Hohenlimburg. Jobabbau bei Thyssenkrupp: Betriebsräte treffen den Vorstand - und Nadja Kappenstein ist für Hohenlimburg dabei. Sie hat viele Fragen:

Thyssenkrupp will tausende Stellen in der Stahlsparte streichen - und am Mittwoch (27. November) wollen die betroffenen Betriebsräte mit dem Vorstand in Duisburg über die Pläne sprechen. Mit dabei ist auch Nadja Kappenstein, Betriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Hohenlimburg. Die hiesige Belegschaft beobachtet die Signale aus dem Mutterkonzern genau. Ein Interview.

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Frau Kappenstein, der Vorstand von Thyssenkrupp Steel will rund 11.000 Stellen abbauen, der Standort Hohenlimburg wurde in den Plänen aber mit keinem Wort erwähnt. Sind Sie gelassen?

Kappenstein: Thyssenkrupp Hohenlimburg wurde nicht erwähnt, aber es wurde gesagt, dass tausende Stellen abgebaut werden, vornehmlich im administrativen Bereich. Der Vorstand hat signalisiert, alles, was nicht zur Produktion zählt, auf den Prüfstand zu stellen. Auch Hohenlimburg wird von dieser Restrukturierung betroffen sein. Allerdings wissen wir bisher weder, was das genau für den Standort bedeutet, noch, wie der Vorstand seine Pläne überhaupt bezahlen will. Zu letzterem warten wir schon seit fast einem Jahr auf Details.

Im Werk von Thyssenkrupp Hohenlimburg (in der Bildmitte) werden die Brammen aus Duisburg zum Mittelband „Precidur“ warm gewalzt. Mit diesem spezialisierten Mittelband werden benachbarte Kaltwalzbetriebe beliefert.
Im Werk von Thyssenkrupp Hohenlimburg (in der Bildmitte) werden die Brammen aus Duisburg zum Mittelband „Precidur“ warm gewalzt. Mit diesem spezialisierten Mittelband werden benachbarte Kaltwalzbetriebe beliefert. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Die Belegschaft hängt also weiter in der Luft?

Wir haben bis heute keine Fakten. Welche Bereiche werden auf den Prüfstand gestellt? Wie werden die Ergebnisse ausfallen? Thyssenkrupp Hohenlimburg ist wirtschaftlich profitabel und schreibt schwarze Zahlen. Die Produktion ist solide aufgestellt und ein wichtiger Faktor bei Thyssenkrupp Steel. Wir können nur hoffen, dass solche Fakten mit berücksichtigt werden und der Vorstand daraus die richtigen Schlüsse für den Standort zieht: Wir sind profitabel, deswegen hält der Vorstand auch am Standort Hohenlimburg fest.

„Wir gehen nicht davon aus, dass über einen Verkauf von Thyssenkrupp Hohenlimburg nachgedacht wird und haben bisher auch keinen Anlass, daran zu zweifeln. Im Gegenteil: Wir bleiben Mittelständler und wir bleiben eigenständig.“

Nadja Kappenstein, Betriebsrat Thyssenkrupp Hohenlimburg
über die geplanten Einsparungen in der Stahlsparte

Allerdings war auch die Aufzugssparte von Thyssenkrupp profitabel und wurde deshalb verkauft. Aktuell wird über einen Verkauf des U-Boot-Bauers Marine Systems diskutiert - ebenfalls eine profitable Sparte von Thyssenkrupp...

Wir gehen nicht davon aus, dass über einen Verkauf von Thyssenkrupp Hohenlimburg nachgedacht wird und haben bisher auch keinen Anlass, daran zu zweifeln. Im Gegenteil: Wir bleiben Mittelständler und wir bleiben eigenständig.

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Fest steht, dass Thyssenkrupp Steel die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg verkaufen will. Von dort kommen rund 95 Prozent des Vormaterials für Thyssenkrupp Hohenlimburg. Woher kommen die Brammen, die in Hohenlimburg weiterverarbeitet werden, falls HKM wegfällt?

Es wird wohl so sein, dass wir in Hohenlimburg das Vormaterial aus den Stahlwerken von Thyssenkrupp im Duisburger Norden erhalten können.

Luftbild, Hüttenwerke Krupp Mannesmann HKM Industriestandort am Fluss Rhein mit rauchenden Kühltürmen, umgeben von herbstlichen Laubbäumen, Hüttenheim, Duisburg, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Verkauf geplant: Die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg liefern rund 95 Prozent des Vormaterials für Thyssenkrupp Hohenlimburg. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

... deren Anlagen allerdings nicht so gut an die hiesige Produktion angepasst sind...

Das stimmt. Es fehlt im Duisburger Norden zum Beispiel eine Twinguss-Anlage, in der schmale Brammen gegossen werden. Thyssenkrupp hat aber signalisiert, in seine Stahlwerke dort investieren zu wollen, um die Anlagen entsprechend dieses Bedarfs zu modernisieren.

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Thyssenkrupp Steel will sein Werk in Kreuztal-Eichen schließen. Kann das für die Belegschaft in Hohenlimburg insofern eine gute Nachricht sein, dass dadurch Kapazitäten in der Region künftig hier ausgebaut werden könnten?

Was mit dem Werk in Eichen passiert, ist eine Katastrophe. Der Standort bedient andere Marktsegmente als wir in Hohenlimburg, produziert zum Beispiel auch Weiße Ware für die Haushaltsindustrie. Eichen ist weder Konkurrent noch Mitbewerber. Es ist inakzeptabel, dass der Vorstand diesen Standort schließen will - und so eine Nachricht so kurz vor der Weihnachtszeit zu verkünden ist moralisch fragwürdig. Wir stehen hier fest an der Seite unserer Kollegen in Kreuztal und werden gemeinsam für das Werk kämpfen.

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Noch vor drei Wochen protestierten Sie bei Warnstreiks mit der IG Metall vor den Werkstoren in Hohenlimburg für mehr Lohn. War das angemessen, wenn seit Monaten über Restrukturierung im Unternehmen diskutiert wird?

Ich weiß, dass es Unternehmen gibt, die sich Lohnerhöhungen aktuell kaum leisten können. Aber es ist nicht so, dass die IG Metall Unternehmen durch Tarifabschlüsse ruiniert. Bei wirtschaftlichen Schieflagen setzen sich IG Metall und die Unternehmen zusammen, um auszuloten, was geht und was nicht. Wir müssen auf der anderen Seite nämlich auch feststellen, dass die Preise im Alltag steigen. Allein die Kosten für Lebensmittel sind im vergangenen Jahr um 30 Prozent gestiegen. Es ist es wichtig, dass sich die Gehälter anpassen. Zudem muss unsere Branche zukunftsfähig bleiben für die Fachkräfte von morgen. Das erreichen wir nur mit attraktiver Vergütung. Wir haben letztlich einen Tarifabschluss von 5,1 Prozent bis 2026 ausgehandelt und das ist ein guter Kompromiss. Unternehmen, denen es schlecht geht, können eine tarifliche Sonderzahlung auch aussetzen oder vertagen.

Wann rechnen Sie mit Fakten, wie die Einsparungen am Standort Hohenlimburg aussehen sollen?

Es braucht einen Businessplan, der dem Aufsichtsrat vorgelegt wird. Ich denke, die Fakten werden Anfang 2025 kommen.

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