Hagen. Fünf Jahre und ein kometenhafter Aufstieg. Wie der Hagener Arzt Felix Berndt zum Pionier der Online-Medizin wurde. Ein Porträt.

Der 29. September 2019 war ein ganz später Spätsommertag. Felix Berndt, damals 26 Jahre jung, war zu Besuch in der Redaktion. An seiner Seite eine Schulfreundin, damals bereits Psychologin. Sie stellten einen Podcast namens „Psycho & Doc“ vor. Das Wort Influencer gab es da schon länger, wurde aber in der breiten Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Veralberung, Spott und Unwissenheit behandelt. Für viele handelte es sich dabei eher um Unorientierte, die sich in der altbekannten Welt von Ausbildungsformaten, Studiengängen, Handelskammern und Berufsinformationszentren nicht zurechtfinden wollen. Und genau an der Schwelle saß an jenem 29. September 2019 der Hagener Felix Berndt. Heute ist er 31 und der bekannteste Medizin-Influencer Deutschlands. Eine Reise, die weitergehen soll.

Persönlicheres Verhältnis

Noch vor Corona hatte Felix Berndt seine Approbation erhalten. Die Zulassung zum Arzt. Den Weg auf diese Seite der Medizin hat der Hagener aber nicht angetreten. „Meiner Meinung nach steht das Gesundheitssystem auf falschen Füßen. Es ist kein proaktives Gesundheitssystem, das dir dabei hilft, gesund zu bleiben, sondern ein reaktives, das darauf wartet, dass du krank wirst“, beantwortet Felix Berndt sein eigenes ,Warum‘. „Deshalb habe ich 2018  angefangen, in Sozialen Medien über Medizin zu bloggen. Dadurch schaffe ich ein neues, viel persönlicheres Arzt-Patient-Verhältnis: Ich erreiche meine Patienten nicht mehr nur dann, wenn sie krank sind als unnahbarer „Gott in Weiß“ im sterilen Krankenhaus, sondern bringe mein medizinisches Wissen in ihren Alltag.“

Felix Berndt begann 2018 damit, auf Social Media über Medizin zu bloggen.
Felix Berndt begann 2018 damit, auf Social Media über Medizin zu bloggen. © WP | Johannes Krahforst

Heute ist „Doc Felix“ eine Marke

Das war sein Ansatz, sein Startpunkt. Heute ist „Doc Felix“ eine Marke, die mit ihren Inhalten ein Millionen-Publikum bedient. Bei Instagram, Facebook, bei Tiktok, in Kooperation mit Krankenkassen, als Buchautor, auch als Sprecher bei Messen zum Beispiel. Aus ihm ist eine Mediaagentur geworden. Er hat fünf Mitarbeiter. Man benötigt Kameraleute, Redakteure, Faktenchecker. Menschen wie Felix Berndt sind keine Internet-Eintagsfliegen, sondern Unternehmer. „Das ist aufregend und positiv“, sagt er. „Aber es gibt auch eine Art Fluch dieser Selbstständigkeit, das will ich nicht abstreiten. Die Arbeit bereitet mir tiefe Freude, und - das meine ich wirklich ernst - ich würde das auch machen, wenn ich kein Geld damit verdienen würde. Ich bin stolz darauf, dass ich Pionier in dieser Sache war. Ich habe die Darstellung von Medizin in Sozialen Netzwerken mitgeprägt.“

„Es gibt auch eine Art Fluch dieser Selbstständigkeit, das will ich nicht abstreiten. Die Arbeit bereitet mir tiefe Freude, und - das meine ich wirklich ernst - ich würde das auch machen, wenn ich kein Geld damit verdienen würde. Ich bin stolz darauf, dass ich Pionier in dieser Sache war. Ich habe die Darstellung von Medizin in Sozialen Netzwerken mitgeprägt.“

Felix Berndt
Influencer

Das stimmt. Er war die erste Figur, die den deutschen Markt so nachhaltig besetzte. Sein Ansatz ist niederschwellig, die Themen alltagsnah. Appetitverlust, verfärbte Zähne, Ernährungstipps, Wundheilung, Herzmuskelentzündungen, Alkoholkonsum, Flugangst, Fettverbrennung, Migräne, Akne, Cholesterinwerte - er erklärt es. In kurzen Videos, in simpler Sprache, alltagsnah. Stimmt das Thema, stimmt der Verkauf, erreicht Felix Berndt aus dem Stand ein Millionenpublikum. „In einer normalen Ärztekartei hätte ich vielleicht 2000 Patienten. Und nicht jeden davon würde ich regelmäßig sehen und erreichen. Eigentlich nur, wenn sie krank sind. Ich wollte den umgekehrten Weg gehen. Von Anfang an.“

Finanzielle Unabhängigkeit

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Dieser Weg, er hat Felix Berndt unabhängig gemacht - auch finanziell. Was und wie er es tut, darüber entscheidet der 31-Jährige selbst. Geld wird in diesen Bereichen ganz unterschiedlich verdient. Kooperationen, Honorare, Buchverkäufe, das Anbieten von Online-Masterclasses. „Die ersten Jahre waren auch von viel Hass und Ablehnung geprägt“, sagt Felix Berndt. Neider und Ablehner nahmen ihn ins Visier, auch aus dem eigenen Metier. „Ich war aber überzeugt, dass Medizin im Internet funktioniert. Und ich habe bewiesen, dass es funktioniert.“

Hagen ist er, der viel unterwegs ist, treu geblieben. „Das ist und bleibt mein Lebensmittelpunkt. Es ist nirgends schöner zu leben als hier. Ich finde hier viel Kraft.“ Seine Vision: Eine Art medizinisches (Hybrid)Haus, durch das Menschen vielleicht einmal im Jahr gehen und Vorsorgen und prophylaktische Untersuchungen machen, um gesund zu bleiben. „Hybrid deshalb, weil die Untersuchungen mit guten Online-Angeboten zu Ernährung oder anderen Bereichen ergänzt werden. Für mich ist das eine medizinische Zukunft, und möglicherweise sind auch Investoren bereit, sich da zu engagieren.“