Hagen. Landesweit steigt die Zahl der Messer-Angriffe. Vor diesem Hintergrund will die Polizei Hagen jetzt Täter mit einem Waffen-Verbot belegen.
Sie tasten ab, sie gucken in Rucksäcke, sie kontrollieren Pässe. Im Volkspark, im Volmepark, im Bahnhofsviertel und an weiteren Plätzen in der Innenstadt von Hagen. Die Präsenz, die die Polizei an diesem Dienstag in der Innenstadt zeigt, ist hoch. Sehr hoch sogar, weil Bereitschaftskräfte die Polizisten vor Ort unterstützen. Es geht um Messer. Es geht um Angriffe mit dieser Waffe. Und vor allem darum, wie man sie verhindern kann.
Prävention und Präsenz sind die Schlagworte. Deshalb sind die Kräfte auf der Straße, in Parks und auf Plätzen unterwegs. Dahinter stecken Zahlen, die beim Blick auf Nordrhein-Westfalen alarmieren. Die gehen aus eine Sonderauswertung des Landeskriminalamtes (LKA) hervor. Das erschütternde Ergebnis: Von 2022 auf 2023 ist bei Gewalt mit Messer landesweit ein eklatanter Anstieg um 42,6 Prozent zu verzeichnen - von knapp unter 2500 Taten auf mehr als 3500 Taten. Die Hälfte der Tatverdächtigen ist noch keine 21 Jahre alt. 45 Prozent haben keine deutsche Staatsangehörigkeit.
Keine Reaktion auf Solingen
Daraus folgt ein Zehn-Punkte-Plan des Innenministers, der in den Kreispolizeibehörden umgesetzt wird. So auch in Hagen. „Jede Behörde ist aufgefordert, für sich zu entscheiden, welche der Maßnahmen vor Ort Sinn ergeben“, sagt Polizeipräsidentin Ursula Tomahogh. Ein Aktionstag zur Bekämpfung der Messergewalt - wie jetzt in Hagen mit vereinten Kräften umgesetzt - ist eine davon.
„Wir wollen deutlich machen, dass - sobald Messer zum Einsatz kommen - ein hohes Verletzungsrisiko besteht. Es kann schnell lebensbedrohlich werden.“
Dabei betont die Präsidentin, dass die Maßnahme keine Reaktion auf das Attentat von Solingen sei, wo im August ein Mann beim Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und zahlreiche verletzt hatte. Auch mit islamischem Terrorismus habe der Messeraktionstag nichts zu tun. „Wir wollen deutlich machen, dass - sobald Messer zum Einsatz kommen - ein hohes Verletzungsrisiko besteht. Es kann schnell lebensbedrohlich werden.“
Kurze Reaktionszeit für Polizei
Entsprechend sei auch das Einschreiteverhalten der Kollegen - so Tomahogh weiter. Denn: die Reaktionszeit bei einem Angriff mit einem Messer ist für Polizisten begrenzt. „Täter können innerhalb weniger Sekunden kurze Distanzen überwinden“, sagt Polizeihauptkommissar Manfred Zeise, der im Polizeipräsidium Hagen als Einsatztrainer arbeitet und die Kollegen auf mögliche Angriffe vorbereitet. „Wenn dann möglicherweise Arterien am Hals oder am Oberschenkel getroffen werden, wird es schnell lebensgefährlich. Innerhalb von wenigen Minuten kann der Blutverlust bedrohliche Ausmaße annehmen.“
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Daher werden Polizisten geschult, ihr Abwehrverhalten trainiert. „Seit Anfang 2018 bearbeiten wir diese Thematik“, sagt Zeise.
Mehr Messer beschlagnahmt
Dabei gibt es mit Blick auf Hagen immerhin eine positive Botschaft. Die Stadt hebt sich, was die aktuellen Zahlen betrifft, vom NRW-Trend ab. Taten, bei denen ein Messer zum Einsatz gekommen ist, sind rückläufig. 65 wurden 2022 erfasst. „Nur“ 51 waren es 2023. „Und trotzdem“, sagt Ursula Tomahogh, „hat diese Thematik für uns eine große Bedeutung.“
Denn Teil der Wahrheit ist auch: Nach 52 Taten 2019 waren 2020 und 2021 lediglich 30 und 31 registriert worden. Und: Die Zahl der Messer, die bei Polizeieinsätzen beschlagnahmt wurden, steigt. 2021 waren das 107, 2022 waren es 125 und 2023 insgesamt 187.
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Eine Folge: In Hagen werden künftig individuelle Waffentrageverbote ausgesprochen. „Im Fokus stehen für uns Opferdelikte, bei denen ein Geschädigter mit einem Messer bedroht, erpresst oder angegriffen wurde“, sagt Sebastian Hirschberg, Sprecher der Polizei Hagen. „Es werden Anzeigen geschrieben, und die Kriminalpolizei wiederum prüft und bewertet, ob ein Verbot infrage kommt. Dabei geht es um die Schwere der Delikte und um deren Häufigkeit.“
Waffentrageverbot gilt für drei Jahre
Ein Waffentrageverbot gilt dann für drei Jahre. Wird ein Betroffener in dieser Zeit erneut mit einer Waffe (und dazu zählen selbst Sportgeräte wie ein Baseballschläger) erwischt, drohen ein hohes Zwangsgeld oder eine Ersatzzwangshaft.
„Wir haben in Hagen kein Messer-Problem, und wir wollen auch, dass das so bleibt. Aber wenn Polizisten mit einem Messer angegriffen werden, dann haben sie wenig Spielraum..“
So weit kommt es beim Aktionstag, den der Erste Polizeihauptkommissar Mathias Witte für die Polizei Hagen koordiniert, nicht. „Wir sprechen von einem mehrdimensionalen Einsatz, wie wir sie mit anderen Schwerpunkten zuletzt immer wieder durchgeführt haben. Unsere Erfahrung ist: Diese Einsätze zeigen Wirkung.“ Witte betont: „Wir haben in Hagen kein Messer-Problem, und wir wollen auch, dass das so bleibt. Aber wenn Polizisten mit einem Messer angegriffen werden, dann haben sie wenig Spielraum.“