesetzt war und den Täter fast erschossen hätte. All diese Botschaften beleuchten Messergewalt aus unterschiedlichen Perspektiven. Aus der des Täters, aus der des Opfers, aus der eines Juristen, aus der eines Menschen, der andere Selbstverteidigung ohne Waffen lehrt, aus einer christlich-religiösen, aus einer muslimischen und letztlich aus einer medizinischen: „In einem Menschen fließen fünf Liter Blut“, sagt Felix Berndt, alias Doc Felix, „ab einem Liter Blutverlust wird es lebensbedrohlich. Wenn jemand - und sei es aus Versehen - mit einem Messer eine Arterie trifft, kann es ganz schnell gehen.“

    Kampagne jetzt online

    Unter dem Hashtag „#besserohnemesser“ geht die Kampagne jetzt online. Das komplette Video, neun Minuten lang, auf der Homepage der Polizei Hagen, die einzelnen Sequenzen auf Social Media, vor allem auf Instagram und Facebook. Es sind kurze Filme, die authentisch wirken - vor allem deshalb, weil diejenigen, die darin zu Wort kommen, ohne Umschweife auf den Punkt kommen. „Nichts ist vorher geskriptet“, sagt Sebastian Hirschberg, „es gibt kein Drehbuch, keine abgelesenen Texte.“

    Dass die Polizei Hagen die Kampagne in diesen Tagen startet, ist kein Zufall: „Die Novellierung des Waffengesetzes ist gerade durch, die Weihnachtsmärkte starten“, weist Ursula Tomahogh gleich auf zwei Dinge hin, die dem Thema Messergewalt zusätzliche Brisanz verleihen. Deshalb schwebt über allen Botschaften der Influencer dieses Ziel: „Wir wollen erreichen“, sagt Sebastian Hirschberg, „dass Messer gar nicht erst mitgenommen werden.“